Peter Hammill und sein Van der Graaf Generator spielen eine(n) World Record ein.



Wir schreiben das Jahr 1976. Exakter bestimmt, es ist im Wonnemonat Mai des Jahres. Ich hatte gerade meine Fachhochschulreife auf dem Zweiten Bildungsweg an der FOS in Stadthagen erworben und wartete geduldig auf eine Studienplatzzusage der ZVS in Dortmund oder einer der Fachhochschulen, bei denen ich mich direkt beworben hatte. Zwischenzeitlich ging ich als Bandarbeiter bei Heye Glas in Obernkirchen in drei Schichten malochen,trank ab und zu ein Einbecker Urbock bei Kanbach in Münchehagen, ein Guiness Stout im Minchen in Bückeburg oder ein Herforder Pils bei meinen Eltern in Bad Eilsen und hörte " Rock in " mit Winfrid Trenkler, " Radiothek am Donnerstag " mit Tom Schröder und Winfrid Trenkler oder - und das hauptsächlich - meine LPs mit progressiver Musik.

In diesem Monat erhängt sich Ulrike Meinhof in der Zelle des Isolationsknastes Stuttgart-Stammheim.
Mehr als 1 Jahr später sollte die BRD in die größte innenpolitische Krise der Nachkriegszeit schlittern. Die Verblendeten der Rot Armee Fraktion überziehen das Land mit Gewaltaktionen, wie die Entführung des Arbeitergeberpräsidenten Schleyer. In der BRD wird 1976 der Bundestag gewählt. Helmut Schmidt gewinnt gegen Kohl von der CDU/CSU die Wahl. In Hessen tritt der Ministerpräsident Osswald wegen der u.a. vom "SPIEGEL" aufgedeckten HELABA-Affäre zurück.

Die Welt ist immer noch in drei unversöhnliche Lager geteilt: Westen - Osten - China. Dort stirbt deren Parteivorsitzender und einstige Staatspräsident Mao Zedong. In der DDR wird Erich Honecker zum Staatsratsvorsitzenden ernannt und lässt einige Wochen später neben dem Sänger Wolf Biermann, noch andere DDR-Künstler ausweisen. Dynamo Dresden gewinnt zum 4. Mal die DDR-Meisterschaft, die Bazis gewinnen den Europapokal der Landesmeister mit viel Dusel gegen den AS St. Etienne ( 1:0 ) und holen sich später auch den Weltpokal, in Montreal beginnen die Olympischen Sommerspiel, in Innsbruck die Winterspiele usw. usf.  

http://de.wikipedia.org/wiki/1976

In diesem Ereignis reichen Jahr saßen ab dem 10. bis 30. Mai 4 englische Musiker in den in Rockfield Studios 1 &  2 täglich zusammen und spielten eine Vinyl-Scheibe mit dem sinnigen Namen " World Record " ein. Diese Musiker nannten sich " Van der Graaf Generator " ( VdGG )und wurden namentlich so erfasst:

- Hugh Banton: Manuals and Pedals

- Guy Evans: Drums, cymbals, percussion & fingerpops

- Peter Hammill: Vox, Meurglys III and Wasistderpunktenbacker

- David Jackson: Alto, tenor and soprano saxophones and accoutretments, and flute (all in The Grotto )

Die Rockfield Studios in Monomouth / Wales waren zu diesem Zeitpunkt bereits bei vielen englischen Musikern bekannt und galten als aller erste Adresse. Nicht nur, weil sich hier Prog-Band wie Black Sabbath, Love Sculpture oder spätere Weltstars, wie die Musiker von Queen trafen, sondern insbesondere, weil das Ambiente für die oft extrovertierten Künstler stimmte.

Zu diesen zählte einst mit Sicherheit Peter Hammill. Der im November 1948 in Ealing / Middelsex/England geborene Hammill wuchs in einenm streng katholischen Elternhaus auf und wurde mit 8 auf eine Jesuitenschule geschickt.
Was ihn nicht davon abhielt, 1967 eine Prog-Rockband und kurz darauf "Van der Graaf Generator " zu gründen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Hammill

Peter Hammill bestimmte auch bis zu der ersten Auflösung der Formation 1972 die musikalische Richtung. Der kreative Chaot gehörte vormals zu den Non-Konformen, wie sie zum Ende der 60er Jahre mit Brian Eno, dem Ex-Keyboarder bei Roxy Music, Peter Gabriel von " Genesis " oder auch Syd Barrett, dem abgedrehten Ex-Gitarristen, Komponisten und Songschreiber von "Pink Floyd" durchaus in der Szene akzeptiert wurden.

Peter Hammill schrieb deshalb auch die meisten Songs, die auf den VdGG-Alben veröffentlicht wurden. Hammill entpuppt sich dabei zunehmend als Poet, der die diversen Lebenssituationen lyrisch umschreibt und sie in Klagmuster umsetzt. Als im Sommer des Jahres 1976 das Album " World Record " heraus kam, ließ ich es in den LP-Ständern zunächst eher unbeachtet stehen. Die Formation VdGG war mir zwar längst bekannt, denn das dritte Werk der Formation " H to H. Who Am the Only One " hatte ich einige Jahre vorher bereits bei einem Bekannten mit hören dürfen und der dort enthaltene Titel " Killer " wurde beinahe in jeder progressiven Diskothek gespielt.
Mir war die Gruppe auch deshalb geläufig, weil auf dieser LP Robert Fripp mit wirkte, der bei der Band " King Crimson " zusammen mit Greg Lake und Pete Sinfield ein exzellentes Album im gleichen Jahr heraus brachte.

Da Hammill ein abgedrehter Berufsmusiker war, suchte er sich für die Plattenprojekte ständig neue Mitstreiter; mit der Konsequuenz, dass bei VdGG nichts so beständig blieb wie die personelle Unbeständigkeit ( so die Kritiker ).
Hammill gelang es jedoch jene alltäglichen Banalitäten musikalisch auf zu greifen und diese in Text und Klang umzusetzen. Wer hat schon eine solche Gabe? Nur wenige aus seiner Zunft.

Auch wenn VdGG seit ihrer Gründung kommerziell am Rande der Musikszene herum vegetierten, die Gruppe deshalb ihre Auflösung bereits vor 1972 mehrfach ins Auge gefasst hatten, gehörte die Band zu den Pro-Rock-Tipps jedes Fans.

Wenn sich 35 Jahre nach der Veröffentlichung des Album " World Record " mehr oder weniger enthusiastische Kritiken im Netz wieder finden, dann nicht nur vollkommen zu recht, sondern dieser Umstand zeigt auch, dass die Mehrzahl der Insider und VdGG-Fans genau jene Wertschätzung für Hammillś Truppe artikulieren, wie sie sich beim Anhören - nicht nur - dieser LP (CD) ergeben muss.


http://www.amazon.de/World-Record-Van-Graaf-Generator/dp/B0009Y33DS 

Auch wenn der Prog-Rock 1976 seinen schöpferisch und kommerziellen Höhepunkt längst überschritten hatte, gab es noch jede Menge Anhänger und potentielle Käufer für Tonträger aus diesem Musik-Genre.
Einen " World Record " bei den Verkaufszahlen konnten jedoch weder VdGG mit dieser LP aufstellen, noch gelang es anderen, ab Ende der 60er Jahre aus der sich breit machenden Lethargie der Pop-Musikwelt ausbrechenden Bands,  an die Glanzzeiten der Beatformationen anzuknüpfen. Dieses war andererseits auch gar nicht gewollt, denn damit hätten sich Hammill und Co. dem Diktat des ausufernden Marktes unterworfen.

Wie texten Hugh Banton und Peter Hammill in dem letzten Stück der LP mit dem interessanten Titel " Wondering " zutreffend?

I will arise:
in the depths, I will open my eyes;
as my breath almost fails me, survive.

Wait - there's something unclear,
there's soemthing I fear now drawing close.
Could it be you? Whose is that voice?
Is it now time to make a chice?
Ah - that irrational pain!
This ridiculous brain now bursts with joy.
Could it be me? Could it be now?
Should I begin to take my vows?

I will return:
as I live, as I breathe, as I burn
I swear I will come through,
with my hands stretching out in the dark,
with my eye pressed up tight to the glass,
wondering if it's all been true.

So bewertet Christian Kessler auf seiner Seite (http://www.christiankessler.de/hammill.htm ) richtiger Weise dieses Stück als formellen Abgesang der VdGG-Jahre ab 1967:

"Das fanfareske "Wondering" beendet die Existenz von Van der Graaf Generator mit einem dicken Fragezeichen..".

9 Jahre sind eine lange Zeit, innerhalb derer sich die Formation und die Bandmitglieder ständig veränderten. Peter Hammill pflegte seit geraumer Zeit seine Solisten-Projekte, so dass die erneute Auflösung der Gruppe eher konsequnet war.
Es dauerte dann fast 2 Dekaden, bis VdGG sich in der Urbesetzung zusammen fanden. Womit auch neues Material eingespielt wurde und im März dieses Jahres eine aktuelle CD auf den Markt kam.

VdGG forever?



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