Das Glück klopft an die Tür, ist ein Rindvieh und sucht seinesgleichen.


Die alte Tante ARD hat ja ab und an lichte Momente, wenn es darum geht, dem GEZ-Zwangsgebührenentrichter ein wenig Qualität für das viele Geld zu bieten, welches dort kalenderjährlich eingenommen, verteilt und nur zu oft sinnlos verschleudert wird. Diese Glücksmomente sind allerdings so rar, dass ein alter Fernsehhase sie im Zeitalter der globalisierten Wegwerf-Gesellschaft mit dem medialen Einheitsbrei und der veröffentlichten Geschmacksautomation getrost mit der Lupe suchen muss. Wenn eine öffentlich - rechtliche Rundfunk - und Fernsehanstalt, wie es jetzt die ARD - Themenwoche versucht,  sich schwerpunktmäßig  dem Umgang mit dem Tod widmet und dabei auch ihre Dritten Programme einbindet, kann dieses nur bedeuten, dass hierzu Konserven aus dem Giftschrank des Unsehbaren ausgestrahlt werden. Einen Volltreffer hierzu hat denn am Nachmittag des heutigen Sonntags das Programm des " rbb " gelandet.

Ab 15.30 Uhr konnte der, vom Novemberwetter schon reichlich in die melancholische Gefühlswelt hinein versetzte Glotzer, in eine hellere und klinisch getestete Umwelt eintauchen. Hier gibt es keine Geldsorgen. Das Alter und der damit einher gehende Verlust der Attraktivität auf dem allgemeinen Paarungsmarkt, wird durch " Anti - Aging " - Produkte kaschiert, der weitere körperliche Verfall mittels " Facelifting ", Bruststraffung und diverser Fettabsaugeaktion gehemmt und dem drohenden Unbill in Form der schleichenden geistigen Verödung durch pulverisierte Mittelchen aller Art entgegen getreten.

Aus diesem Umfeld entstammt der Fernsehfilm " Das Glück klopft an die Tür ", in dem es zwar auch um den ab dem 17. November thematisierten Tod geht. Der spielt allerdings nur am Rande eine Rolle, denn primär geht es um das Aufzeigen eines Lebensklischees, dass sich auch im 6. Jahrzehnt des bundesdeutschen Fernsehens zwanghaft hält: Wir sind in allen Berufsbereichen erfolgreich.
So kommt jene cineastische Lüge denn auch in der Schmonzette aus dem Jahr 2006 voll umfänglich zum Tragen. Dass der plötzliche Unfalltod ihres Mannes, die in jenes Korsett eingezwungene Hauptdarstellerin Gila Maibach nicht völlig aus der Bahn wirft, obwohl sie sich mit der Tatsache, dass ihr Mann eine heimliche Tochter hatte, konfrontiert sieht, liegt eben an dem Zuvorgesagten.
Nun, da ein verschwiegenes Kind, irgendwann mit einer aufnahmebereiten Nebenbuhlerin,  - die Männer sind nicht nur Schweine, sondern dazu auch noch feige - gezeugt, in dem gezeigten sozialen Umfeld so ungewöhnlich nicht ist, dürfte der weitere Verlauf des Lebens - nach dem tragischen Schicksalsschlag - für die herunter gehungerte Gila - mutmaßlich um Mitte 50 - dennoch eine eher gerade Linie aufzeigen. Denn, als wäre der plötzliche Unfalltod ihres Mannes Lothar nicht Schicksal genug, wird die brave Hausfrau Gila Maibach bei der Testamentseröffnung zwar gleich mit der nächsten „Überraschung” konfrontiert: Für ihr geliebtes Haus, in dem sie viele glückliche Ehejahre mit Lothar verbrachte, gibt es eine unbekannte Miterbin - diese Nebensächlichkeit spielt aber im dargestellten Lebensumfeld nur eine sekundäre Rolle.

Der von den Schmalz triefenden Verblödungsfernsehfilmen rund um das Trio Infernale Danella, Pilcher und Courths - Mahler bereits vorgewarnte Zuschauer sollte somit auch in Windeseile den Gedanken, wer diese ominöse Miterbin denn nun sein soll, selbst beantworten können: seine Geliebte!
Doch weit gefehlt!

Zunächst sind zwar Gila und ihre beste Freundin, die vorlaute Franziska, die sich als luxuriöse Nur - Hausfrau austobt, indem sie das Geld ihres Wirtstiers in Gestalt eines erfolgreichen Architekten, rund um die Uhr ausgibt, fest überzeugt, dass es sich bei der jungen Blumenhändlerin Maja Deutz um die Geliebte des Verstorbenen handeln muss. Schon bei der ersten persönlichen Begegnung zwischen der eher verdutzten Gila und der künstlich aufbrausenden Maja stellt sich jedoch heraus, dass Maja nicht Lothars Geliebte war, sondern vielmehr seine  nicht eheliche Tochter ist! Und diese verlangt nun ohne Umschweife die Auszahlung ihres Erbteils.
Jetzt haben die drei Zippen ein ernsthaftes Problem, denn das ist leichter gesagt als getan. Gila hat nämlich weder Ersparnisse ( wo her auch, schließlich lebte sie bis dato ganz gut von den üppigen Einkünften ihres verstorbenen Mannes, der ebenfalls im Architektenzirkus seine Runden drehte ) , noch will sie das mit einer Hypothek belastete Haus verkaufen, weil sie dadurch erhebliche finanzielle Verluste hinnehmen müsste. Auch die groß aufspielende Freundin Franziska kann ihr dort nicht weiter helfen, weil sie eben auch - außer einem großen Rand - nichts zu bieten hat.

So kommt es, dass die - dieses ist Sozialdramatik pur - hochschwangere Maja nach einem Streit mit ihrem Ehemann Stefan gemeinsam mit ihrem kleinen Sohn Max bei Gila einzieht – sehr zum Erstaunen von Gilas linkischem Nachbarn Justus. Auch die Szenerie, wonach das dynamische Duo zunächst das  wohl geordnete Leben der biederen Hausfrau ganz schön durcheinander wirbelt, sind derart gekünstelt dargestellt, dass sich der Zuschauer ernsthaft fragen muss, ob hier eine Horde von bourgeoisen Komparsen der Generationen      " Punk " bis  " Golf I " ihre Speckpfoten im Spiel haben..
Nach einer Weile aber merken die chaotische Maja und die schüchterne Gila, dass sie gar kein so schlechtes Team abgeben: Während Maja voller Idealismus ihren Blumenladen schmeißt, bringt die ehemalige Sekretärin Gila die Buchhaltung auf Vordermann und kümmert sich um Max.
Und - als wäre der kackigen sowie klischeehaften Problem-Dramaturgie nicht schon genüge getan - dieses Konzept geht zunächst auf, weil die verspießte Buchautorin es eben versteht, den realen Lebenskampf als Heimatsaga mit dem sattsam bekannten Happy End umzufunktionieren.

Eine leichte Brise Zickenkrieg darf natürlich auch nicht fehlen, denn die eifersüchtige Franziska ist überzeugt, dass Maja ihre beste Freundin nur ausnutzt und bläht denn - stil - und milieugerecht - nur herum, statt der Freundin Gila unterstützende Ratschläge zu erteilen. Gila,  mit blond - gefärberter Sauerkrautfrisur sowie rückschrittlichen Gedankengut aus den verendeten 80er Verarschungsjahren übrig geblieben -  indes blüht durch die neuen Herausforderungen regelrecht auf. Hach, da kommt dann das spießbürgerliche Ambiente auch nicht zu kurz, weil sie zum ersten Mal in ihrem Leben das Gefühl hat, wirklich gebraucht zu werden. Friede, Freude, Sushi? Doch nichts da! Erst zerstört ein heftiger Streit der Beiden die beginnende Freundschaft des ungleichen Duos. Dann - welch´frevelhaftes Verhalten - versöhnt sich  Maja mit Stefan und kehrt zu ihm zurück. Als wären diese Schicksalschläge nicht genug, befürchtet Gila nicht nur den Verlust ihrer „neuen Familie”; nun droht auch noch der Verkauf des geliebten Hauses.

" Und der Mensch heißt Mensch ,weil er vergisst, weil er verdrängt.
Und weil er schwärmt und stählt.  Weil er wärmt, wenn er erzählt. ", nölte Onkel " Herbert " vor knapp 10 Jahren auf seinem gleichnamigen Album. So gilt denn auch hier: Der Mensch bleibt Mensch, auch im egoistischen Gesellschaftsmodell BRD 2000 Plus. Auch wenn es nicht so ganz einfach ist mit dem Mensch bleiben, fügt sich in diesem grausamen Rührstück schließlich wieder jenes zusammen, was zusammen gehört. Das luxuriöse Architektenhaus des verstorbenen Gatten wird nicht zwangsversteigert, verscherbelt und geht nicht verlustig, die naive Gila mit der Breitmaulfrosch-Visage und der Sauerkrautfrisur wird nicht obdachlos. Die Miterbin entschließt sich es noch einmal zu versuchen. Das Patchwork - Experiment geht in die nächste Runde, weil der sich selbst suchende Vater der inzwischen nieder gekommenen Floristin Maja, seinen Selbstfindungstrip im Form des experimentellen Architektenlebens aufgibt und nun zusammen in das edle Gemach der um die Ecke Verwandten einzieht.

So hätte die ARD das Thema " Leben mit dem Tod " gleich in " Tod mitten im Leben " umfunktioniert. Denn scheintod waren hier nicht nur die drei Damen vom Grill ( Gila, Maja und Franziska ), sondern auch der Quotenmann Stefan, weil er die Bagage - Verantwortung muss sein - zu ertragen hat und einen Teil davon am Leben erhalten darf, denn - entgegen des verdummenden Konstrukts in dieser Schmalzgeschichte - von der Floristik wird heutzutage keine Frau satt.
Na, denn, hier sind die glücklichen ARD - Rindviecher:

Das Glück klopft an die Tür

Fernsehfilm Deutschland 2006



Gila Maibach (Saskia Vester)

Maja Deutz (Chiara Schoras)

Franziska Miller (Andrea Bürgin)

Stefan Wagner (Max von Thun)

Justus Werber (Gustav Peter Wöhler) u.a.



Musik: Robert Schulte Hemming, Jens Langbein

Kamera: Charly Steinberger

Buch: Monica Simon

Regie: Christine Kabisch



Kommentare

Themis hat gesagt…
Guten Morgen Lobster,

ich hab so gelacht! Das ist wieder mal so hrrlich geschrieben. Eonfach klasse. Ach ihr habt mir alle gefehlt! Kannst du mir bitt deine E Mail Adresse zukommen lassen? Ich möchte meinen Blog erst mal schließen und nur für bestimmte Leser zugänglich machen. Das hat einen Grund, denn ich dir lieber persönlich erzählen möchte. Meine E Mai ist Manuela_Bon@web.de Dort kannst du mir gerne deine E Mail Adresse zukommen lassen und ich schalte dich frei.
Einen schönen restlichen Tag,
Manu

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