Oh, Tannebaum, wie kahl sind deine Äste?



Wenn es draußen nicht so früh dunkel werden würde und uns die ersten Nachtfröste bis in die Niederungen bereits heim gesucht hätten, ich würde es kaum glauben, dass in 34 Tagen bereits Heilig Abend ist. Es folgen bekanntlich Weihnachten und Silvester. Jedes Jahr dasselbe! Schon ab September bombardiert der Einzelhandel den potentiellen Kunden mit ausgelegten kalorienhaltigen, chemiebelasteten und Karies fördernden Weihnachtsartikeln, deren Anzahl dann im Verlaufe der Folgewochen sukzessive gesteigert wird. Auch die Reklame stellt dann langsam aber sicher auf die Verdummungsspots mit dem Weihnachtsmann, leuchtenden Kinderaugen sowie auf glücklichen Gesichtsausdruck  mimende und Friede, Freude, Eierkuchen, umgepolte Eltern um. Die Stadtkerne werden alsdann festlich illuminiert. Da kommen jene Lichterkette, jene künstlichen Sterne und jene Weihnachtsfiguren aus dem Arsenal wieder zum Vorschein, die dort ab Mitte Januar ihr tristes Dasein fristen mussten. Nun werden sie heraus geholt, gesäubert, abtransportiert und anschließend aufgehängt.

Neben dem leuchtenden Brimborium veranstalten die Städte ihre sattsam bekannten Weihnachtsmärkte. Ob es der " Nürnberger Christkindlmarkt ", der " Aachener Printenmarkt " oder der " Erfurter Weihnachtsmarkt "  ist ; sie alle sind längst zum Ritual degradiert geworden, wenn es darum geht, die Kundschaft in die sonst ab spätestens 22.00 Uhr verödeten Innenstädte zu locken. Natürlich spielt der Umsatz, der Kommerz eine gewichtige Rolle. Auch die Stadtsäckel partizipieren von der standardisierten Eintracht jener Märkte von Flensburg bis Garmisch und von Rostock bis Frankfurt / Oder, denn für die vereinheitlichten Nippes - Stände, Freßbuden oder Glühweinschuppen verlangen die stadteigenen Behörden von den dort Gewerbetreibenden saftige Standmieten. Ein warmer Geldregen für die hoch strapazierten Haushalte ist ihnen gewiss. Eben darum geht es auch, wenn sich die Städte dazu verpflichten wegen des weihnachtlichen Ambiente in finanzielle Vorleistung zu gehen. Aber: Gemach, Gemach, qua Umlage wird ein erheblicher Betrag von den örtlichen Geschäften wieder eingetrieben.

So ist es auch - alle Jahre wieder - in unserer, sodann ebenfalls festlich geschmückten Innenstadt, auf dem hiesigen " Striezelmarkt ". Es laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Es wird der " Altmarkt " -  Platz gesäubert, geschmückt und es wird aufgebaut. Ja, und weil der Dresdner traditionsbewusst lebt, darf der obligatorische Weihnachtsbaum nicht fehlen. Dieser muss - dem Anlass gemäß - ein schöner Nadelbaum sein. Eine einheimische Fichte eben. Groß genug, damit sie den Platz wunderbar überstrahlen kann. Ein natürliches Monument, ein gerade gewachsenes Stück Heimat, ein Anflug von Lokalkolorit in Grün. So entschied sich die zuständige Behörde in der Orosz´schen Verwaltung für eine Fichte aus der Dresdner Heide. Kerzengrade gewachsen, über 20 Meter hoch, schlank, grün, mit ausladenden Ästen. Ein Prachtstück von edler Gestalt, das dann auf ein " Altmarkt " kompatibles Maß gestutzt wurde.
Da stand sie dann, majestätisch auf das Gewimmel herab schauend, jenen Platz blickfangmäßig ausfüllend, auf dem in den kommenden Tagen der 578. " Striezelmarkt " eröffnet werden soll. Seit 578 Jahren wird der " Striezelmarkt " hier zelebriert.

Der Dresdner Striezelmarkt ist damit einer der ältesten Weihnachtsmärkte Deutschlands. Er wird seit 1434 regelmäßig im Advent auf dem Altmarkt in Dresden veranstaltet. Das bedeutet natürlich eine gewisse Verpflichtung an die Tradition einzugehen. Aber die Modernität der Metropole soll nicht zu kurz kommen:  So wird der Dresdner Striezelmarkt seit einigen Jahren durch die in unmittelbarer Nähe gelegenen, aber nicht zum eigentlichen Markt gehörenden Weihnachtsmärkte auf der Prager Straße, der Hauptstraße sowie von den nördlich benachbarten Weihnachtsmärkten „Advent auf dem Neumarkt“ vor der Frauenkirche und dem mittelalterlichen Weihnachtsmarkt im Stallhof ergänzt. Weil der Dresdner Striezelmarkt eine große Zahl von einheimischen wie auswärtigen Besuchern anzieht, wurde er - Business as Usual - erweitert, denn ihn besuchen jährlich ca. 2,5 Millionen Menschen.

Und weil Tradition eben verpflichtet, muss das Gesamtambiente stimmen. Da kann es nicht angehen, dass eine Fichte - zumal als Weihnachtsbaum - zum vermeintlichen Schandfleck Dresdens wird. So sieht es zumindest die Krawall - Postille " Dresdner Morgenpost " in ihren Ausgaben vom 13. und 14. November 2012. Unter dem Aufmacher: " Aufstand auf dem Striezelmarkt " Dieser Baum ist eine Schande! " zieht das Blatt ordentlich vom Leder:

" Diese Fichte wäre bestenfalls ein Maibaum ", " Die Schandfichte vom Striezelmarkt ", so prügelt die angebliche Journalistin Anneke Müller auf das bereits aufgestellte Exemplar Dresdner Weihnachtskultur ein und legt dann - eher sinnfrei und zudem begrifflich falsch - nach: " Tauscht die kranke " Tanne " aus ! Bürger und Besucher sind sich einig: Dieser Baum ist Dresden unwürdig "
Was Müller sodann aufbauschend - dem Gossenjournalismus sei Dank - zu vermitteln versucht, ist selbst für ihre Leserschaft keine höhere Mathematik: Die Fichte hat ein Alter von 105 Jahren und ist demnach nicht mehr ganz gesund. Müller echauffiert sich deshalb, weil die negative Schlagzeile mehr Aufmerksamkeit bei dem Biedermichel verspricht, als eine sachlich - nüchterne Information. dass ein geforderter Austausch ( von wem eigentlich gefordert? ) etwa 10.000 Euro Kosten verursachen würde. So lamentiert denn der MoPo´s Müller eifrig weiter: " Peinlich " und " eine Schade " sei dieser Baum für " die Weihnachtsstadt Dresden ".

Hoho, " Weihnachtsstadt Dresden "? Ich dachte, sie sei "nur" Landeshauptstadt des Freistaates Sachsen ( jetzt hätte ich beinahe Bayern geschrieben ) und unter dem Begriff " Elbflorenz " auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt.
Aber " Weihnachtsstadt "? Das klingt so, als habe unsere " Tante "  Helma  Orosz die Verwaltungsrichtlinie ausgegeben, ab dem 28.11.2012 die Ortstafeln auszutauschen und durch neue Schilder zu ersetzen auf denen der Zusatz " Landeshauptstadt " durch " Weihnachtsstadt " ersetzt wird.

Nun, sei´s wie es ist: Die MoPo - Dame kritisiert denn weiter, dass die Fichte eben nicht gesund sei, unter " Schüttelpilzbefall " leide (  Was ist das denn? ). " Schüttelpilzbefall ", das liest sich wie Schüttelfrost, Schüttelbrot, Schüttelerscheinung. Aber auch Schüttelpoesie, Schüttelpoetik, Schüttelreim.

( http://tkb.bookmaps.org/s/c/sch_747.html )


Und so reimt sich MoPo-Mops - Müller in ihrem Artikel etwas von Ethik, Ästhetik und Ehre zusammen. Über zwei Ausgaben hinweg soll dem Leser suggeriert werden, dass des " Striezelmarkts " Wohl und Wehe von dem erkrankten Baum ab hinge. Wohl dem, der jetzt noch keinen eigenen Baum hat. Angeblich soll der böse Parasit, der Pilz, der Schüttelpilz den gesamten Bestand der Dresdner Heide befallen haben. Junge, junge, da wird mal wieder dick aufgetragen. Das hat die Qualität der " BLÖD " - Zeitungsschreibe. Immer hoch hinaus, immer weit ausgeholt, immer übertrieben dargestellt. Unter dem berühmten Strich bleibt ein Informationswert von annähernd Null.

Da fragt sich die durchschnittliche Dresdnerin, der gemeine Dresdner, der gern gesehen Tourist: " Wen interessiert das? "

Fazit: Viel heiße Luft um altes Holz im grünen Gewand.

Da schüttelt es einen nun wirklich. So kalauere ich denn im Sinne der Schüttelreim-Methodik:

Es war einmal ein Dresdner Nadelbaum,
bei dem sah man die Nadeln kaum.
Es holten ihn der Orosz´Truppen,
und kappten ihn in einem Schuppen.
Die kranke Fichte stand
jetzt nicht mehr nur am Fichtenrand.
Der alte, nicht gesunde Baum,
erfreute aber viele Dresdner kaum.
Das hörte auch die Morgenpost
und scheute weder Müh´noch Kost´.
Da wurde eifrig kritisiert und übertrieben,
am Ende ist jedoch nicht mehr verblieben.
Als viel Geschrei und viel Geplärr,
als wenn der Baum so wichtig wär´.
Es gibt in uns´rer schönen Stadt,
viel größere Probleme, satt.
Da wären uns´re Gammelstraßen,
der Fahrradfahrer kann sie nur hassen.
Auch unverschämt hohe Grundsteuer,
ist dem Eigentümer längst nicht geheuer.
Für die Pleitepolitik der schwarzen Fürsten,
müsste der Michel ihnen einen überbürsten.
Doch der Dresdner Spießer will sei´ Ruh´
und wählt  trotz Krüppelfichte , CDU.

Wohl an, da fällt mir der Schütteler mit Heinrich Heine ein:

Es schwärmten kaum für Schweinehirten,

die Damen die um Heine schwirrten.
Besser wäre: Denk´ich an Deutschland in der Nacht....!

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