Das Amtsgericht Augsburg und die seltsame Auslegung der Meinungs - und Pressefreiheit.



Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Die Pressefreiheit hat in diesem, unserem Land, eine gleichrangige rechtliche Stellung.Auch der Datenschutz in Form der informationellen Selbstbestimmung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht als eines, mit Grundrechtseigenschaften behaftetes, weiteres Rechtsgut,  in diese, vom Staat besonders zu schützende Gruppe, einzustufen. So weit, so klar!
Unklar scheint diese Wertung allerdings dann, wenn andere Grundrechte, wie das Persönlichkeitsrecht, diametral jenen Rechtskonstituten entgegen stehen.
In jenen Konfliktfällen muss der Jurist eine Güterabwägung vornehmen. Welches schützenswerte Recht dann höher eingeordnet werden kann, bleib auch hier, eine Auslegungssache.

Das ist auch in jenem Fall so zu sehen, der sich bereits im Herbst 2012 zutrug und am Dienstag, 29. 01. 2013 seinen vorläufigen Höhepunkt erhielt. Der Ordnungsreferent der Stadt Augsburg Volker U. ( CSU, was sonst? ) schmiedet seit geraumer Zeit Pläne, um gegen den " Straßenstrich " in dem bayrischen Stadt vorzugehen. Die " Augsburger Allgemeine " berichtete darüber in ihrer Ausgabe. Deshalb entwickelte sich in dessen Internet - Forum eine lebhafte Debatte zu dem Für und Wider dieser geplanten Maßnahmen.
Im Zuge der dort entfachten Debatte, fühlte sich U. aufgrund einiger dort getätigter Äußerungen eines unter einem Pseudonym schreibenden Nutzers persönlich angegriffen und wehrte sich über einen von ihm mandatierten Rechtsanwalt, gegen jene als " ehrverletzend ", also beleidigend, bewerteten Formulierungen. Der bevollmächtigte Rechtsanwalt verlangte von der Redaktion der Tageszeitung die Herausgabe des bürgerlichen Namens, jenes Users, um gegen diesen mittels Unterlassungserklärung rechtlich vorzugehen.

Nachdem die Verantwortlichen des Presseorgans das Ansinnen verweigerten, zog der Herr Kollege den Strafrechtsknüppel aus dem Sack und stellte für den Mandaten einen Strafantrag. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens - zunächst gegen Unbekannt - erließ das Amtsgericht Augsburg auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungs - und Beschlagnahmebeschluss, der dann am 29. Januar vollstreckt werden sollte.
Noch bevor ein Rollkommando der Augsburger Polizei anrücken konnte, dann die Arbeitsmittel der Redakteure ( Laptop, PC, Notebook etc. ) beschlagnahmt hätte und den ganzen Schuppen damit de facto lahm legen würde, rückten die Redakteure den Namen des angeblichen Straftäters heraus.
Soweit, so rechtswidrig!

Dass es solche Aktionen nicht erst seit dem 29. Januar 2013 gibt, dürfte schon längst durch die " SPIEGEL " - Affäre vor mehr als 5 Dekaden bekannt sein. Einst - wenn auch auf großer Bühne - wollten Adenauer, Strauß und seine willfährigen Vasallen, das regierungskritische Nachrichtenmagazin aus Hamburg mundtot machen. Sie ließen Rudolf Augstein und andere einknasten und beriefen sich dabei auf das Strafgesetzbuch. So, wie es viele Tausende danach auch taten, wenn die Meinungsfreiheit und/oder die Pressefreiheit unterminiert werden sollte oder, wenn im Rahmen der Berichterstattung tatsächlich Rechtsvorschriften verletzt wurden.

Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu viele Entscheidungen abgesetzt. Es hat dabei, nicht nur nach dem " Lüth " - Urteil häufig zugunsten der Medien Recht gesprochen. Es hat aber in vielen Fällen den Betroffenen von unsauberer oder unerlaubter Berichterstattung zu ihrem Recht verholfen.
Das höchste deutsche Gericht hat aber auch dabei Grundsätze entwickelt, nach denen Artikel 5 GG auszulegen ist. Ähnlich, wie es auch jene Voraussetzungen ausformuliert hat, nach dem staatliches Handeln zu werten ist: nach der Verhältnismäßigkeit.
Damit steht fest, dass in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht jedes mögliche und der der Strafprozessordnung vorgesehene Mittel, nicht jede Massnahme, die dort katalogisiert ist, auch angewendet werden kann. Bei " schweren " Taten ( Verbrechen ), besteht kein Zweifel, dass das Instrumentarium zur Aufklärung dieser Straftaten voll ausgeschöpft werden darf. Bei Bagatelldelikten, wie etwa Beleidigungen - auch wenn sie gegen einen Amtsträger ausgesprochen werden - ist es allerdings sehr fraglich, ob das Ermittlungsverfahren über massive Eingriffe in andere Rechtsgüter, vorangetrieben werden darf.

Im Augsburger wurde hier - einmal mehr - mit Kanonen auf Spatzen geschossen, um die Staatsräson zu wahren. In jedem anderen Bundesland nördlich des Weißwurst - Äquators hätte die Staatsanwaltschaft sich nicht zum Werkzeug eines empfindlich reagierenden Verwaltungsreferenten degradieren lassen und einen Durchsuchungs - und Beschlagnahmebeschluss bei dem Amtsgericht beantragt. In Bayern ticken jedoch die Uhren immer völlig anders. Hier ist der Bürger dann nicht im recht, wenn er einen Verwaltungsmitarbeiter oder sogar einen Beamten zum Kontrahenten gemacht hat. Und auch dann nicht, wenn dieser der CSU angehört.

So hatte der forsche User nicht nur seine Sieben Sinne nicht im Zaum, als er den CSU - Ordnungsreferenten in Augsburg verbal anpinkelte, sondern er hat das Pech, dass dieser sich auch angepinkelt fühlt. Merke: Wer in Bayern die Meinung äußert, sollte sich zuvor ein Rechtsgutachten erstellen lassen, ob er damit nicht einen der vielen schwarzen Provinzfürsten beleidigt, verunglimpft oder ihm dessen Ehre abschneidet - mehr ist ja verbal nicht möglich.   













Bei Rüpeleien im Netz ist es normalerweise so, dass der Foren-Betreiber den betreffenden Eintrag löschen muss, wenn er von ihm erfährt - von sich aus oder weil sich ein Betroffener beschwert. Das hatte auch die Augsburger Allgemeine in diesem Fall getan. Ob der Betreiber darüber hinaus auch die Identität des Nutzers offenlegen muss, entscheiden die Gerichte von Fall zu Fall.

Sonderregeln für die Presse

Nun kennt die Strafprozessordnung für die Presse aber an mehreren Stellen Sonderregeln, auch veröffentlichte Leserbriefe profitieren als redaktionell aufbereitete Information von diesem Schutz. Muss man ein Forum, das eine Zeitung auf ihrer Webseite anbietet, genauso bewerten? "Ganz bestimmt", sagt Martin Schippan, Rechtsanwalt für Medienrecht aus München: "Die Pressefreiheit umfasst ja die ganze Betätigung der Presse, und nicht nur den streng redaktionellen Teil."
Aber auch wenn man das nicht so sieht: Eine Durchsuchung betrifft die Redaktion in jedem Fall, egal, wonach die Staatsanwaltschaft in den Räumen sucht. Und genau das ist auch der Grund, warum die Kommentatoren bundesweit empört sind: Die Durchsuchungsanordnung sei völlig unverhältnismäßig gewesen. Auf der einen Seite die vom Grundgesetz geschützte Pressefreiheit und das Recht auf Unverletzlichkeit der Redaktionsräume, auf der anderen Seite eine allenfalls leichte Beleidigung.
Der Pressefreiheit muss der größtmögliche Schutz eingeräumt werden, das sagen die Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht (etwa in der Entscheidung um die Durchsuchung der Redaktionsräume des Cicero) immer wieder. Die Durchsuchung dagegen, so nennt es Martin Schippan, ist das "schärfste Schwert, das die Justiz in der Hand halten kann".
Der geschmähte Politiker ist angesichts des enormen Medienechos mittlerweile ein wenig zurückgerudert und räumt ein, "dass ich vielleicht ein bisschen gelassener hätte reagieren können". Er wolle sich nun mit "Berndi" an einen Tisch setzen und das Thema aussprechen. "Wenn sich die Person entschuldigt, werde ich auch die Anzeige fallen lassen", sagt Ullrich. Damit will Ullrich offenkundig die Diskussion schnellstmöglich beruhigen: Der Politiker tritt bei der kommenden Bundestagswahl im Wahlkreis Augsburg erstmals als CSU-Direktkandidat an. Die Augsburger Allgemeine hat angekündigt, rechtliche Schritte wegen des Durchsuchungsbeschlusses zu prüfen.

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