Mein Gott, Walter!

Beim vorösterlichen Aus - und Aufräumen vieler Schachteln mit Postkarten, Briefen und sonstigen Erinnerungsstücken in Form von Ansichtskarten sowie Fotografien in allen Variationen, betrachteten wir mit Interesse auch die Briefmarken aus längst vergangenen Zeiten. Was hatten die beiden deutschen Staaten nicht so alles an Motiven gedruckt, um die vielen Philatelisten zu beeindrucken? Neben irgendwelchen Gebäuden, Naturmotiven, fanden sich eine Reihe von Konterfeis der einstigen Politikern der DDR und BRD auf den Briefmarken.
Und, als hätte ich es geahnt, da waren sie wieder, die Marken mit dem " Spitzbart ", jenen wohl in West - und - größtenteils - auch in Ostdeutschland nicht gerade beliebten oder exakter formuliert, eines der best gehasstesten Staatsoberhäupter der
Nachkriegsgeschichte: Walter Ulbricht.

Joh, es kamen die Erinnerungen zurück.

In de Sechzigern  als die Deutsche Demokratische Republik so langsam den Antifaschistischen Schutzwall für Rentner duchlässig machte und die Züge gen Westen, mitten in das geografische Herz des Klassenfeindes zuckelten.Irgendwann in den Mittsechszigern erhielten meine Großeltern Verwandtenbesuch aus der DDR. Der Bruder meines Großvaters, Onkel Georg nebst Ehefrau, Tante Martha, durften aus Ellefeld im Vogtland für vier Wochen die angeblichen Vorzüge des kapitalistischen Auslands kennen lernen. Nun, Onkel Georg und Tante Martha waren längst Rentner und kannten viele Dinge nicht so genau wie wir. Das machte aber nichts, denn die Beiden brachten uns Holzschnitzfiguren mit, die wir wiederum noch nicht gesehen hatten. Und, was für uns Kinder viel interessanter war, sie hatten Ahnung von Pilzen und zauberten eine exzellente Pilzpfanne auf den Tisch.
Aus jener Zeit also waren mir die 10 Pfennig - Briefmarken noch in Erinnerung, die auf den Briefen klebten, die uns Onkel Georg schrieb. Meisten waren sie an meine Großeltern adressiert; zu Weihnachten aber bekamen wir eine eigene Karte. Auch da schaute uns der Erste Mann aus dem zweiten deutschen Staat von der Briefmarke aus an. Einst sammelte ich diese Marken. Und nun, mehr als 40 Jahre später habe ich
sie mir noch einmal angesehen, ehe sie mit den ungezählten Briefen, Postkarten und aussortierten Bildern in die Altpapiertonne gelangten.

Aber auch andere Marken waren darunter. Viele aus den 90ern, den Nachwendejahren. Was die Briefmarken oder im einstigen Amtsdeutsch Postwertzeichen voneinander unterschied, war aber nicht nur der Druck, sondern der damit ihr angegebener Wert. Während auf den DDR - Marken nur 10, später dann 20 Pfennig standen, erkannte ich auf den BRD - Briefmarken Werte von 40, 60, 80 Pfennig, später sogar 100 und 110 Pfennig und zum Schluss 55 Euro - Cent. Seit dem 1. Januar kassiert die Post jetzt 0,58 Eurocent für den Standardbrief.







Tja, und während ich so die alten Briefmarkenmotive anschaute, kam mir unweigerlich die Frage, warum in Westdeutschland die Deutsche Bundespost das vierfache an Briefporto verlangte, wie es einst die DDR tat? Oder warum ein Brief nach der Wende gleich 100 Pfennig, also eine Mark, dann sogar 1,10 Deutsche Mark und jetzt 0,58 Euro kosten muss? Könnte, es eventuell mit der Feststellung zu tun gehabt haben, dass auch die Bundespost von damals ihren Herren in den streng hierarchisch strukturierten Verwaltungen zu hohe Gehälter zahlte? So wie es heute auch der Fall ist?





Kommentare

Octapolis hat gesagt…
Nicht zu letzt lag es wohl daran, dass in der DDR die Waren des täglichen Bedarfs mit subventionierten, teilweise fern von wirtschaftlichen Realitäten entfernten, Preisen versehen wurden. Das klingt erst mal nett, hat aber beizeiten nicht mehr wirklich funktioniert, sonst wäre unser volkseigener Staat nicht pleite gewesen - und das war schon deutlich vor der Wende der Fall. Franz Joseph hat die großzügigen Kredite doch nur angeschoben, damit der Westen den Laden nicht viel eher an der Backe hatte.

Abgesehen davon, ist Walter U., beliebter Vertreter des Volkes und athletischer Tischtennisspieler, ein sehr perfektes Briefmarkenmotiv. Sein Kopf taugt einfach, von allen Seiten gezeigt zu werden. Da der/die BriefversenderInnen das Ganze auch noch anlecken mussten, um die Marke zu kleben, entstand auch gleich noch eine Volksnähe, wie man sie sich als beliebter Politiker kaum mehr wünschen kann.

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