Der Landtagsabgeordnete T, der Rauhhaardackel " Bruno " und die unbezahlten Tierarztrechnungen.



Das tägliche Telefonat mit " Muddern "bringt ab und an Neuigkeiten aus dem provinziellen Umfeld in meinen Wissenskreis, die denn eher von banaler Natur sind. Ob es nun diese Art von Nachrichten sind, die jenseits meiner eigenen Interessen liegen oder einfach als unwichtig bei mir eingestuft werden, ist dabei völlig egal. Wichtig ist eher, dass meine Intention, die " Oldies " einfach geistig fit zu halten, irgendwie umgesetzt werden muss. So erhielt ich doch in einem der morgendlichen Telefonate die Mitteilung, dass sich ein ehemaliger Tierarzt aus Bremen in Bad Eilsen zur Ruhe gesetzt habe. Aber nicht in einer der noch vorhandenen Villen im wilhelminischen Baustil, auch nicht in einem sanierten Altbau oder einem Flachdachgebäude ( Bungalow ), nein, er bewohnt ein einzelnes, eher bescheidenes Zimmer in dem Einfamilienhaus seiner Lebensgefährtin. So kann es gehen, wenn man(n) nicht rechtzeitig für das Alter vorsorgt? Ist dieses aber der wahre Grund für einen ziemlich spartanischen Lebensabend? Nö, wohl eher nicht.

Und während wir so darüber philosophierten, warum ein Akademiker, ein in der Wertigkeitsskala nach alten Kriterien, höher angesiedelter Berufsträger, nämlich der Tierarzt, ein so überschaubares Leben im Alter führen muss, kamen mir Gedanken an einen - wohl noch aktiven - Berufskollegen aus der Freie und Hansestadt Bremen: 

Es muss wohl in den frühen 1990ern gewesen sein, die Kanzlei lief eher schlecht als recht und die ersten Raten des 1987 aufgenommenen EAP - Kredits waren ab Sommer fällig, als ich über Umwege einige Forderungen aus offenen Rechnungen für einen Bremer Tierarzt aus dem schmucken, aber eher biederen Stadtteil Habenhausen beitreiben sollte. Vielleicht gibt es ja doch ein paar Gebühren? Wenn auch nicht von dem Mandanten selbst, denn der war auch eher klamm. Aus anderen Gründen wollte ich auch keinen Vorschuss verlangen, denn so manche, von ihm erbrachte eigene Dienstleistung an irgendeinem meiner Viecher, erhielt ich von dem Tierarzt Z. zum Selbstkostenpreis. Z. kämpfte - genau wie ich - alleine, hatte eine Familie zu versorgen und zudem noch Verwandte in Polen.
Also, auch keinen leichten Stand.

Zudem war sein Klientel - ähnlich dem meinigen - auch nicht gerade das, was sich ein Freiberufler immer wünscht. Meistens stammten die Tierhalter aus den unteren Bereichen der Gesellschaft ( dat nennt sich heut´zu Tage Prekariat ) und dem entsprechend waren diese " Patienten " nicht gut betucht. Damals bezogen jene Abgehängten Sozialhilfe nach dem BSHG, Wohngeld nach dem WoGG oder waren arme Rentner.
Nun, die Rechnungen dieser Klienten blieben häufig wochen - und monatelang offen. Es waren nicht gerade riesige Beträge, so wie es später von den Spinnern mit der Handy - Telefonitis ständig der Fall war, die mehrere tausend Mark zu zahlen hatten, aber, bis zu  300 und mehr DM kamen da auch schon mal zusammen.

Ärgerlich war es vor allem, weil diese Zossen ein Tier hielten ( meistens Hunde in der Größe von Wadenbeißerl ), obwohl sie nichts uffe Naht hatten. Gut, dieses immer noch vorhandene, eher soziale Phänomen, lässt sich unisono nicht bekämpfen; zumal die Tierhaltung nicht ausschließlich von der Geldbörse abhängig gemacht werden darf. Manchmal erbettelten sich jene Experten einen Zahlungsaufschub oder stotterten die Rechnungen ratenweise mit Kleckerbeträgen von 25 bis 50 Mark ab.

Als Junusz Z. den Stapel offener Forderungen - fein säuberlich auf linierten Karteikarten und handschriftlich eingetragen - mir übergeben ließ, musste ich zunächst seine Klaue entziffern. Sie war ähnlich der Meinigen, nämlich unleserlich. Auch sonst hatten wir noch weitere Gemeinsamkeiten. Janusz war gut herzig ( im Jargon der Rechten und Neo - Faschisten ausgedrückt: ein " Gutmensch " ). Zudem war er ja gebürtiger Pole, womit er messerscharf erkannte, dass auch ich polnische Vorfahren haben musste, denn mein Nachname ( Wjelloch ausgesprochen ) war eben nicht typisch deutsch, wie Meier, Schmidt oder Huber.
Und, er war vor allem sozial eingestellt und - wie sollte es anders sein - tierlieb.

Da saß ich also am nächsten Tag mit dem Bündel Karteikarten und sortierte diese grob nach Namen. es hätte ja sein können, dass sich dort ein/e alter Bekannte(r) befindet. Tatsächlich! Ein Name war mir doch geläufig. Frau K. aus Huchting. Sie hatte bei ihm auch mehrere offene Rechnungen. Gut, ja gut, gut, gut, das könnte ich klären lassen. Ein Telefonanruf. So wie Detektiv Rockford in der gleichnamigen US - Krimiserie.

Bei den anderen Aspiranten legte ich Akten an. Meine Azubine bekam dann die Arbeitsanweisung für jeden Fall eine Vollmacht heraus zu legen. Schnell waren zwei Dutzend neue Rechtsfälle im Stahlaktenschrank einsortiert. " Viel Arbeit, wenig Brot ", so hieß es im Juristen - Jargon.

An den folgenden Tagen legte ich noch nicht los. Die Vollmachten waren ja noch nicht da. Diese erhielt ich dann etwas später. Janusz war wieder in Polen gewesen - Geld abgeben und deutsche Klamotten rüber karren. Er ließ mir die Vollmachtsurkunden über geben und ich hatte nun freie Hand, den Schuldnern ordentlich Feuer unter dem Hinter zu machen. So diktierte ich und diktierte und diktierte. Ein Brief nach dem anderen. Beinahe mit identischen Inhalt. " ..... fordere ich sie hiermit auf, bis zum..... den offenen Betrag in Höhe von... DM zu meinen Händen - Geldempfangsvollmacht ergiebt sich wie anliegend - zu zahlen. " Oder: " ... bis zum.... den oben benannten Betrag auf mein angegebenes Konto - Geldempfangsvollmacht liegt an - zu entrichten. "

Geschliffene Formulierungen sind das A und O eines Juristen. Wer dieses Handwerk nicht beherrscht, hat den Beruf verfehlt oder die Prüfung erkauft ( wie einige reiche Jünglinge aus gutem Hause ). So wartete ich mindestens 14 Tage ab, ob sich mein geschliffen formuliert Brief im wahrsten Sinne des Wortes auszahlen würde. Ob er Früchte in Form klingender Münze trägt. Und - in der Tat - in einigen Fällen erfolgte eine Reaktion. Der gesamte Betrag zuzüglich meiner Gebühren landete auf meinem Konto. In anderen Fällen riefen die Schuldner an, meckerten meist herum und boten Ratenzahlungen an. Auch da flossen Deutsche Mark - wenn auch später.

So zog ich nach und nach einige hundert DM, vielleicht sogar mehr als 1.000 DM für den gutherzigen, den " Gutmenschen " Janusz ein. Bei einem Besuch in seiner Praxis hielt ich dann Rapport. Janusz strahlte. Seine Halbglatze schien zu leuchten, als ich ihm offerierte, dass er mit einem erklecklichen Sümmchen rechnen könne. In anderen Fällen schlug ich ihm vor, einen gerichtlichen Mahnbescheid zu beantragen. Bei der Mehrzahl dieser, hartnäckigen Zahlungsverweigerern, sagte er zu. Nur in ein paar Fällen wollte er es partout nicht. Kein Gericht, kein Prozess, kein Gerichtsvollzieher. Er hatte seine Gründe: Es waren überwiegend arme Schlucker oder arme Muttchen, die mit einer kargen Rente lebten und sich einen Hund als Partnerersatz hielten. Okay, ich hatte verstanden.

Diese Karteikarten gab ich dann später wieder zurück. Janusz wollte kein Großes Fass aufmachen. Ein Gutmensch, eben! So, wie ich! In den Hard Core - Fällen indes legte ich wieder richtig los. Mahnbescheid ( MB ) beantragen, Gerichtskostenmarken verauslagen. Ob dat wat wird?
Den MB auszustellen war eine der leichteren Übungen für meine Azubine. Inzwischen hatte sie darin richtig Routine bekommen. Deshalb konnte sie das auch später in der Abschlussprüfung, während die " Stinkziegen " aus den Schicki - Micki - Kanzleien reihenweise durchfielen.

Wir stellten also einige MBs aus und ich kaufte später bei der Zahlstelle im 2. Stock des Amtsgerichts die üblichen Gerichtskostenmarken. Bezahlte diese aus eigener Tasche in bar, pappte sie mit Spucke auf die vorgesehenen Felder - teilweise auch auf die Rückseite des Bogens - und gab sie in der Poststelle im Erdgeschoss ab. " Well done! ", sagte ich später zu mir und wartete ab.
Es vergingen einige Wochen, dann kamen die ersten Rückläufer. MB zugestellt, MB konnte nicht zugestellt werden, weil " unbekannt verzogen ". Scheiße! So´n A....!

Irgendwann hatte ich über eine schriftliche, natürlich gebührenpflichtige Anfrage bei dem Einwohnermeldeamt auch diese Strategen am Haken. MB zugestellt. Nach Ablauf von 14 Tagen konnte ich einen Vollstreckungsbescheid beantragen ( VB ). Um diesen durch den Gerichtsvollzieher zustellen zu lassen und die Kohle kassieren zu wollen, bedurfte es jedoch der Rücksprache mit Janusz, dem Mandanten.
Und siehe da, es hatten bei ihm wiederum einige Schuldner bezahlt. Nur die offene Rechnung allerdings. Und meine Kohle?

So machten wir denn einen Deal. Ich zog meine Gebühren und Auslagen von den bei mir beigetriebenen Geldern ab und überwies Janusz die Differenz. Alles Paletti. Er freute sich wie ein Schneekönig, denn es waren tatsächlich mehr als 1.500 DM. Bei den übrig gebliebenen Schuldner indes, war Hopfen und Malz verloren.
Es galt der preußische Grundsatz: " Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren! " oder der Spruch mit dem nackten Mann. Gut, ja gut, gut, ja , aber!

Die Pfändungen verliefen fruchtlos. Keine Früchte für unsere Arbeit, also? In einem Fall erzielten wir einen Teilerfolg: Eine besorgte, heulende Mutti rief bei mir in der Kanzlei an und beklagte sich darüber, dass ihr Töchterchen den Hund nicht halten könne, weil sie ja nichts verdiene und sie selbst ja nun mal von der Sozialhilfe lebe. Der Gutmensch in mir begann zu arbeiten. Ja, also, wenn das so ist. Aber, können Sie nicht 10 Mark monatlich? Ja, doch, 10 Mark könne sie für die Tochter zahlen. Aber, mehr wohl nicht. Okay, machen wir so.

Am nächsten Tag ließ ich meine Azubine ein Forderungsblatt in die Akte heften. Vermerk: Ratenzahlung vereinbart - 10 DM monatlich.
" Wie, jetzt? ", fragte meine Azubine mich. " 10 Mark nur! " Wie lange dauert das denn? " " Joh, da ist nischt zu holen. ", entgegnete ich ihr. " Und wir? ", fragte sie etwas besorgt. " Na, ja, wir zuerst. Dann der Mandant ". " Okay, notiere ich mir. ", ergänzte sie noch. Am nächsten ersten des Folgemonats überwies Frau XY tatsächlich 10 Mark; und jeden weiteren Monat auch. 120 Mark nach einem Jahr, 240 Mark nach 2 Jahren. Dann hatte meine Azubine ihre Prüfung bestanden und  ihre Nachfolgerin übernahm die Aktenführung. Nach vier Jahren war alles bezahlt. Was lange währt....

In dieser Zeit bekam ich dann von Janusz den ulkigsten Fall auf den Schreibtisch, den ich bislang bearbeiten durfte. Er hatte irgendwann einen Dackel, genauer gesagt, einen Rauhhaardackel behandelt. Dieser musste operiert werden, weil er eine Magendrehung erlitt. Eine solche Geschichte ist meisten lebensgefährlich für das Tier und kann auch tödlich enden. Dann nämlich, wenn ein Tierarzt nicht operiert. Gutmensch Janusz zog den Eingriff durch, um das Tier - es war auch schon ein wenig betagt - zu retten. Weil solche OPs auch nicht ganz billig sind und zudem eine Nachsorge erforderlich war, summte sich ein Betrag von über 700 Mark auf. Die Rechnung wollte der Halter, der sich mit T. ausgab und als Beruf Abgeordneter des Niedersächsichen Landtags angab, in den nächsten Tagen überweisen. Dackel wieder gesund, frei gelassen, Rechnung offen!

Auch einige Wochen später war die Rechnung von Herrn MdL T. ( wohl CDU ) noch immer offen. Janusz mahnte ihn an. Ein Mal, zwei Mal, drei Mal. Es vergingen wieder Wochen. Plötzlich stand Meister T. mit einem winselnden, blutenden Dackel in der Tür. Janusz hatte zwar keine Sprechstunde mehr, aber die Praxis war noch offen, weil seine Mitarbeiterin die Räume säuberte. " Bruno " sein von einem anderen Hund gebissen worden. Er schwebe in Lebensgefahr. Ja, und die Rechnung hätte er vorgestern überwiesen. Dazu zeigte er eine Durchschrift eines üblichen Überweisungsauftrags der Bremer Sparkasse, der allerdings nicht abgestempelt war. Janusz sorgte sich indes mehr um das Tier. Es blutete an der Unterbauchseite, dort wo einst die Op - Narbe längst wieder gut verheilt war.

" Bruno " wurde erneut narkotisiert, operiert und es wurden weitere 500 DM fällig. Später waren es beinahe 700 DM, die T. zahlen sollte. Doch weder die erste Rechnung, noch die weitere, wurden von dem Herrn Landtagsabgeordneten bezahlt. Nichts, zahlte T. Keinen Pfennig!

Janusz übergab mir schließlich den Fall. Ich mahnte den Herrn MdL schriftlich an und stieß bei Recherchen auf die erhellende Erkenntnis, dass es den MdL T. nicht gibt, sondern nur eine Franz - Wilhelm T. in Bremen. Nix da mit einer üppigen Diät oder sonstigen Bezügen. Keinen Dienstwagen oder ähnliche Vergünstigungen. T. lebte irgendwo im Bremer Stadtteil Gröpelingen. Dort, wo einst die vielen tausend Werftarbeiter wohnten, ehe diese arbeitslos wurden, weil die Betriebe geschlossen wurden. Auch dort gibt es sicherlich schmucke Altbauten, saniert, renoviert und im typischen Bremer Baustil, nämlich schmal und hoch, denn der Grund und Boden war bereits vor vielen Dekaden in der prosperierenden Stadt an der Weser teuer. 
Aber, nein, der angebliche MdL T. wohnte in einem herunter gekommenen Mietshaus an der Gröpelinger Heerstraße. Dort, wo schon damals einige zehntausend PKW, LKW und anderes motorisiertens Zeugs lärmend rauf, runter und vorbei fuhr. Hinzu kommen die Züge der BSAG, die alten Klepper von einst, die sich kreischend, quietschend, polternd in Richtung der Endhaltestelle bewegten.

Kein schöner Platz zum Wohnen? Wohl eher, kein ruhiger Platz zum Wohnen. T. hauste also dort mit seinem Dackel " Bruno " in einer winzigen Wohnung. " Keine pfändbaren, beweglichen Sachen vorgefunden.... Der Schuldner besitzt im übrigen nur Gegenstände, die der Pfändung nicht unterworfen sind.... Der Schuldner gab an, ..... von der Sozialhilfe zu leben....", so stand es nüchtern, im Amtsdeutsch der Gerichtsvollzieherprotokolle, die ich zu Tausenden davor und danach lesen durfte, geschrieben. 
" Die Pfändung verlief deshalb fruchtlos. " Heiliger Bimbam, schon wieder so´n Vogel, ohne Hab und Gut. Ein Hungerleider, wie er im Anwaltsjargon hieß.

Dann las ich weiter: " Der Schuldner hat nach seinen eigenen Angaben die Eidesstattliche Versicherung zur Vermögensoffenbarung gemäß §§ 799, 800 ff ZPO am... abgegeben. " Nix zu holen. Der Scheißkerl, waren meine Gedanken damals. Ich übersandte dem Gutmenschen Janusz eine Kopie des Pfändungsprotokolls des  beauftragten Obergerichtsvollziehers und ließ von der dieses von der Azubine mit einer üblichen Kurzmitteilung versehen, auf der angekreuzt war: " Anliegendes Schriftstück übersandt mit der Bitte, um  Kenntnisnahme... telefonischen Rücksprache ". Zum Schluss hieß es dort: " Mit freundlichen Grüßen ..... Rechtsanwalt ", hier aber: " i.A. ...... ". Basta!

Es vergingen wieder ein paar Tage. Dann klingelte das Telefon in der Kanzlei. Die Azubine war in der Berufsschule; lernen, pauken, für die nicht gerade leichte Prüfung zur Rechtsanwalts - und Notariatsfachangestellten ( damals noch .. gehilfin.. ". Ich nahm den Hörer an der Telefonanlage selbst ab, weil ich gerade mal wieder einen Schriftsatz höchst persönlich zusammen hämmerte und die elektronische " Olympia " - Schreibmaschine am Arbeitsplatz der Azubine stand. Dort, wo auch die Telefonanlage installiert war. " W.... ", meldete ich mich kurz und knapp. "  Z....." erwiderte der Gesprächspartner. " Ja, hallo! Wie geht´s? ", so setzte ich das Gespräch mit einer üblichen Floskel fort. Wie sollte es einem Freiberufler gehen, der die Information erhalten hatte, dass seine Arbeit nicht honoriert wird? Diese Heuchelei, hätte ich mir eigentlich sparen können. " Ja, gut. ", entgegnete Janusz Z. mir am anderen Ende der Leitung. Wohl wissend, dass auch dieses nicht stimmt. Wer gerade 2.000 DM in den Schornstein schreiben muss, weil der angebliche MdL T. nischt hat, dem kann es eigentlich nicht gut gehen.

" Was meinen Sie, ist da noch was zu machen? Ich meine, der hat ja eine Jagd, ein Pachtgrundstück. Der ist ja Jäger. ", führte Janusz Z. das Gespräch fort. 
" Aja, Jäger? Wie jetzt, Jäger? Wo ist er denn Jäger? ", wollte ich von dem Mandanten wissen. 
" Na, in Niedersachsen. Im Harz hat der eine Jagd. Sein Dackel ist deshalb auch als Jagdhund ausgebildet.", sagte der Tierarzt Z. zu mir. 
" Als Jagdhund? Ach, so, als Jagdhund. Aber die Rechnungen hat er nicht bezahlt. oder? ", entgegnete ich dem Mandanten. 
" Können wir da noch was machen? ", entkam es Janusz in einem eher flehenden Ton. 
" Ja, also, was machen? Nee, da ist nix mehr zu machen. ", stellte ich entschlossen fest. 
" Der hat nischt!" Der ist auch kein Landtagsabgeordneter. Der ist Sozialhilfeempfänger. ", fuhr ich fort.

" Aber die Jagd, die im Harz. Ist da nichts zu holen? ", formulierte Janusz hoffnungsvoll am Telefon. 
" Nö, was wollen wir da holen? Holz? Wild? Gewehre? ", konterte ich stakkatoartig. 
" Nix, der ist pleite!", setzte ich den Erwartungen des Mandanten ein Ende. 
" Sch.... So ein Saukerl! Der Betrüger!", fluchte der Tierarzt zurück. 
" Ja, klar, Betrüger. Das ist der T. schon. Aber davon haben Sie nicht ihr Geld.", wandte ich noch ein. 
" Oder sollen wir eine Strafanzeige stellen? Der hat ja die Behandlung seines Hundes von Ihnen vornehmen lassen, obwohl er wusste, dass er die Rechnungen nicht bezahlen kann. Er hat ja sich als Jäger, als Landtagsabgeordneter ausgegeben, obwohl er es nicht ist.  Er hat ja, Ihnen einen Überweisungsträgervordruck vorgelegt, mit dem er behauptete, die Rechnung von der Sparkasse bezahlt zu haben. Nicht, wahr? ", hielt ich sachlich nüchtern fest. 
" Ja, hat er. Er hat das so gemacht. ", sagte Janusz zu mir. 
" Haben Sie die Kopie der Sparkasse noch? ", wollte ich nun von dem Tierarzt wissen.
" Ja, ich glaube. Ja, ja, habe ich noch. ", gab mir Janusz, der Geprellte, zur Antwort.
" Gut! Legen wir los?", fragte ich ihn dann.
" Ja, machen Sie etwas gegen ihn. ", gab der Mandant zurück.
" Strafanzeige? ", fragte ich dann.
" Ja, gut, Strafanzeige. ", so gab Janusz mir Grünes Licht.

Wir beendeten das Telefonat, ich hackte den Schriftsatz auf der " Monika " noch zu Ende, dann kramte ich aus meiner Schreibtischschublage das anthrazit - farbene " Philips " - Diktiergerät hervor. Es war inzwischen Mittag. Deshalb puhlte ich beim Diktieren meine Stullen aus der Tupperware und aß sie auf. Das Diktat hörte sich dementsprechend seltsam an. Mit einem mampfenden Nebengeräusch hatte ich formuliert: " An die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Bremen, Postfach, 28..... Bremen. Unser Aktenzeichen " JW - St. ..../ 02. Strafanzeige, des Herrn Janusz Z...., wohnhaft..., Bremen...."
Mampf, mampf, schlürf ( das war der lauwarme Kaffee aus der Kanne von " minimal ", die im Nebenraum stand.

Mampf, mampf, schlürf..... ! " Namens und unter Vorlage der auf mich gezogenen Vollmacht, stelle ich Strafanzeige gegen den Herrn T..., wohnhaft: Gröpelinger Heerstarße..., 28.... Bremen, wegen des Verdachts des Betrugs, der Urkundenfälschung und des Führens falscher Titel sowie sonstiger, in Betracht kommender Strafgesetze, aufgrund des folgenden Sachverhalts:...."
Es folgte der Sermon, den ich anhand der Akten und der geschilderten Umstände kannte.

Zum Schluss hieß es dann hoch amtlich noch:
...... Bite ich, die Ermittlungen gegen Herrn T.... aufzunehmen. ... W..../ Rechtsanwalt.

Meine Azubine kloppte einen Tag danach die Strafanzeige auf den Kanzleibogen, ich unterschrieb diese, ließ die Vollmacht anheften und Janusz eine Kopie zukommen. Dann lautete die Devise noch: Abwarten und Kaffee trinken!

Es vergingen Tage, Wochen, Monate. Mitte des Jahres flatterte dann - überraschend - eine Ladung des Amtsgericht Bremen ein. " Ladung ", so stand da in Fettdruck geschrieben. " In der Strafsache gegen Herrn Franz - Wilhelm T., wegen Betrugs usw., ist Termin zur Hauptverhandlung für Dienstag, .. .. 1992 anberaumt. Sie werden hiermit als Zeuge geladen ". " Häh, als Zeuge? Ach, ja, weil ich ja die Forderungssache gegen T. bearbeitet habe. Weitere Zeugen waren auf der Rückseite des Ladungsschreibens zu sehen; darunter auch Janusz Z.

Der Termin fand in dem mir längst bekannten Sitzungssaal des Bremer Amtsgerichts statt. In einem der gleichförmig ausgestatteten Räume. Da standen wir am besagten Tag ab 10.30 Uhr vor der Eingangstür. Der Mandant Z. war bereits schon da, als ich aus dem Fahrstuhl kam, sah ich seine Halbglatze durch die Türscheibe des Zwischengangs. Wir begrüssten uns schnell. Ich hatte meine Handakte mit genommen. Sicher, ist sicherlich. Auch als fachkundiger Zeuge kann es böse Überraschungen geben.
Der Termin zog sich hin. Es wurde 11.00 Uhr, 11.15 Uhr. Dann krächzte es aus dem Lautsprecher. " In der Strafsache T., die Geladenen bitte in Saal .... eintreten!"
Jawohl, ja, machen wir doch glatt. Aus der anderen Ecke des Durchgangs erschienen weitere Personen. Auch Zeugen, so wie wir. 

Im Sitzungsraum selbst herrschte eine eher entspannte Atmosphäre. Der Staatsanwalt scherzte mit dem Richter herum. Die Protokollführerin sah zu ihm und seinem neben ihm sitzenden Referendar herüber und grinste ein wenig. Dann wurde der Richter wieder ernst. " Meine Damen, meine Herren. Wir brauchen Sie hier nicht mehr. Herr T. hat im wesentlichen ein Geständnis abgelegt und die Vorwürfe eingeräumt. Vielen Dank für Ihr Kommen. Zeugenentschädigung gibt es im Raum..... ".

Das war´s also mit dem Landtagsabgeordneten, der keiner war, dem Dackel " Bruno ", der einer war und den unbezahlten Tierarztrechnungen, die auch danach keiner beglich. Klappe zu, Dackel lebt, Abgeordneter tot.      
Geld futsch!

So konnte ich, mehr als 23 Jahre später nachvollziehen, warum ein Ruheständler, der einst Tierarzt in Bremen war, nun in Bad Eilsen ein kleines Zimmer im Haus der Lebensgefährtin bewohnen muss.


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