Walid Nakschbandi , Ahmet Fahim R, und der tägliche Rassismus im Zeitvergleich.



Draußen gießt es in Strömen. Der Sommer 2016 hat sich mindestens heute verabschiedet. Ein grauer Himmel öffnet seine Schleusen. Der Engländer würde dazu sagen: " It rains cats and dogs. "

Während ich meinen Bunzlauer Kaffee - Pott über den Automaten füllen lasse, ziehe ich einige, nur angelesene " SPIEGEL " - Hefte aus der Schublade. Aus dem Heft 29 / 2016, das bei Seite 46 aufgeschlagen war, las ich einen Artikel über illegale Autowettrennen. Wohlstandskinder, Spinner, Volltrottel, waren meine Gedanken. Es folgten zwei, kurz abgehandelte Themen, eine Geschichte über eine Geschlechtsumwandlung und deren juristische Folgen und eine längere Story zu dem Thema Kinderarbeit im Bürgerkriegsland Syrien.

Dann las ich das Essay von Walid Nakschbandi, einem 1968 in der Hauptstadt von Afghanistan, in Kabul, geborenen Mann, der inzwischen als Journalist, Film - und Fernsehproduzent sowie Manager bei der Holtzbrinck - Mediengruppe tätig ist.
Der afghanische Mann kam mit 14 Jahren über Paris in die BRD. Hier legte er 1982 das Abitur in Solingen ab.
Danach studierte Walid N. Politik - und Rechtswissenschaften an der Universität in Bonn. Das Politikwissenschaftsstudium beendete er an der FU Berlin. Das Jura - Studium schloss Walid N. mit dem Ersten Staatsexamen ab.

Er wurde in der Studienzeit als Stipendiat der Friedrich - Naumann - Stiftung für Hochbegabte gefördert. Diese Einrichtung steht der FDP nahe und hatte einst ihren Sitz in Bad Godesberg bei Bonn, ehe sie dann nach Potsdam verlegt wurde.

Walid N. ist also kein gewöhnlicher Student gewesen.

Nach dem Ablegen der Examina begab sich Walid N. in die Fittiche von Sat1.  Dort war er zunächst Volontär, später Redakteur, ehe er bei der Holzbrinck - Gruppe landete.
Über verschiedene Station im Fernsehen, wo er sich insbesondere für Informationssendungen verantwortlich zeichnet, gelangte er zum Fernsehfilm. Hier fungierte er als Produzent. Walid N. unterhält einen Lehrauftrag an der Berliner Universität der Künste und fungiert als Autor für den " Tagesspiegel " und die Süddeutsche Zeitung ".


  https://de.wikipedia.org/wiki/Walid_Nakschbandi


Für ein ehemaliges " Flüchtlingskind " eine beachtliche Karriere.

Und just dieser Umstand wird wohl der Hauptgrund gewesen sein, warum er von einigen seiner einstigen Klassenkollegen nach 25 Jahren während des obligatorischen " Klassentreffens " verächtlich gemacht wurde. Dabei sollen es - so die Bewertung des Essayisten selbst - einst, nämlich 1991, dicke Freunde, " Kumpel ", ja, sogar Gleichgesinnte gewesen sein. Nun wird Walid N. als " Muslim " hingestellt. Als ein Fremder im Land. Als ein nicht gern gesehener Mitbewohner in Solingen und sonst wo in der Bundesrepublik Deutschland.

Der " SPIEGEL " - Autor nennt es die " vergiftete Mitte ". Dieses Zentrum der Gesellschaft driftet seit mehr als einem Jahr nach rechts. Hinein in die nationalistische, die rassistische, die intolerante Ecke. Dort, wo auch solche Vordenker, wie Petry, Gauland, Höcke oder vorbestrafte Hetzer, wie der Pegidiot Bachmann ihr übles Handwerk ausüben.

Die Saat, die jene faschistoid angehauchten Menschen in eben jene Mitte der hiesigen Gesellschaft eingebracht haben, sie geht jetzt auf. Walid N. wird von seinen einstigen Klassenkollegen,deren Vornamen er noch kennt, nur noch als " Afghane " oder noch diskriminierender, als " Muslim " tituliert. Er selbst zieht in seinem Essay den weiten Kreis für ihr unentschuldbares Verhalten von den Hetzereien aus der Ecke der AfD, über Peter Sloterdijk, den Philosophen und bekannten Schriftsteller, über Seehofer als Sprücheklopfer und bestimmte Medien, die den Begriff " Gutmenschen " in den Schmutz ziehen. Auch Thilo Sarrazin bezieht er hierbei mit ein.

 Er zeigt sich tief enttäuscht von seinen einstige Weggefährten der Abiturklasse, den Benedikts, Tims oder Peters, die ihre Gesinnung von damals längst durch einen Bausparvertrag abgelöst haben. Er gilt bei ihnen heute als Sonderling, der viele Dinge zu " bierernst " und zu emotional sehe.

Die angeblichen Freunde von einst sind längst keine mehr. Ihre Probleme sind nicht die von Walid N. und ihre politische Einstellung hat sich mit der Eingliederung in die Spießbürgerlichkeit dadurch gewandelt. Aus einer Anti - Haltung gegen den überzogenen Patriotismus zu Beginn der 1990er, gegen die Partei der " Republikaner " ist eine wohlwollende Zustimmung zu der Politik der AfD und anderen rechten Sprücheklopfern geworden.

So sehr sich Walid N. auch hierüber echauffiert, so wenig wird dieses an der veränderten Grundhaltung seiner Freunde von vor einem viertel Jahrhundert ändern.
Hier gilt eine Binsenweisheit eines italienischen Philosophen, Historiker und Politiker mit dem Namen Benedetto Croce, der fest stellte:


“Wer mit 20 Jahren kein Kommunist ist, hat kein Herz. Wer mit 30 Jahren noch Kommunist ist, hat keinen Verstand!” 

Darin könnte ein Körnchen Wahrheit enthalten sein.

Als ich 1978 mein Studium der Betriebswirtschaftslehre beendete und 2 Jahre später das der Juristerei aufnahm, existierte in den wenigen Bremer Wohnheimen ein Gremium, dass sich " Mieterrat " nannte, Dieses wurde jedes Jahr von den Bewohnern des jeweiligen Studentenwohnheims gewählt. Im " Mensa " - Wohnheim, direkt auf dem Campus, gab es diese Einrichtung auch. Nur: Es wollte niemand mehr hierfür kandidieren und eine reguläre Wahl gab es auch nicht mehr. Also gründeten wir einfach eine Interessengruppe, die sich selbst zum " Mieterrat " ernannte und danach für die 160 Bewohnern nach außen hin auftrat.
Das war nicht demokratisch, jedoch effizient, denn bei einer Wahl wären allenfalls ein Viertel der Bewohner zu einer Stimmabgabe bereit gewesen, womit eine solche nicht repräsentativ gewesen wäre.

Als Jura - Student arbeitete ich in der Interessenvertretung zunächst nur sporadisch mit. Irgendwann suchten mich vermehrt die ausländischen Mitbewohner auf, die mit den bremischen Behörden Probleme bekamen, nur weil sie Ausländer waren. Das sozialdemokratisch geführte Bundesland, die Freie und Hansestadt Bremen, agierte auf diesem Gebiet eben anders als es der politische, ja, sogar der parteipolitische Anspruch war. Ich half diesen Mitbewohnern, denn ich war Deutscher, beherrschte die Sprache und kannte mich im Behördendschungel ganz gut aus.

Eines Tages kam ein afghanischer Student zu mir. Er hieß mit Vornamen " Jam " - die Abkürzung von Jamshid. " Jam " hatte Probleme mit dem Formulieren eines Referats, dass er in einem Kurs im Studiengang Ökonomie über die Weltbank halten sollte.
Ich half ihm dabei. " Jam " kochte Tee und servierte afghanische Köstlichkeiten. Wir wurden alsbald Freunde.
" Jam " war ein exzellenter Schachspieler. Er gab mir bald Unterricht.
Und, " Jam " hatte viele afghanische Freunde. Sie kamen regelmäßig zu Besuch. In dem engen 19,8 m² - Zimmer saßen dann und wann ein Dutzend junge Männer und diskutieren über Politik, tranken Tee und aßen später gemeinsam Reis und ein Aubergine - Gericht.

" Jam " lud mich dazu ein. Unter ihnen war auch der afghanische Student Ahmet Fahim R. Er studierte Psychologie. Sie nannten ihn nur kurz " Fahim ". Dieser hatte ein gravierendes Alkoholproblem. Deshalb geriet Fahim regelmäßig mit der Alten Tante Justitia in Konflikt.

Eines Tages kam Fahim zu mir. Er suchte eine neue Unterkunft, weil er angeblich eine Frau in seinem Zimmer belästigt ( oder mehr ) habe, wurde ihm der Mietvertrag gekündigt. Ich half Fahim und formulierte für ihn einen Härtefall - Antrag, den er bei der Wohnheimverwaltung, bei dem Sozialwerk der Uni,vorlegte. Fahim bekam ein Zimmer im " Mensa " - Wohnheim.

Viele Monate später gab es auch hier Ärger. Bei den deutschen Bewohnern hatte sich inzwischen herum gesprochen, wessen Fahim beschuldigt wurde. Nun zeigte sich das wahre Gesicht der angeblich " Linken ", der DKPler, KBWler und SHBler. Es ging nun nicht mehr um die Frage der Unschuldsvermutung, wie sie auch in solchen Fällen zu greifen hat, sondern darum, dass Fahim als Afghane wohl ein anderes Rollenverständnis im Zusammenleben von Frau und Mann habe. Dieses passe nicht in die Gemeinschaft. Fahim müsse deshalb, weil er eine potenzielle Gefahr für die wenigen Studentinnen darstelle, das Wohnheim wieder verlassen.

Ein Trupp von Studenten hatte eigens hierfür einen " Offenen Brief " an die Wohnheimverwaltung formuliert und gedachte nun mittels eingesammelter Unterschriften, die von Tür zu Tür gehend, gesammelt wurden, einen gewissen Druck auf den dortigen Sachbearbeiter ausüben zu können. Als die Salon - Linken bei mir an der Tür klopften, kam es zu einer heftigen Diskussion. Ich rastete aus und beschimpfte die Initiatoren als " Faschisten " und mehr.

Gleiches geschah einige Zeit später bei einer Mieterversammlung. Die angeblichen Linken wurden, als ich meine Argumente vortrug, kleinlaut,. Sie schämten sich sogar wegen der vom Zaun getretenen Aktion. Der Brief wurde der Wohnheimverwaltung nie vorgelegt.

Rassismus, Spießigkeit und kleinbürgerliches Denken ist kein Privileg der Rechten. Es gibt solche Denkweisen zuhauf auch in so genannten " linken Kreisen ". Dort nämlich, wo Vorurteile gegenüber andersdenkenden und lebenden Mimenschen offen zu Tage treten.
Will sagen: Die Zeiten ändern sich, die Menschen eher nicht.

Gut´s Nächtle mit dem " Linken " Hannes und seiner Ode an das dahin flutende Leben:



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