Wildes Wasser im Wollepark



Die kreisfreie Stadt Delmenhorst ( amtl. Kfz.-Kennz.: DEL ) hat in ihrer wechselvollen Historie sicherlich schon bessere Zeiten erlebt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Delmenhorst

Weil sie zwischen den beiden Städten Bremen, im Westen der Stadtgrenze gelegen, und Oldenburg ( in Oldenburg ), im Südosten angrenzt, kommt Delmenhorst durchaus eine gewissen geographisch exponierte Lage als Bindeglied zwischen den beiden Nachbarn zu. Die Einwohnerentwicklung ab 1945 zeigt deshalb - mit einigen Ausnahmen - einen kontinuierlichen Anstieg von knapp 42.000 auf nunmehr 82.000.


https://de.wikipedia.org/wiki/Delmenhorst#Einwohnerentwicklung

Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zum überwiegenden Teil liegen diese aber im sozio - ökonomischen Bereich. Weil in der Hansestadt - Stadtgemeinde - Bremen der Wohnraum begrenzt ist und bezahlbare Wohnungen immer rarer werden, der Anteil der Bewohner stetig gestiegen ist, zog es viele Ex - Bremer oder jenen Teil der Bevölkerung, die nach Bremen der Arbeit wegen einpedeln, unter anderen auch nach Delmenhorst.

Das brachte nicht nur wirtschaftliche Vorteile mit sich. In den 1970ern galt Delmenhorst als Stadt mit der relativ höchsten Kriminalitätsrate. Dieses Märchen wurde bis in die Nullerjahre - auch durch die Medien - immer wieder aufgetischt.
Sicherlich hat die Stadt - wie andere Städte aber auch - auf diesem Gebiet einige Probleme. jedoch von einer " Kriminalitätshochburg " ausgehen zu müssen, ist eine Legende, an der immer wieder und dieses über Generationen hinweg gehend, fleißig weiter gestrickt wird.

Dennoch gibt es natürlich auch hier die so genannten Sozialen Brennpunkte. Es sind jene ubiquitären Wohnverhältnisse, in denen sich überwiegend benachteiligte Menschen aufhalten, weil ihnen kein anderer Wohnraum zur Verfügung steht.
Der " Wollepark " in Delmenhorst zählt zweifelsohne dazu.

Es sind jene einförmigen Bauten, die gemeinhin auch unter der Rubrik " Platte " subsumierbar wären. Das Wohnquartier stammt aus den 1970er Jahren, als in Delmenhorst die Kammgarn - Spinnerei " Nordwolle ", aber auch andere Großbetriebe, für Tausende Arbeitsplätze bereithielten. Wobei es sich bei den Fabrikarbeiterinnen der " Nordwolle " um billige Arbeitskräfte handelte ( vulgo im Volkmund: " Wollmäuse " ), die nach dem Krieg aus Spanien und später auch anderen Ländern eingekauft werden mussten, weil die deutschen Frauen diese sehr schlecht vergüteten Tätigkeiten nicht mehr ausüben wollten ( https://de.wikipedia.org/wiki/Norddeutsche_Wollkämmerei_%26_Kammgarnspinnerei ).

Im Zuge der Umsetzung der Utopie des Sozialen Wohnungsbaus ab den 1970er Jahren musste der Wohnraummangel zügig durch entsprechende Wohnanlagen behoben werden, um die Arbeitskräfte an die Stadt zu binden und diesen, aufgrund der oft gezahlten Niedriglöhne, günstige Wohnungen anbieten zu können. Es entstanden jene Massenunterkünfte, wie sie in anderen Städten auch zu finden sind.
Was zunächst als attraktive Alternative zu dem - vormals nicht realisierbaren - Eigenheim - Traum angeboten wurde, entpuppte sich Dekaden nach der Fertigstellung als Ghettoisierung auf niedrigem Niveau.

Die Mehrzahl der Bundesdeutschen zog es zunehmend zurück auf das Land. Was in jenen Massenunterkünften zurück blieb, waren sozial Abgehängte und überwiegend Ausländer. Der Traum vom kapitalistischen Sozialen Wohnungsbau, der - wie im anderen, vormals noch existierenden deutschen Staat, der DDR, auch - den immanenten Grundgedanken in sich birgt, die Malocher dort und Werktätigen da, mittels möglichst kurzer Wege an die Umsetzung ihres lebenslangen Arbeitszwecks - und zwanges, in den Fabriken zur ungehemmten Steigerung des Mehrwerts sowie Mehrung des Luxuslebens des Kapitalisten einerseits, aber auch zur planmäßigen Erfüllung, der dann doch nicht erfüllbaren Grundbedürfnisse des Lebens im real existierenden Sozialismus und des Kampfauftrags gegen den all gegenwärtigen Klassenfeind andererseits , heran karren zu lassen, ging gehörig in die norddeutsche Büxe.

Die Stadt Delmenhorst verabschiedete sich schleichend aus dem Projekt " Sozialer Wohnungsbau " und kassierte aber zuvor noch viele Millionen ( zu jener Zeit natürlich Deutsche Mark ) für die Umsetzung des politisch gewollten Kaninchenstall - Konstrukts mit dem eher gängigen Namen " Plattenbau ".
In den Zeiten des neo - liberalen Ungeistes nennt sich dat dann " Reprivatisierung ".

So wurden die " Wollepark " - Objekte an Interessenten verkloppt und sich damit von Seiten der Stadt Delmenhorst des zunehmenden Problems entledigt. Zurück blieben mittlerweile - vermeintlich - ungeklärte Eigentumsverhältnisse und viele ausländische Bewohner, deren Lebensperspektive sich zurzeit auf den Dauerbezug von Sozialtransfers herunter brechen lässt.

So kommt es, wie es in solchen Fällen immer kommen muss, wenn staatliche Verpflichtungen und deren Umsetzung, dem Privatisierungsirrsinns als Ausgeburt des Neoliberalismus, zum Fraß vorgeworfen werden, es entsteht Murks. Nicht deswegen, weil mit dem Untergang des realen Sozialismus vor mehr als einem Vierteljahrhundert, die Welt auf einem Schlag freier und somit lebenswerter geworden wäre und damit Papa " Charlie " Marx bis zum Sankt Nimmerleinstag widerlegt wurde, nein, es handelt sich um neo - liberalen Murks in höchster Vollendung.

Vor einigen Tagen wurde bei zwei Objekten des " Wollepark " das wasser abgedreht. Demnächst folgt die Unterbrechung Gaszulieferung von Seiten des Stadtwerke " swd " ( https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/oldenburg_ostfriesland/Delmenhorst-hat-Wollepark-das-Wasser-abgedreht,delmenhorst530.html ). Für - nur kurze Zeit - blieben 350 Bewohner der Platten - Siedlung ohne das erforderliche Rauschen in den Leitungen der Wohnung; hiervon einige mit Kindern.
Ein schlauer Kollege nahm sich - getrieben von der sozialen Verantwortung, gepaart mit dem existenziell erforderlich Drang, Gebühren nach dem RVG verdienen zu können - der Sache an und erwirkte gegen die Stadtwerke per einstweiliger Verfügung, die Wiederherstellung der Wasserversorgung. Das Landgericht Oldenburg entsprach dem Antrag. Nun dürfen die Bewohner wieder Wasser trinken.

Doch das Problem ist damit nicht gelöst. Wobei es hier völlig unerheblich sein dürfte, ob die " swd " die vertragskonforme Pflicht, dem Leistungsschuldner zwei Wochen Zeit zur Begleichung der offenen Forderungen einzuräumen, ehe - nur nach schriftlicher Androhung - abgestellt werden darf, nicht eingehalten haben soll oder ob der Antragsteller nachweisen konnte, dass die Rückstände in Höhe von zirka 185.000 Euro (!) nun doch überwiesen werden können. In der Hoffnung, dass jene noch verbliebenen Bewohner aus dem wohnungstechnischen Bodensatz, dieser, unserer, Gesellschaft, sich ebenfalls alsbald hier verabschieden könnten, weil auch die Betonklötze " platt gemacht " werden sollen, wird sich die Stadt Delmenhorst - wohl aber auch auf den zunehmenden medialen Druck - ihrer annehmen und die zum tagtäglichen Kampf bestehenden Erfordernisse, wie Wasser, Gas und Strom, via Patronatserklärung gegenüber den eigenen Versorgungswerken sicher zu stellen haben. Auch wenn sich der Abriss der 5 Gebäude zeitlich verzögert, besteht nach wie vor der Drang der Lokalpolitik, jene Bausünden aus den Zeiten des Kapitalismus mit sozialistischen Deckmantel, möglichst geräuschlos und zügig aus dem Delmenhorster Stadtbild zu entfernen.

http://www.noz.de/lokales-dk/delmenhorst/artikel/836795/abriss-im-delmenhorster-wollepark-quartier-beginnt

Für die betroffenen Bewohner indes verbleibt dabei die Wahl zwischen der Charybdis und Skylla. Da sie arm sind, werden sie keine geeignete Wohnung zu akzeptablen Bedingungen / Preisen in der Stadt erhalten. Wenn diese Menschen indes innerhalb eines ländlichen Umfelds wohnen und leben, werden sie keine Arbeit finden und bleiben demnach arm. So, wie es auch dem verarmten und hoch verschuldeten Nachbarn, dem Bundesland Bremen, seit vielen Jahrzehnten ergeht.

https://www.brandeins.de/wissen/neuland/land-bremen/arm-und-reich/

Immerhin kann diesem nicht das Wasser abgedreht werden, weil die Rechnungen nicht bezahlt wurden, denn durch Bremen fließt ja die Weser und der noch ärmer Teil Bremerhaven liegt an der Nordsee, da gibt es das erforderliche Nass beinahe umsonst.

Mark Knopfler mit dem " Straits " - Song " Water Of Love ":


Wild nicht, Wildwest auch nicht und Wildes Wasser im " Wollepark " besingt er schon gar nicht.





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