MäcMotz


Das Katzenfutter ging einmal mehr zur Neige. Da unser Quartett nicht jede Futtersorte aus dem schier unübersichtlichen Angebot anrührt, entschloss ich mich, trotz des trüben, nass - kalten Spätherbstwetters, zu einem Gang auf die Kesseldorfer Straße. Dort befindet sich eine Filiale der Ramschkette " MäcGeiz ". Hier gibt es wiederum das " Kitten Futter " von " Perfecto Cat ", einer Fantasiemarke der Firma " Futternapf Vertriebs GmbH " in Kronau.

Weil unsere Katzen zwar keine " Kätzchen ", also Jungtiere, mehr sind, aber dieses Trockenfutter bevorzugen, machte ich mich als treu sorgenden " Kaoter Vater " auf den mehr als 2 Kilometer langen Fußmarsch. Was tut der Katzenhalter nicht so alles für seine Lieblinge?

Draußen sah es wie an einem jener trüben Novembertage aus. Es war grau, kühl, ungemütlich. So zog ich den Reißverschluss meiner Regenjacke noch weiter in Richtung des Kinns. Mein Gang führte mich an die längst kahlen Bäume an der Wiesbadener Straße, über die Dölzschner Straße und Clara - Zetkin - Straße entlang. Es waren nur wenige Menschen zu sehen. Wer geht schon bei dem trüben Wetter zu Fuß?

Über die Bünaustraße gelangte ich zur Poststraße und von dort auf die Kesselsdorfer Sraße. Irgendetwas erinnerte mich während meines Weges an jene Silvester - und Neujahrstage, die fast menschenleere Straßen zeigten und ein genauso diesiges Wetter hatten, bei dem ich dann meine Spaziergänge machte.

In der Kesselsdorfer Straße indes herrschte Hochbetrieb. Lärmende Autos, donnernde Busse und brummende Straßenbahnen bewegten sich dort hin und her. Menschenmassen wuselten herum. Das pralle Leben? Ich schob mich durch die Tür der Löbtau - Passage, dort hinein, wo die " MäcGeiz " - Filiale zu finden ist.

Auch hier registriere ich hektische Betriebsamkeit. Überwiegend dunkel gekleidete, grauhaarige Leute bewegten sich in und aus den wenigen Geschäften. In der Filiale war es deshalb voll. Auch dort das gleiche Klientel. Ältere Menschen, vermutlich Rentner und zudem weiblich, gingen bedächtig durch die Gänge. An den Regalen vorbei, die von jüngeren Mitarbeiterinnen just aufgefüllt wurden. Es war deshalb dort noch enger. Ich schlängelte mich an den Kundinnen vorbei, umkurvte die arbeitenden " MäcGeiz " - Frauen und drückte meinen Körper an den Neuwaren - Verpackungen, die allesamt auf dem Boden standen, entlang. Nachdem ich das Regal mit dem Katzenfutter erreicht hatte, entnahm ich schnell eine Packung Trockenfutter, zusätzlich eine Dose des Billig - Naßfutters und macht mich auf dem Weg zur Kasse. Kurz davor fiel mir noch ein, dass einige Batterien der elektrischen Weihnachtsbeleuchtung fehlten.
Ich wuselte mich in Richtung des Regals, in dem sich diese Artikel befinden und hatte dann die Kasse erreicht. Doch: Genau auf diese Idee kamen noch mindestens 20 weitere Kundinnen.
Die standen nun vor mir in der Schlange und warteten.

Warten zählt nicht gerade zu den Eigenschaften, die dem Bundesdeutschen gegeben sind und die er im Tagesgeschäft favorisiert. Es sei denn, er befindet sich mit seinem liebsten Spielzeug, dem Automobil, auf den Stau geplagten Autobahnen in einer der vielen Blechlawinen. Wenn sich statt einer Autoschlange also eine Schlange aus Fleisch und Blut vor einer Kasse befindet, dann wird es für alle Beteiligten heikel. Dort prallen unterschiedliche Kunden mit eher identischen Geldbeuteln und Lebensbiografien aufeinander. Und dabei kann es schon mal ordentlich zur Sache gehen.

Da stand ich nun bei " MäcGeiz " in der Käuferschlange vor der Kasse und wartete. Eine Minute, zwei Minuten, fünf Minuten. Nur langsam, so, wie eine ächzende Dampflok auf einer Steigungsstrecke die proppenvollen Wagons mit Grauhaarigen zieht, so quälte sich die mindestens 20-köpfige Kundenschlange nach vorne. Ich schob mich mit stoischem, sogar leicht genervten Blick, mit den anderen Verdammten dieses Nachmittags nach vorne. Dabei wunde ich das mulmige Gefühl nicht los, dass eine der mit mir Stehenden, allesamt entweder Rentnerinnen, Nichtwerktätige qua Geburt oder Schülerinnen, gleich explodiert, weil es eben nur langsam voran ging.

Zeit ist im big business bekanntlich Geld und das dürfte bei den " MäcGeiz " - Kunden eher knapp, denn ausreichend vorhanden sein. Und Zeit haben jene Rentnerinnen wohl auch nicht. Zwar ergibt in der höheren Mathematik Minus mit Minus multipliziert dann plötzlich Plus, aber keine Zeit und insbesondere kein Geld, bedeutet immer noch eine bescheide Lebenslage.

Dann war es so weit. Aus zirka 6 Metern Entfernung vernahm ich eine wüste Schimpfkanonade. Eine der fülligen, ihr schlohweißes Haar getönt, aber nicht mehr im perfekten Sitz liegend tragenden, vor der Kasse Wartenden, zeterte los. Ich vernahm Begriffe, wie " geleistet ", " Unverschämtheit " und " Frechheit ". Dann schallte ein vollständiger Satz zu mir herüber: " Was haben Sie denn schon geleistet? " und diese laut gestellte Frage beantwortete die sich echauffierende Rentnerin anschließend, stakkatoartig gleich selbst: " Nichts! Nichts! Gar nichts! Haben... Sie,,, schooooon... geleis.....tet!" Peng! Das hatte gesessen. Das war eine schallende Ohrfeige für die junge Kassiererin.

Die motzende Kundin konnte ich nicht sehen, denn sie entschwand schnell von der Kasse. Doch der Zusammenhang ihres Auftritts und ihre Motzereien, der war mir sehr wohl klar. Die wütende Kundin war der - wohl eher unbegründeten - Auffassung, dass - im Gegensatz zu der einst geltenden Autofahrerweisheit, wonach der Unterschied zwischen einer Schlange und einer Autoschlange darin bestünde, dass bei der Letztgenannten das Arschloch vorne sei - dieses sich eben genauso gut auf die - angeblich - viel zu langsam arbeitende Kassiererin übertragen ließe.

Hmh, dass sehe ich ein wenig anders. Es war nämlich eine weitere Kollegin dort tätig. Doch die musste just eine Retoure abwickeln und dieser Vorgang dauert bekanntlich länger. Zudem - ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren - sah es so aus, als wolle diese zweite Kassiererin ihre schwitzende Kollegin auflaufen lassen. Vielleicht war es ein Hauch von Zickenalarm? Es kann auch sein, dass die Teilzeitkräfte bei " MäcGeiz " bekanntlich nicht zu den hellsten Kerzen in der Vorweihnachtszeit zählen. Und so entlud sich die explosive Melange aus alledem und vielleicht meinem leise erhobenen Verdacht, dass diese ganze Motzerei auch etwas mit dem vor Tagen eingetretenen Vollmond oder sogar den spezifisch - weiblichen, biologischen Abläufen zu tun haben könnte?

" MäcMotz " war längst vorbei, als ich meine vier Artikel bei der Kassiererin bezahlte, mich für ihre Tätigkeit artig bedankte und die von dieser erhaltenen Euro - Münzen in das dünne Portemonnaie zurück legte. Die Floskelhaften Artigkeit wie der Wunsch nach " einem schönen Tag ", erwiderte ich nur noch routinemäßig. Dabei schweiften meine Gedanken an einige Erlebnisse aus den vielen Jahren des Einkaufens ab.

Da waren die alten Bremerinnen, die ihre schmale Rente durch das Kassieren bei " LESTRA " in Horn - Lehe aufbessern mussten und deshalb die dort einkaufenden, als linke Nichtsnutze in ihrem Spießer - Weltbild eingestuften Studenten regelmäßig anmeckerten. Da waren es die blonden " IKEA " - Kassiererinnen, die in ihrer gelb - blauen Einheitskleidung besonders arrogant herüber kamen. Da waren es die aufgesetzt daher kommenden " Foto Dose " - Verkäuferinnen, die in ihrer weiß - roten Arbeitstracht, offensichtlich den gleichen Frisör besuchend, wie ein Huhn dem anderen gleichend, hinter dem Tresen stehend, auf bessere Zeiten wartend, mich nicht bedienen wollten. Da waren es die prolligen Auslieferungsfahrer eines Möbelhauses aus dem Bremer Umland, die unverschämt danach fragten, ob ich die Bestellung " überhaupt bezahlen könne ", bevor sie die Artikel abluden und gleich Barzahlung verlangten, weil ich in einer eher sozial schwach gestellten Gegend, nämlich in der Weizenkampstraße 81, die in der Bremer Neustadt liegt, wohnen musste, weil es einst - genauso wie heute - keinen bezahlbaren Wohnraum gab.
Da war es die Verkäuferin der " Arko " - Filiale in der Kesselsdorfer Straße, die mir einst muffig und mit einem abschätzigen Blick das Wechselgeld auf den Tresen knallte, weil sie mich als " Wessi " geoutet hatte, der etwas teurere Artikel für ein Geburtstagspaket an mein Tochter einkaufte, die sie sich selbst nicht leisten würde.
Und, da war ich es selbst, der vor 47 Jahren während meiner dreijährigen Ausbildungszeit bei der Herm. Altenburg KG in der Lange Straße in Bückeburg, für eine Ausbildungsvergütung von 110 - 210 Deutsche Mark monatlich, eher lustlos hinter dem Verkaufstresen stand und dabei versuchte, mich bei nahezu jeder sich bietenden Gelegenheit in die vielen Lagerräume zu verdrücken.

Nun, des Menschen Charakterzüge sind sehr unterschiedlich. Dem Einen ist es gegeben, dem Andren eher nicht. Doch, wer selbst in die Rolle des Getretenen schlüpfen musste, sollte wissen, dass eigentlich ein Jeder so behandelt werden möchte, wie er Seinesgleichen selbst behandelt.
Und nicht nach dem Motto: " Eure Dummheit kotzt mich an! "

Jetzt ist Weihnachten - Einkaufszeit mit über vollen Geschäften! Auch bei " MäcGeiz ", wo nicht nur gemotzt wird!



" Eidetic Seeing " - " Deep Falafel Prophet " - Album: " Drink The Sun " - 2011:













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