Ich habe ja keine DMark!


Irgendwann, so ab den späten 1970er Jahren, gelangten in die Reisekataloge der westdeutschen Tourismusunternehmer auch Ziele in den sozialistischen Ländern des vormals noch zweigeteilten Europa. Dazu zählten Badeorte an der jugoslawischen Mittelmeerküste und am Schwarzen Meer. Vornehmlich kam das billige Urlauben an der bulgarischen Küste zunehmend in Mode.

Für Fans von Sonne, Strand und Saufen, wurde der Küstenort Varna der Inbegriff des " Aldi " - Urlaubs. Die bulgarische Schwarzmeerküste rüstete deshalb auf, um die Touristenmassen ordentlich unterbringen zu können. Den Westdeutschen wurde in jener Zeit deshalb bei fast allen Gelegenheiten der Hof gemacht, damit diese ihre heiß geliebte Deutsche Mark ausgeben konnten.

Doch der Ostdeutsche, der hier einige Tage Abwechselung von seinem mausgrauen Alltag suchte, erfuhr in dem sozialistischen Bruderland Bulgarien ein Zweiklassensystem, wie er es sonst nur zuhause zwischen Arbeitern und Intelligenz / Selbständigen her kannte. In den Restaurants, die sich in den Reisemonaten wunderbar heraus geputzt hatten, in denen es sogar Waren gab, die sonst nie auf die Laden - und Fresstempel - Tische gelangten, existierte der große und gewollte Unterschied zwischen Ost und West bei dem Besitz der Mark. Ostmark war hier nicht so gerne gesehen; die westdeutsche DM hingegen äußerst beliebt.

Dieses war der einzige Grund, warum die ostdeutschen Schwestern und Brüder von den sozialistischen Brüdern und Schwestern als Menschen zweiter Klasse behandelt wurden. Die Aluwährung aus der DDR brachte keine harten Devisen, mit denen das marode bulgarische Wirtschaftssystem aufgepäppelt werden konnte. Wohl hingegen die Moneten des einstigen Klassenfeindes, der mit seinen dickbäuchigen Männern in zu engen Badehosen und dazu gehörenden Frauen mit opulenten Oberweiten ordentlich Hartgeld in die klammen Kassen spülte.

So war es nicht weiter verwunderlich, dass Veranstaltungen in Varna unter Ausschluss der DDR - Urlauber stattfanden, weil die Eintrittspreise für das Strand - und Hotel - Event in Deutsche Mark und nicht in Ostmark oder Leva zu berappen waren.

Als meine Eltern im Sommer zu Beginn der 1980er Jahre mit einem befreundeten Ehepaar dort ihren dreiwöchigen Urlaub verbrachten, lernten sie während des Aufenthalts eher zufällig ein Frau aus der Nähe von Erfurt kennen. Diese verbrachte 14 Tage am Schwarzen Meer. Obwohl dieses nicht so gern gesehen wurde, unterhielten sich Ost mit West über den Urlaub und mehr.

Als nun an einem Abend eine Musikveranstaltung angeboten wurde, erwarteten meine Eltern nebst der Freunde, dass auch die junge Frau aus Erfurt dort erscheinen würde. Doch die kam nicht. Am nächsten Tag stellte sodann meine eher unwissende Mutter die Frage: " Wo waren Sie denn gestern? " und erhielt daraufhin die einleuchtende Antwort: " Ich hatte ja keine DMark!"
Irgendwie empfanden meine Eltern dieses als beschämend und fügten etwas schuldbewusst dazu den Satz ein: " Na, hätten Sie doch etwas gesagt! " Doch die junge Erfurterin schämte sich ein wenig für ihre Situation als Urlauber zweiter Klasse im aufoktroyierten sozialistischen Ausland.

Wenn es um Knete ging war aber auch bei den Bulgaren das Hemd näher als die verordnete Zwangsjacke.

Später erzählten meine Eltern mir diese Geschichte. Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob sie den gesamten Zusammenhang damals verstehen konnten. Was für sie und ihre Freunde eher selbstverständlich war, dass es für Geld eben beinahe alles an Wünschen und Bedürfnissen zu kaufen gab, stellte sich für die DDRlerin als unüberbrückbares Hindernis dar.

Weniger als 10 Jahre danach waren jene Unterschiede - zumindest auf dem Papier - verschwunden. Im vereinten  Deutschland gab es eine einheitliche Währung. Damit konnten nun die Menschen in Ost und West auch in Bulgarien den gleichen Urlaub verbringen, der ihnen Jahre zuvor verwehrt worden war.

Und so verblieb nur noch jener Unterschied, der darin zu sehen ist, dass der westdeutsche Bürger und sein ostdeutscher Mitbürger auch dann keine Musikveranstaltung in Varna am Schwarzen Meer besuchen kann, wenn er kein Geld für einen Urlaub hat. Die Unterschiede sind somit geblieben, sie haben sich nur verschoben. Der Sozialismus von einst und der Kapitalismus von heute zeigen demnach Gemeinsamkeiten:

" Hast´e nix, bist é nix, darfst´e gar nix! "

In diesem Sinne:

Gut´s Nächtle mit:


" The Kinks " - " Days " - 1968 ( ! ):



Ach, war das ´ne schöne Zeit?

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