Stille Tage in Germania!
Seit mehr als 2 Wochen hat König Fußball das Zepter in der Hand. Viele Zeitgenossen haben ihren Tagesplan längst auf die Übertragungen der jeweils 3 Spiele der Vorrunde eingestellt. Damit ist ab Freitag nun Schluss. 16 der 32 angetretenen Nationalmannschaften haben die Heimreise bereits absolviert. Die Übertragungen reduzieren sich nun auf nur noch zwei Spiele je Tag. Dennoch scheinen an vielen Tagen eben so viele Straßen fast wie ausgestorben zu sein. Kaum lärmender, nervige Verkehr. Kaum lange Schlangen vor den Kassen, den Getränkeabgabeautomaten oder den Fleischtheken. Zu sehen sind nun überwiegend weibliche Kaufwütige. Ihre Männer, die sie zumindest zwecks Hochwuchten der Bierkästen der Form halber begleiten hatten, bleiben nun zu Hause vor der Glotze und richten sich auf den langen Fußballtag ein. Das Bier kann die Frau auch alleine nach Hause schleppen oder es wird zwischen den Fußballübertragungspausen zum Einkaufen gefahren.
Jetzt geht die WM zwar in die zweite Halbzeit, dennoch bleibt das Interesse an der Veranstaltung im fernen Südafrika in den hiesigen Gefilden ungebrochen. Selbst im Lager der Fußballfans auf der Grünen Insel gibt es "...schland "-Freunde. Dort gehen die DFB-Trikots über den Ladentisch wie warme Semmel. Klar, der Grund liegt auf der Hand. Die "Krauts" spielen heute gegen das haß-geduldete England. Da wird der irische Patriot schnell zum Kenner der bundesdeutschen Auswahl. Ein Sieg würde das Fass-Guiness in Strömen fließen lassen und wie der Eigene gefeiert werden.
Nur noch knapp eine Stunde, dann wird zum wiederholten Male ein WM-Spiel gegen das Mutterland des Fußballs angepfiffen. nd was waren das für Schlachten? Einst gabś ja das unvergessene Endspiel gegen die Engländer als Gastgebernation 1966. Die "Three Lions " gewannen in der Verlängerung mit 4:2. Das damalige Wembley-Stadion galt schon Jahrzehnte zuvor als uneinnehmbare Festung. Die BRD-Elf mit Beckenbauer, Overath und Uwe Seeler spielte trotzdem munter mit und erkämpfte sich in der regulären Spielzeit ein 2:2. Dann kamen die Minuten eines Geoff Hurst. Das "Wembley"-Tor ging in die Geschichte ein.Das eher entscheidende 4:2 war aber das wichtigere Tor.
Danach behielten jedoch die Teutonen immer die Überhand. Die Engländer erreichten wohl auch deshalb kein Finale mehr. Bis heute?
Es ist zubereitet für den WM-Klassiker gegen England. Die Patrioten, die Ungezwungenen und Ahnungslosen aus der Generation Golf I pp. treffen sich nun zum Public Viewing. In Berlin werden mehr als 500.000 Besucher erwartet. Was diese Papageien in ihrem uniformen Out-Fit auf dieses Massenbesäufnis treibt, vermag ich als stiller Genießer der bisherigen Fußballübertragungen nicht nachzuvollziehen. Ist es der Marsch der Lemmige zum Steilküstenrand? Oder werden hierbei nur die Fun-Faktoren ausgereizt? Kann es etwa sein, dass der eigene Flachbildschirm inzwischen den geist aufgegeben hat?
Einst wird es während der Übertragung mit icherheit nicht geben: Verkehrsmeldungen über Staus auf Autobahnen und Straßen. Auch volle Innenstädte und Fußgängerpassagen sind eher unwahrscheinlich. So, wie einst zu Zeiten der selbst verursachten Ölkrise. Welch eine Wohltat für den Lärm geplagten Großstädter, den genervten Ehepartner und den gestressten Nachbarn,wenn in weniger als einer Stunde für mindestens 90 Minuten 22 Mann nur einem Ball hinterher rennen, ein gleichförmig palavernder Fernsehreporter seiner Unkenntnis freien Lauf geben darf und aus nah und fern nur eben eine, nämlich seine Stimme zu vernehmen ist.
Es lebe König Fußball, die Ölkrise von 1973 und das Public Viewing, weil dann sämtliche motorisierten Vollpfosten aus dem Verkehr genommen wurden. Bis heute!
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