" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.
Wenn der Winter, die eisigen Temperaturen, die langen, dunklen Nächte, dem Mitteleuropäer ( und nicht nur ihm ) so richtig auf´s Gemüt drücken, dann erinnert sich so mancher Frierende, an die warmen Tage des Sommers, an die Ferien und den Urlaub.
Vor mehr als einem halben Jahrhundert war dieser Begriff für viele Westdeutsche noch ein Fremdkörper im eigenen Leben. Der Masse ging es zwar zumindest so gut, dass sie weder hungern, noch frieren oder betteln musste. Dennoch: Urlaub machen, in irgendein anderes Bundesland fahren oder sogar das Ausland besuchen, das war finanziell gar nicht möglich.
Deshalb wurden auch die wenigen Klassenfahrten, die in der damaligen Zeit angeboten wurden, eher bescheiden gehalten. Als ich vor etwa 46 Jahren an einer solchen Klassenfahrt teilnehmen durfte, stand dessen Ziel bereits fest: die Insel Wangerooge, denn dort unterhielt der Landkreis Schaumburg - Lippe ein so genanntes Landschulheim. Wobei das Wort " Heim " nicht im eigentlichen Sinn zu traf, sondern dieses ein aus Holz zusammen gezimmertes Gebäude war, das damals unter dem Namen " Blinkfüer " ( in das Hochdeutsche übersetzt: Blinkfeuer ) unterhalten wurde. Die mit grüner Schutzfarbe angestrichenen Bretter zeigten überall Risse, großflächige Farbabplatzungen und als Daueraufenthalt war die Baracke eigentlich nicht geeignet - schon gar nicht im Winter.
Weshalb die Klassenfahrten ja auch nur im Juni bis September stattfanden, dann nämlich, wenn es - laut unserem lieben Rudi Carrell - endlich Sommer wird ( oder auch nicht! ).
Klassenfahrten von damals, das waren Wahl - Pflichtveranstaltungen, die aller höchsten 14 Tage umfassten und sich darauf beschränkten, neben dem praktischen " Heimatkundeunterricht " und einigen " Naturkundestunden ", auch die sportliche Betätigung in den Vordergrund zu stellen. Es war also Unterricht in anderer Umgebung. Wie es heute nicht anders ist, gab es allerdings einige Mitschüler/innen, deren Eltern " arm " waren, die das Geld für die Klassenfahrt nicht aufbringen konnten. Bei der letzten Wangeroogefahrt waren es immerhin 90 Deutsche Mark pro Nase. Diese " armen " Kinder mussten dann zu Hause bleiben und in einer unteren Klasse am Schulunterricht teil nehmen. Irgendwelche Unterstützungen gab es in solchen Fällen nicht.
Tja, und wer wird´s glauben? Es gab schon damals genug davon.
So wurden die frei werdenden Plätze mit einigen Schülern aus eben jenen unteren zwei Klassen aufgestockt. Mit Schülern, deren Eltern sich die pauschalen Fahrt - und Aufenthaltskosten dennoch leisten konnten. Nur so konnte der gemietete " Setra " - Bus eines Nienstädter Kleinunternehmers, der diesen auch noch selbst fuhr, mit über 40 Plätzen, auch wirklich ausgebucht werden.
Am Montag, den 19. August 1968 war um 7.30 Uhr der vereinbarte Treffpunkt vor der Volksschule in Heeßen. Die Großen Ferien waren vor einer Woche zu Ende gegangen, da sollte schon wieder bis zum 31. des Monats wieder Erholung geben. Aufgeregt und schwatzend standen die mehr als 40 Schüler und drei Lehrer mit deren Ehepartnern sowie der Busfahrer um das riesige Gefährt herum.
Dann fuhr das Ungetüm los. In Richtung Bückeburg, durch den Schaumburger Wald nach Petershagen. Von dort auf der B 61 an Uchte, Kirchdorf vorbei nach Sulingen, dann bis Bassum, an Nordwohlde, Fahrenhorst, Heiligenrode vorbei nach Groß - Mackenstedt. Hier führte uns die Strecke auf der B 75 an Delmenhorst entlang bis Oldenburg. Es ging weiter in Richtung Wilhelmshaven. Wenige Kilometer vor der Stadt fuhren wir an Schortens und Jever vorbei, bis Wittmund. Dann bis Carolinensiel, dem Fährhafen.
Einst gab es hier keine Autobahnen. Mühsam quälte sich der Bus durch die kleinen Orte, die Kleinstädte und Stadtbereiche der nord -östlichen Landkreise Niedersachsens. Die Route dauerte deshalb viele Stunden. In Carolinensiel angekommen, hieß es erst einmal ausladen. Der Bus wurde auf einem Parkplatz abgestellt, da Motorfahrzeuge von außerhalb auf der Insel nicht fahren durften. Nach einiger Zeit schob sich ein Pulk quatschender Schüler auf das Fährschiff " MS Wangerooge ". Das tuckerte dann in den Nachmittagsstunden mit rauchenden Schornstein und lautem Tuten los. Kaum hatte der Kahn das Hafenbecken verlassen, schaukelte die Nussschale von rechts nach links und von unten nach oben, dabei jede Welle mitnehmend. Der Magen vieler Mitschüler meldete sich sofort und dessen Inhalt ging bei einigen Schülern über Bord. Um dem beißenden Gestank des Erbrochenen nicht mehr riechen zu müssen, stand ich bereits wenige Minuten nach dem Loslegen des Kahns an der Reling und schaute angestrengt auf das Wasser. Innerlich kämpfte ich mit dem Würgegefühl, das von Zeit zu Zeit hoch kam. Bloß keine Blöße geben und jetzt selbst Kotzen, das waren meine Gedanken.
Die Gruppe mit den anderen Schülern aus Hessen hatte ich nicht bemerkt. Einige standen auf dem Deck, andere saßen auf den unbequemen Sitzbänken und weitere hingen über der Reling und kotzten, was der Magen hergab.
In dieser seltsamen Situation intonierte plötzlich, irgendwo rechts von der Seite aus kommend, eine jugendliche Stimme ein Lied, dessen Inhalt mir und auch meinen anderen Schulkollegen mehr als befremdlich vorkam:
"Oh Alele,
ah teri tiki tomba,
ah massa massa massa,
oh balue balua balue."
Und da die Gruppe seiner Mitschüler jede Strophe des Vorsängers wiederholte, hörte es sich beinahe wie ein richtiger Schlager an - immer der gleiche Refrain. Unsere damalige " Wangerooge " - Reisegruppe schien mächtig beeindruckt. Was für tolle Schüler, die da aus der hessischen Schule. Da konnten wir nicht mithalten. Wir kannten solche fremden Lieder nicht. Da wurde dann schnell der Klassenlehrer " Fifi " Gehrmann, der sich vormals als neunmalkluges Pädagogengewächs aufführte, gefragt. Elegant versuchte er seine Ahnungslosigkeit zu dem nun ständig kredenzten Lied der Hessen während der " Kotzfahrt " nach Wangerooge zu überspielen. Er habe das Lied zwar schon mal gehört, wisse im Moment den genauen Text aber auch nicht.
Das holte Volksschullehrer Gehrmann aus Bad Eilsen dann einen Tag nach unserer Ankunft auf der Inseln nach.
Mit hoch wichtiger Miene verkündete er den Text des " Alele " - Liedes:
Oh Alele, ah teri tiki tomba,
ah massa massa massa,
oh balue balua balue"
Gesungen hat unsere " Wangerooge " - Gruppe das Nonsens - Lied jedoch nie. Wohlweislich, dass es mit der Überfahrt auf der Nussschale mit dem Namen " MS Wangerooge " steht und dem Nachmittag, an dem mehr als die Hälfte der Mitleidenden sich die Galle aus dem Körper gekotzt hatte.
https://www.schnullerfamilie.de/search/260426/?q=oh+alele&o=date
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