Der alltägliche Wahnsinn auf der Autobahn

Samstag 7.20 Uhr auf der Autobahn 4 von Dresden in Richtung Chemnitz. Der Verkehr tröpfelt vor sich hin. Die Reisefreudigen sind noch nicht ganz ausgeschlafen, obwohl es ab Freitag für eine Woche Schulferien gibt. Die meisten Eltern und Schüler werden wohl zu Hause bleiben. So dachte ich auch. Das war aber falsch. Ab Chemnitz befuhr ich die Skandal-Autobahn 72 in Richtung Hof. Die Dauer-Baustelle lässt nur erahnen, was an diesem Tag noch auf mich zukommen wird. Es geht plötzlich im gemäßigtem Tempo voran. Einige der " schlauen " Permanent-Linksfahrer überholen sofort nach dem Baustellenbeginn. Bereits nach einigen Kilometern taucht jedoch ein erster LKW auf. Da verlässt sie der Mut zum Schnellfahren. Diese Wochenendfahrer reihen sich schon bald auf die rechte Spur wieder ein. Die endlose Baustelle geht jedoch bald zu Ende. Das heisst jetzt für viele Fahrer: Links ausscheren und weiter rasen - bis zur nächsten Baustelle!

Nach vielen Kilometern tauchen die ersten Hinweistafeln auf das erste Hauptziel, die bayrische Landeshauptstadt München auf. Die Aggressivität der Blech-Kolonialisten nimmt zu. Es wird gnadenlos in den Sicherheitsabstand hinein gefahren, rechts überholt oder einfach, ohne den Blinker zu setzen, ausgeschert. Die StVO-Kenntnisse, sofern sie überhaupt vorhanden sind, reduzieren sich auf das Betätigen des Gaspedals. Böse Blicke, breites Grinsen oder das Aufzeigen des " Stinkefingers " gehören nun zu der Gestik und Mimik des Urlaubsanreisenden. Der wieder vereinte Deutsche Michel fühlt sich in seinem liebsten Spielzeug eben doch geborgen. Er funktioniert ihn zu solchen Anlässen eh in einen rechtsfreien Raum um. Hier gilt das Gesetz des Stärkeren. " Survival of the fittest ", wie es im kapitalistischen Wirtschaftsfachtermini heisst. Wer ist der " Fittere " ? Wer hat den Größten? Den Schönsten? Who is who.

Nun fahren neben fremd-finanzierten Mittelklasse-Karossen, neben geleasten, voll-klimatisierten Blechaufbauten und den neuen Modellen aus der Sixt- und EUROP-Car-Palette, auch solche, die längst das Abschreibungsalter erreicht haben. Diese sind jedoch in der Minderheit. Sie werden - von verächtlichen Blicken begleitet - schnellstens überholt. Hinter sich gelassen, abgehängt. Die Mehrzahl rauscht im frisch poliertem Zustand, analog zu dem turbo-gebräunten und Sonnenbrillen bewehrten, glatzköpfigen Fahrern - mit Vehemenz in den nächsten Stau. Die berühmt berüchtigte A 9 liegt vor mir. Einst die süd-ostliche Transitlinie von Bayern nach Sachsen und umgekehrt. Heute: 3 - spuriger Tummelplatz der Eitelkeiten und Protzereien, jener Bewohner aus den Neuen Bundesländern.

Der Verkehr kommt zum Erliegen. Aus dem Dudelfunk von B 1 bis B 5 dröhnt die Nachricht: " A 9 zwischen Hof und Münchberg-Süd, 12 Kilometer Stau nach mehreren Unfällen!" Blablabla...!
Die A 9 ist dicht. Was tun? Das Navi zeigt eine Alternative an: Die A 93 von Hof nach Regensburg. Doch es ist jetzt schon zu spät. Also warten und Schritt fahren. Die ersten Blaulichter kommen entgegen. Nach etwa einer halben Stunde zeigt sich das ganze Ausmaß des Dilemma: Vor mir stehen auf der ganz linken Fahrspur einige der PKW, der rollenden Wohnzimmer, die vorher in rasender Eile überholt haben. Einige sind nur verbeult, andere wiederum sind nur noch Schrott wert. Da freuen sich die Versicherungen, so denke bei mir, während sich die Blechlawine weiter schiebt. Der Stau löst sich erstaunlich schnell wieder auf. Viele Gaffer verbleiben. Auch auf der Gegenrichtung. Dann hat´s dort auch gekracht. 15 Kilometer Stau an einer Unfallstelle! Bayern, wie ich es liebe. Stillstand, Rückschritt, Protzerein!

Bis München sind es nun nur noch wenige Kilometer. Die A 9 bleibt hinter mir. Auf der A 99 ist es jedoch auch nicht wesentlich entspannter. Blech reiht sich an Blech. Ein Auto schöner, als das Andere. Und die Karossen werden immer größer. BMW aus der 5er Reihe wechseln sich mit AUDI A 4 bis A 8 ab. Mercedes ab 240, VW Touran und die Sprit fressenden Monster von Geländewagen. Alles rollt! Die A 8 ist erreicht. München in Richtung Salzburg. Nun kommt der zweite Abschnitt, in dem sich jene Urlauber wieder treffen, die rechtzeitig die andere Strecke gewählt haben, um den ersten Stau zu umfahren.
20 Kilometer vor dem Inn-Tal-Dreieck geht nichts mehr! Die Barzis treffen auf die Sachsen und produzieren einen Riesenstau zwischen Föching ( nie gehört ) und Rosenheim. Nichts geht mehr. das heisst warten. Erstaunlicher Weise löst sich die Blechlawine jedoch schneller auf, als gedacht. Die deutsch - österreichische Grenze bei Salzburg naht.
Schnell noch die Vignette für 6, 40 € gekauft, die überfüllte Raststätte mit dem seltsamen Personal ( Grüß Gott! ) und der enormen Schlange vor den Toiletten verlassen und dann ab, in die Natur des Nachbarlandes.

Hier geht es beschaulicher zu. Bereits 50 Kilometer nach der Grenze tröpfelt der Verkehr auf der Autobahn vor sich hin. Dann wieder eine Schrecksekunde: Zwischen Badgastein und Oberviehach wird innerhalb einer Baustelle geblitzt. Instinktiv gehe ich vom Gaspedal. Glück gehabt? Nun, die Österreicher sehen die Touristen als willkommene Abwechselung, um das klamme Staatssäckel auf zu bessern. Hier die 6,40 € für die 10-Tages-Vignette, dort 8, 50 € für den Trauerntunnel und die Maut-Autobahnen. Immerhin ist das Benzin dort billiger. Damit lässt sich der Geldbeutel nicht nur auffrischen, sondern auch die bewusst mässige Fahrweise mit Höchstgeschwindigkeiten von 120 Km/h, führt zu einem entsprechend geringen Kraftstoffverbrauch. Bald liegt Villach vor mir. Die italienische Grenze, das sogenannte Drei-Länder-Eck, naht. Das Ziel kommt näher. Erholung von dem alltäglichen Wahnsinn auf den bundesdeutschen Autobahnen mit ihren Pseudo-Rennfahrern in ihren tollkühnen Kisten und dem Hang zur Selbstdarstellung. Jeder gegen Jeden und der Kraftstoffpreis gegen uns.

Nach einigen Wochen erhielt ich Post aus Österreich. Das Land Salzburg in Person der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg schreibt mich an. Ich soll auf der A 10 in Richtung Villach bei dem Kilometerstein 87.900 am 10. 02. 2007 um 14. 25 Uhr innnerhalb der Geschwindigkeitsbegrenzungszone von 100 km / h das Fahrzeug mit 19 Km / h zu schnell gefahren haben. Um 19 Km / h? Also waren es vielleicht 123 km / h? Oder doch nur 122 km /h oder sogar 125 km /h? Auf jeden Fall setzte es ein Strafverfügung mit 80,-- € , soll möchte es die Hauptmann / in, eine Frau Melitta Pristovnik gerne. Möchte? Tatsächlich sind es die unzähligen stationären " Radarfallen ", die für Disziplin und zusätzliche Kasse sorgen.
Eine Fernsehsendung befasste sich kürzlich mit dem Thema des " Abzockens von Autofahrern " in den Nachbarländern Italien, Österreich und der Schweiz. Da wird ordentlich gejammert, mit den Beamten diskutiert und nach billigen Ausreden gesucht. Teuer wird es trotzdem - schönes Paradies der Raser in Deutschland.

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