School´s out!



Auf dem Rückweg von einigen Besorgungen aus der Kesseldorfer Straße trugen mich meine Füsse über die Holper - Gehsteige der Bünaustraße. Dort, wo neben einigen Kindergärten oder Kinder - Tagesstätten, auch die 35. Grundschule ihr Areal besitzt. Wil es so kurz nach 15.00 Uhr war, strömten deshalb lärmende Kinder aus dem dortigen Gebäude. Vielleicht war es einfach dem Umstand geschuldet, dass das milde Herbstwetter sie heute besonders aktiv machte, aber, links und rechts auf dem welligen Gehweg wurde getobt und herum gehampelt.

So besah ich mir die Meute, die aus dem Eingangstor vor mir in die Bünaustraße drängte, ein wenig genauer. Einige der Schüler, es könnten wohl Viertklässler sein, fummelten an ihren Handys herum, andere tranken aus einer Plaste - Flasche Wasser und spukten dieses im hohen Bogen auf die vergammelten Gehwegplatten. Es waren natürlich Jungen, die hier den lebendigen Springbrunnen mimten.

Kurz vor dem Eingangsbereich bewegte sich eine Gruppe von drei Mädchen in Richtung der gegenüber leigenden Straßenseite. Beim Gehen des Trios vernahm ich ein ständiges Klacken von Schuhen. Genauer gesagt, es waren Stiefelletten, die eines der Mädchen trug. Häh, habe ich das jetzt richtig gesehen? Oder sollte es eher eine Fata Morgana sein? Die Schülerin eierte mit Damen - Stiefeletten über das Kopfsteinpflaster und war sichtlich bemüht, sich unfallfrei auf die andere Straßenseite zu begeben.Ich wunderte mich schon ein wenig, weshalb die Schülerin dabei nicht doch auf die Nase fiel.

Während ich die gestorchten Stelzbemühungenm der Schülerin, die offentsichtlich von ihren Erziehungsberechtigten jenes  prä - pubertären Outfit genehmigt bekam, kurz beobachtete, waberte ein süßlich - penetranter Duft in meine Nasenflügel. Es war eines jener teuren, deshalb zurzeit aktuellen Duftwässerchen, die mir hier und da und quasi im Vorbeigehen in den geruchssinn steigen. Doch woher waberte der betörnende Geruch? Es waren weit und breit keine Erwachsenen mehr zu sehen. Deshalb mutmaßte ich, dass jene Ausdünstungen von einem der vor mir laufenden Schulkinder stammen muss. Und, richtig, ich lokalisierte den Herd des Lockstoffes bei einer, der Schülerinnen, die sich aus dem Pulk der übrigen Kinder durch ein besonders großes Mundwerk hervor tat.

Jungen, junge, in diesem Alter, schon so erwachsen gemacht. Ob das überhaupt gut geht?

Ich erinnerte mich an meine eigene Schulzeit und die meiner Tochter. In beiden Fällen durfte ich mit einer gewissen Genugtuung feststellen, dass das Erachseinsein da noch Lichtjahre entfernt lag. Zu meiner zeit wurde von diesen wirklich auch jede Gelegenheit genutzt, um uns klar zu machen, dass wir weder etwas zu sagen hatten, deshalb unsere Meinung erst gar nicht gefragt war, noch wir uns wie Erwachsene aufzuführen hatten. Nur bei der Umsetzung der faschistoid geprägten Erziehungsmethoden wurden wir sofort als solche behandelt.

Demnach war Schule und Ausbildung keine Arbeit. Womit der Grundsatz, dass, wer nicht malocht, auch keine Ansprüche und Rechte hatte, uns als das 11. Gebot übergekübelt wurde.
Demnach gab es zu Schulzeiten jeweils für den Sommer und den Winter nur ein Satz Klamotten. Die mussten " aufgetragen " werden; bis die Zehen sich am Schuh hoch bogen, der Knopf der Hose nicht mehr zu ging und der Pullover nicht mehr über den Schädel passte sowie die Ärmel einige Zentimeter zu kurz waren. Nur wenn es nicht mehr ging und die getragene Kleidung " assi " - mäßig aussah, gab es Ersatz. Pullover selbst gestrickt, getragene Hose von dem Cousin verschenkt und billige Schuhe aus der Fabrik oder über einen in einem Nachbar - Kaff angesiedelten Direkt - Verkauf.

Nun,gut, wir wurden irgendwie auch groß.

Über vier Dekaden später gab es eine unüberschaubare Auswahl an Kinderbekleidung. Ich ersparte meiner Tochter deshalb die eigenen Erfahrungen aus meiner Kindheit. Nur: Stiefeletten, Parfüms und Handy gab es erst später.

Die beiden Jungs vor mir, rotzten immer noch Wasser von ihren Trinkpullen auf die Berg - und Tal artig verlegten gehsteigplatten. " wat solld dat hier werden? ", fragte ich sie beim Überholen. Beide glotzten mich wie ein stehen gebleibener Trecker auf dem Rübenacker, völlig starr und stumm an. Einige Meter später hörte ich dann, dass einer der Wasserspucker den anderen Schüler fragte: " was hat der gesagt? " Sein Spielkollege antwortete diesem: " Weiß ich nicht!"

Ist auch besser so, denn als Schüler muss keiner alles wissen, alles können und vor allem alles haben. Hauptsache, er bekommt mit, dass es eine Schule gibt und diese später für immer aus sein dürfte, obwohl - und da stimme ich der kürzlich verstorbenen Kollegin Jutta Limbach voll umfänglich zu - das Leben ein einziger Lernprozess ist.

 Es gilt aber auch:

 Nam quod in iuventus non discitur, in matura aetate nescitur


Alice Cooper und " School´s out ":


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