Herbstzeit - Zeit zum Nachdenken und bilanzieren?

Als ich vor einigen Wochen, es muss in der ersten Septemberwoche gewesen sein, die Filiale eines Lebensmitteldiscounters aufsuchte,prangten mir in einem der prall gefüllten Universalregalen, bereits Weihnachtgebäck, Marzipan -und Schokoladenartikel entgegen. " Meine Güte, im September, wollen die schon wieder Weihnachtklamotten verkaufen ", so dachte ich damals.Inzwischen schreiben wir den 21. Oktober, und es sind nur noch 64 Tage bis zum Heiligen Abend. Die Zeit rast dahin! Die Tage vergehen, wie im Fluge, die Wochen laufen im Schnellzugtempo ab und die Monate, als wäre ich auf einem Schiff, das von Europa nach Südamerika fährt. Zeit als Faktor bekommt, wenn das eigene Leben im zweiten Drittel ertragen werden muss, eine besondere Bedeutung. Der Mensch erinnert sich. Er resümiert, er bilanziert und er sinniert - über sich selbst.

Jetzt, wo die Wertigkeiten völlig andere sind, als sie es vor 10, vor 20 oder vor 30 Jahren waren, tritt eine gewisse Gelassenheit hinzu, die dem reiferen Individuum es ermöglicht, auch Eines aus der bisherigen Lebensbiographie, die nun häufiger, wie im Zeitraffer sich gedanklich abspielt,aus der rosaroten Brille zu betrachten. Die Erinnerung, als eine gütige Gabe der Natur, die es einem ermöglicht, alles durch eine schöngefärbte Brille zu sehen und dann auf ein erfülltes Leben zurückblicken zu können, auch wenn man sein Lebtag eben doch nur Scheiße gemacht hat. So drückte es Hannes Wader einmal aus, als er anlässlich seines 60igen Geburtstags ein grandioses Konzert mit seinen beiden Kollegen Reinhard Mey und Konstantin Wecker in Bielefeld gab.
Jene einseitig gemalten Lebenserinnerungen sind es aber auch, die viele Dinge, die einst negativ verliefen und die sich wie ein Kainsmal in der menschlichen Haut einbrannten, auszublenden.

Der Herbst als symbolisch dritte Lebenszeitphase als von der Natur vorgegebenen Jahreszeit ist bunt. Er malt viele Farben, die der Sommermit seinen satten Grüntönen und der blühenden Farbepalette oder der Frühling in seinen zarten Pastellfarben eigentlich so nicht kennt. Herbstzeit ist auch Laubzeit, ist Zeit, um an manchen schon recht kühlen Abenden über die vergangenen 10 Monate zu denken. Wenn dann die ersten Blätter fallen, die ersten Herbststürme wehen und der Himmel sich schon in einer Art Vorahnung für den November grau einfärbt, dann heisst es auch bald Abschied nehmen von dem Jahr. Mir fällt der Song der Rockgruppe Gunś an'Roses ein: " November rain ":

When I look into your eyes,
I can see love restrained.
But darlin'when i hold you,
don t you know i feel the same.

'Cause nothin'lasts forever,
and we both know hearts ca change.
And itś hard to hold a candle
in the cold November rain."

In the cold November rain - der November ist eigentlich der Todesmonat und soll ja die kalten Vorzeichen für den kommenden Winter setzen. Graue Nebelbänke, wie sie einst üblich waren, habe ich seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Das Einheitwetter in einer Gr0ßstadt lässt diese Wetterkapriolen vielleicht gar nicht mehr zu. Mit den Nebel und dem grauen Himmel verbindet sich in meiner Erinnerung das krächzende Geschrei der Krähen. Wie sie über die längst kahlen Felder ziehen und in Schwärmen sich urplötzlich niederlassen, um aus dem umgepflügten Feldern doch noch Nahrung zu suchen. Die Reste des Jahres liegen jedoch nur sehr spärlich an der Erdoberfläche, denn die Ernte ist bereits im August eingefahren worden.

Herbst heisst Abschied nehmen von den Sonnentagen und Ferienträumen, von den Badevergnügen und Meeresrauschen, von den Autobahnstaus und den überfüllten Flughäfen. Keine Saure Gurkenzeit mehr bei den Medien. Die Nachrichtenmaschinerie läuft einige Wochen wieder auf vollen Touren. Sie bringt im Herbst auch jene Gutachter des Wirtschaftrates auf den Plan, diese fünf Waisen stellen ihr sogenanntes Herbstgutachten vor. Die Zahlen und Fakten werden sodann analysiert und in Meldungen, Berichte und Meinungen eingeflochten.

Das Jahr neigt sich dem Ende zu und hiermit endet auch die Saison, so wie es von Reinhard Mey beschrieben wird:

Ich liebe das Ende der Saison
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