Im feindlichen Inland. Teil II.
(C) WIKIPEDIA
Die bei den Bazis eingefangene Influenca Irlanda macht mir mächtig zu schaffen. Die Nase trieft ununterbrochen, der Hustenreiz nervt und das leichte Fieber lähmt. Bereits 2 Tage nach Rückkehr aus dem Freistaat, zeigten sich die ersten Symptome mit leichten Halskratzen und zeitweiligen Schluckbeschwerden. Seit vielen Jahren hat mich der spätherbstliche Erkältungsknüppel nicht verprügelt. Das mag daran gelegen haben, dass die Enkelkinder - in jenem zarten Alter immer für die Bakterien- oder Virusübertragung gut - zunächst mehr als 2.000 Kilometer Luftlinie entfernt lebten. Das ist nunmehr anders.
Wieder auf dem Festland, dem Alten Europa angekommen, versuchen sie sich zusammen mit den Eltern in einem Städtchen am Speckgürtel der Millionenstadt München häuslich einzurichten.
Das ist nicht nur guter Rat hoch willkommen, sondern da sind auch die helfenden Hände sehr gefragt.
Bereits am Samstagmittag - nachdem der Umzugswagen aus Birmingham/England - vor der Haustür stand, wurden die ersten Möbel und einige der über 200 Umzugskartons entpackt. Folie aufschneiden, herunter reißen, Möbelstück aufstellen. Nach ein paar Stunden war das Wohnzimmer bereits soweit eingerichtet, dass darin ein gewisses Wohnambiente erkennbar wurde. Well done!
Nun, dann, weiter frisch ran! Es folgten zwei Tage ständigen Hin - und Herlaufens, ehe auch die weiteren Zimmer und die Kellerräume bewohnbar wurden. Nebenbei erlaubte uns ein kleiner Spaziergang an der Peripherie des Münchener Vorortes, einige Einkaufgänge und mehrere Gespräche mit den Nachbar, die erste Erkenntnis zu erlangen, dass hier viele Menschen leben, wohnen und arbeiten, jedoch nur wenige Bayern. Das ist gut so. Denn wer wirklich einmal in der tiefsten Provinz des einstigen Königsreichs, in dem letzten Kaff in der Pampa des größten bundesdeutschen Flächenstaates und vorletzten Nest der bajuwarischen Prärie Halt gemacht hat, der kann bestätigen, dass hier nicht unbedingt Fremdenfreundlicheit vorherrscht. Piefiger Lebenstil, gepaart mit klerikalem Gedöns und die weit verbreitete Meinung, dass die Bayern das auserwählte, das auserlesene Volk, die Elite der BRD eben, sei, sind hier an der Tagesordnung.
Weit weg von städtischer Hektik und nächtlichen Trubel, geht es beschaulicher zu. Zünftig mit Blasmusik, Biergärten und in einer Sprache, die dem übrigen Deutschen eher wie eine Aneinanderreihung von Grunzlauten vorkommt.
Jetzt ist aber genug gelästert und es geht an das Eingemachte. In der bayrischen Metropole und ihren Einzugsgebieten ist vielfach von jener Provinzialität nichts zu spüren. Hier haben sich größere Betriebe, mittelständische Firmen und viel Handwerk angesiedelt. Hier gibt es Jobs, damit auch Kaufkraft und Wohlstand. Wer die Vergleiche ziehen möchte, dem sei gesagt, dass Bayern neben Bande-Württemberg und Hessen die niedrigste Erwerbslosenquote ( ein bürokratisch unmöglicher Begriff ) vorweist.
Der Freistaat hat sich zwei Dekaden nach Kriegsende zum wirtschaftlichen Zugpferd des damaligen Westdeutschland gemausert. Natürlich gibt es aber auch hier - so wie überall in der Republik - regionale Unterschiede. Die Beute-Bayern, die Franken, die mit dem rollenden "R" profitieren weniger von dem Wirtschafsboom. Die Strukturen sind hier andere; sie sind ländlicher. In Franken wird etwas mehr Agrarökonomie in den Vordergrund gestellt.
Ein etwas längerer Aufenthalt in Bayern kann aber auch dazu führen, dass sehr schnell klar wird, warum viele Zugezogene hier verbleiben. Die sozialen Strukturen stimmen eben.Wo der Euro rollt, da zieht es auch die Menschen hin. Wer möchte denn schon gern mit Anfang 20 oder so gar noch früher als Inventar der ARGE gelten? Ich behaupte, es sind nur wenige junge Menschen. Also, deshalb gilt auch hier der Slogan: " Drivin South, young girl/man!"
Nach und nach hat das gemietete Haus sein eigenes, ein neues Innenleben erhalten. 180 m ² sind nun kein Pappenstiel und drei Stockwerke für einen zwar schlanken, dennoch nicht mehr zu jungen Mann, über den Tag betrachtet, eben drei mal eine Etage. Am Abend qualmten bei mir die Socken. Deshalb: Schnell unter die Dusche und anschließend das Abendessen mit vorbereitet. Bei drei Kindern sind bereits solche Selbstverständlichkeiten eine wohl tuende Entlastung. So flitze ich die Treppen noch einige Male hoch und auch wieder herunter, ehe der gesegnete Feierabend kommt. Zuvor durfte der Kaminofen, den die Vormieter - natülich gegen eine Abstandszahlung - im Haus belassen hatten, zeigen, was er drauf hat. Die Holzscheite, die die beiden Vermieter als Präsent übergeben haben, sind aller erste Sahne. Schön durch getrocknet und richtig handgerecht gekürzt. Dat ham´ se druf, de Bayern!
Bei zwei Glas Rotkäppchen-Sekt vom " Lidl" um die Ecke, der stand dort beinahe unberührt, weil ihn vielleicht keiner so richtig kannte und/oder die überwiegend mit Migrationshintergrund konsumierende Kundschaft Alkohol tendenziell verpönt, schmeckt nach Zuhause. Müde geht´s ins Bett. Der folgende Tag wird wieder anstrengend. Noch sind nicht alle Arbeiten erledigt.
Irgendwann im Verlaufe des Vormittags wird mir gesteckt, dass heute Abend der Fußbodenleger antanzt und die Auslegeware bearbeiten wird. Nun, flugs zum Fachmarkt an der Autobahn und eingekauft. 7 Rollen Belag= 1034, 36 Euronen. Billig! Dann kommt das böse Erwachen. Die attraktive Kassierin sagt uns, dass sie Kreditkarten nicht akzeptieren. Nur EC-Karten. Pustekuchen! Nicht´s ist´s mit Verlegen? Dann kommt der entscheidende Tipp, dass ein Bankautomat beim "Hornbach" visavis steht. Wir sprinten hinüber. Für das Abholen des Betrags werden 3 (drei) Plastikkarten benötigt. Wo leben wir eigentlich? Im 3. Jahrtausend? Schnell das Geld gebunkert - Diebstahl sicher in der Hosentasche vorn. Nachdem die Rechnung bezahlt ist fährt unsere Tochter die gemieteten DB Transporter Zentimeter genau an die Rampe. Die beiden jungen Mitarbeiter aus Sachsen staunen nicht schlecht. Wollten sie zuvor noch wissen, wie wir die Zentner schwere Last abzutransportieren gedächten, war nun, nachdem alle Rollen verstaut waren, Schweigen im Bayrischen Wald.
Am Abend erscheint der Handwerker. Ein Landsmann aus Norddeutschland, aus Hannover. Er wohnte lange in Bochum und Frankfurt, der Arbeit wegen. Jetzt ist er Münchener. Der Arbeit wegen. Er legt los. Wir führen small talk über das norddeutsche Gemüt. Dann folgt natürlich das Thema Fußball. Er ist HSV-Fan. Zur Zeit leidet er, so wie er es formuliert, mit jedem Spieltag aufs Neue. Die einstige, selbst ernannte Nummer Eins in Norddeutschland, steht unten im Tabellenkeller. Ich bedauere ihn und stelle dabei fest, dass er den FCB - eigentlich selbst redend - auch nicht mag. Nach dem fußballerischen Intermezzo präsentierte der Fußbodenleger am späten Abend seine Rechnung: 299,-- € für 3, 5 Stunden Arbeit, die nach Quadratmetern abgerechnet wurde. Ein stolzer Preis.
Dann war auch noch ein wenig Enkelbetreuung angesagt. Die drei Mäuse haben den Umzug - das war nun echt stressig - doch mit Bravour gemeistert. So konnten sie denn nach herzenslust in den vielen Räumen herum laufen und sich austoben, soweit sie es nicht schon in der Kinderkrippe getan hatten. Ach, ja, die Krippe oder der Hort oder der Kindergarten sind natürlich vorbildlich. Auch hier wird deutlich, dass der städtische Träger finanziell gut aufgestellt ist. Das Angebot ist vom Feinsten, so wie das gesamte Ambiente auch. Trotzdem verbleibt noch eine gewisse Zeit, in der die Enkel auch von den Großeltern etwas haben wollten. Wenn sie dann gegen 19.00 Uhr schon reichlich müde ihren "Gute Nacht "-Gruß hinter ließen, verblieben noch ein paar Stunden, um den Tag Revue passieren zu lassen. Tja, und dass dann das Fußball-Länderspiel zwischen der Bundesrepublik und dem Nachbarn Niederlande in Hamburg keine Rolle mehr spielte, lag eben daran, dass die müden Glieder vom Glas Rotwein noch müder wurden.
Am nächsten Morgen saß ich dann schon in aller Frühe in der Behelfsküche und las in meinem Hamburger Nachrichtenmagazin nach, was zuvor in den letzten Wochen so alles geschehen war. Nebenbei lief das Radio. Im Frühprogramm von BR1 spielte Manfred Mann seinen Klassiker " Ha!Ha!, said the clown." Auch sonst näherte sich die Musik meinem Geschmack. Erstaunlich, denn außer BR1 bis B5 gibt es noch einige Privatsender, wie Radio Arabella, die dann doch zu viel Pop-Gedöns senden. Die Moderatoren wirken auf mich irgendwie gehemmt. Ein Interview mit der Bazi-Ministerin Ilse Aigner über einen weiteren Versuch, den Datenschutz zu verbessern, hörte sich eher an, als wollte der BR 1-Mitarbeiter auf Wahlkampftour für die CSU gehen. Na, ihm sei´s verziehen, denn schließlich wird er ja nach linientreue ausgewählt.
Dann kam ein Rückblick auf eben jenes Länderspiel im Hamburch. Die Teutonen-Auswahl hatte am Abend zuvor die Rivalen aus dem Land der Grachten mit 3:0 vom Platz gefegt. Der zu Wort kommende Hamburger- Fan, sonst wohl eher dem kriselnden HSV hold, schwelgte in Superlativen, als er nach seiner Meinung zu dem Spiel gefragt wurde. Immerhin, auf die DFB-Hambuger ist Verlass. Die pfeifen keinen eigenen Torhüter gnadenlos aus, nur weil er dem angeblich besseren FCB-Keeper im Weg stehen würde. So lobhudelten denn die Befragten im breitesten Hamburger Dialekt über ein " Super, ein geiles, ein super-geiles, absolut geiles und mega-geiles " Fußballspiel.
Der Moderator vom BR1 konnte es danach nicht bewenden lassen und zeigte sein wahres Bazi-Gesicht, indem er die Aussprache der Zuschauer aus Hamburg mit dem Essen eines Doppel-Wobber verglich. Sei´sdrum! Im feindlichen Inland hätte ich auch in den Medien nichts anderes erwarten dürfen. Ich mokiere mich zwar auch über das nervig rollende "R", der gelifteten TV-Moderatoren Hannelore Fisch vom BR-ARD-Mittagsmagazin,aber behaupte dabei nicht, dass sie ein "Rachengold"-Bonbon im Selbigen hat.
Gegen Mittag packten wir unsere Koffer - ganz zum Leidwesen des ältesten Enkel, die sich etwas enttäuscht darüber, gleich im Kleiderschrank versteckte, um keine Abschiedtränen vergießen zu müssen.
Dann begann die Rückfahrt. Auf der A 92 in Richtung der Regensburger Strecke, der A 93. Wieder durchfuhr mich der Gedanke, dass dieses Bayern elendig groß ist. Da zwischen der Stadt und dem Land dann doch Himmel weite Unterschiede sind, wurde mir spätestens klar, als ich jene Hopfenbauern sah, die auf den an der BAB belegenen Feldern ihre Arbeit verrichteten. Nicht nur deshalb ist Bayern ein gutes Stück Deutschland, wenn auch nur zu oft auch feindliches Inland und das nicht nur für den eingefleischten Norddeutschen mit sächsischen Wurzeln..
Kommentare