Alles grün, oder etwa nicht?
Die Frühnachrichten an diesem mausgrauen Oktobermorgen wiederholten im Vietelstundentakt eine Meldung aus dem Land der vermeintlich " Geizkragen ", dem Doppelstaat im Staate und den Dialekten mit den unverständlich vielen Zischlauten. " Isch dasch jetscht war? ", würde ein Schwabe aus Degenfeld, ein Württemberger aus Bietigheim - Bissingen oder ein Badener aus Villingen - Schwenningen sagen.
" Ja, spinne die jetscht komplett?", wäre die zweite Feststellung eines Bewohners dort. Und die dritte Reaktion wäre die besorgte Frage gewesen: " Wasch isch nuhre aus unser´Ländle gworde?"
Diese oder ähnliche Bewertungen hätten die Befragten noch vor 2 bis 3 Dekaden abgegeben, wenn sie in dieser Zeit zu der Wahl eines Oberbügermeisters der Landeshauptstadt Stuttgart hätten Stellung nehmen können.
Als gestern Abend gegen viertel acht unumstößlich fest stand, dass neben dem " Ländle " selbst, nun auch die Hauptstadt Stuttgart, in " grüner " Hand sein wird, kannte der Jubel zwar vor Ort keine Grenzen, im übrigen Bundesland Baden - Württemberg indes, schien das Ergebnis nicht überraschend zu kommen. Längst pfiffen es die Spatzen vn den Dächern der Metropole am Neckar, dass der Spitzenkandidat der Partei " Bündnis 90 / Die Grünen " Fritz Kuhn, erhielt 52,9 % aller abgegeben Stimmen; sein Pendant, der parteilose Sebastian Turner, der von der CDU, der FDP und den Freien Wähler nominiert war, landete deutlich abgeschlagen mit 45, 3 % hinter dem " Bündnisgrünen ".
Nach langen, zu langen 38 Jahren der Regentschaft von CDU - OBs, setzt sich auch in der Landeshauptstadt jener Trend fort, der bereits mit der Wahl von Winfried Kretschmann erkennbar wurde: die einst stramm konservativ - klerikalen Bewohner im " Ländle " sind der CDU und FDP überdrüssig.
Nicht nur, weil diese während der Mappus - Regentschaft von einem Skandal in den nächsten taumlte, sondern wohl auch, weil den Schwarzen das Personal ausgeht. Einst, in den Nachkriegsjahren, waren sie nahzu unschlagbar, die Kiesinger, Filbinger, Oettinger, die Späth, Teufel, Müller, Maier - dann kam der dicke Mappus und wollte nach Gutsherrenart weiter regieren. das ging voll in die Büxen.
Ob nun " S 21 ", der sündhaft teuere Luxuspalast, der verkehrstechnisch unsinnig und aus Prestigezwecken im reichen Doppelland hoch geklotzt wird. Wer benötigt einen Luxus-Bahnhof, wenn die Masse der Reisenden entweder in Stuttgart verbleibt oder mittels veralteter Züge in die Provinz abgekarrt wird? Niemand!
Der voll gefressene Mappus sah es anders, seine Vollstreckerin Gönner auch und die anderen CDU - Abnicker gaben ihm Grünes Licht zum Knüppel - Pfefferspray und Wasserwerfereinsatz gegen seine eigenen Bürger, Wähler oder Sympathisanten vorging, war dort nicht nur die allgemeine Empörung groß. Mappus und seine Getreuen in der Landesregierung - allen voran, die aufgeblasene Gönner - verspielten damit den wohl noch vorhandenen Kredit. Dass es im Ländle längst nicht mehr kugelrund lief und der jeweilige Kandidat - in Analogie zum Nachbarland Bayer, wo einst auch ein Besenstiel mit dem Parteilogo der CSU hätte aufgestellt werden können, um 60 % Wählerstimmen auf sich zu vereinigen - mit dem Parteibuch der Schwarzen keinen Freifahrtschein zu Amt und Würden erhielt, war spätestens nach dem Ende der Ära Teufel besiegelt. Mappus quälte sich denn mit dem Ballast seiner Vorgänger herum und verstrickte sich dabei in weitere Skandale und Skandälchen. Die EnBW - Affäre dürfte hier nur die Spitze des Eisberges sein.
Nun hat das Land die konservativen Kräfte in Schwarz zunächst entsorgt und verspricht sich von den bodenständigen, ja Werte erhaltenen " Grünen "mehr Bürgernähe. Ehrlichkeit und Transparenz. Sicherlich, dass haben der MP Kretschmann und der eloquente Fritz Kuhn von der Pike auf gelernt. Winfried Kretschmann versuchte sich in pseudo - revolutionären Zeiten mit der westdeutschen Variante der Umsetzung von Marx / Engels - Lehren nach baden - württembergischer Art in einer KP - Sektierergruppe; Fritz Kuhn war einst bei den Altvorderen auf Bundesebene um Kelly / Bastians / Ditfurth auf Landesebene zusammen mit Rezzo Schlauch, Wolf-Dieter Hasenclever und eben Winfried Kretschmann als Gründungsmitglied dabei. Er überstand den, in den 80er Jahren latenten Konflikt zwischen Fundis und Realos nahezu schadlos, führte 1998 Koaltionsgespräche mit der SPD und dürfte für seinen durchgängigen Pragmatismus nun belohnt worden sein.
Auch wenn Stuttgart nicht Berlin ist, ein OB - Posten keinen Bundesaußenminister hergibt und die landeseigene Duftnote beim Politikmachen nicht jeden Nicht-BWler gefällt, steht seit gestern fest, dass konservative Grundeinstellungen mit grünem Weltbild kompatibel sind und diese Mischung sich alle Male für höhere Weihen nutzen lässt. Die Kuckucksuhr, die Schwarzwälder Kirschtorte und die Spätzle als Exportartikel mögen da als bieder, piefig und muffig gelten,wenn es in den Zeiten der Globalisierung, Fast Food - Kultur und Überwachungsexzessen in sämtlichen Lebensbereichen des Einzelnen eher gilt, die Auswüchse zu deckeln; dennoch das Bundesland BW ist auf dem besten Weg, die Forderungen nach mehr Ökologie und Basisdemokratie in personifzierter Urform von Kretschmann und Kuhn auch auf dem Gebiet der Amtsführung umzusetzen. Statt Knüppel steht das Gespräch nun im Vordergrund - so ischt´s rächt!
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