Hemmoor, MoorausMoor, Oste-Moor - Schreibt das Nasse Dreieck eigene Geschichten?

Als Ex - Niedersachse und eingefleischter Freund der Norddeutschen Tiefebene ( die soll ja teilweise unter dem Meeresspiegel absinken ) gibt es dennoch Regionen, die ich nur das  Vorbeifahren mit dem Zug oder dem PKW kenne. Wer denn mit dem Finger über die niedersächsische Landkarte geht, erkennt im tiefen Nordosten eine Region, die sich - Hermann Löns, sie brennt - doch tatsächlich Lüneburger Heide nennt.
Eine von jenem berühmten Dichter und Heimatromatiker verklärter Landstrich, dessen karge Böden nur monokulturellen Anbau zulassen. 



http://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCneburger_Heide

Dennoch lobhudelt der jute Hermann dieses Stück, nicht von Gott dem Allmächtigen, geformter Natur, wie folgt:


1. Auf der Lüneburger Heide
In dem wunderschönen Land
Ging ich auf und ging ich unter
Allerlei am Weg ich fand
Refrain: Valleri, vallera, und jucheirassa, und jucheirassa,
bester Schatz, bester Schatz, denn du weißt es weißt es ja.
2. Brüder lasst die Gläser klingen
Denn der Muskatellerwein
Wird vom langen Stehen sauer
Ausgetrunken muss er sein
Refrain: Valleri . . .
3. Und die Bracken und die bellen
Und die Büchse und die knallt
Rote Hirsche woll'n wir jagen
In dem grünen, grünen Wald
Refrain: Valleri . . .
4. Ei du Hübsche, ei du Feine
Ei du Bild wie Milch und Blut
Unsere Herzen woll'n wir tauschen
Denn du glaubst nicht wie das tut
Refrain: Valleri . . .

Und weil die Herren der Schöpfung von einst häufig auch nur an das Eine im kräftigen, Testosteron gesteuerten Mannesalter dachten, soll eine Variante des Liedes so modifiziert worden sein:

„Auf der Lüneburger Heide
ging ich auf und ging ich unter,
Bruder, pump mir deine Kleine,
denn die meine ist nicht munter.“

Dass sich an dem schmalzigen Text viele Dekaden später auch Rockformationen, wie die slowenische Truppe " Laibach " abgearbeitet haben, sei hier nur noch am Rande erwähnt.

Tja, und weil irgendwann in meiner Teenager Zeit aus dem Telefunken - Radio - Ungetüm das traditionell eingespielte Lied - ohne die damals anzügliche Original - Variante auch nur zu erwähnen - in einer der unerträglich biederen Verblödungssendungen des Deutschlandfunk gespielt wurde, die jüngere, jedoch für mich ältere Anverwandtschaft aus voller Brust und immer noch mit leicht verliebten Brunftton mit schmetterte, blieb die Lüneburger Heide in meiner guten Erinnerung.

Das änderte sich dann schlagartig am 01. April 192 mit dem Einzug in die Kaserne der Kampftruppenschule II/III und dem erlittenen Drill in der Ausbildungskompanie 408 ( Bund-Jargon damals: " 40 Druck " ). Da musste ich während der vorgesehenen, dreimonatigen Grundausbildung nicht nur im oder auf der Lüneburger Heide das Verteidigen gegen den einige Kilometer hinter Stacheldraht, Minenfeldern und Schießständen lauernden kommunistischen Feind in Gestalt der NVA - Leidesgenossen lernen, sondern es wurden dort ein existenzielles Kampfverhalten eingebläut. Dieses nannte sich "TTV" ( Tarnen, Täuschen,Verpissen ). Im grünen Drillich,das G3 über der Schulter, dass allerdings nur mit " ÜbMun" bestückt war, im Gleichschritt und singend, zogen wir tapferen Soldaten in den Übungskrieg.

Das galt es sodann, neben der Formalausbildung, die ständig im richtigen soldatischen Vokabular und dem brüllen Unterton zu verrichten war, dem Sport, dem Schießen, dem Schonen der eigenen Hirnwindungen qua sinnfreiem Nachplapperns von vorgekauten Begrifflichkeiten, auch das Gelände näher kennen zu lernen. Jene Lüneburger Heide eben, die zerfurcht von Panzern und sonstigem Militärspielzeug, auch noch auf Landwirtschaftsbetriebe verweisen konnte. 

Und während ich erlernen sollte im " V - Fall " ( also dann, wenn der Feind - im Osten - uns angreifen sollte und wir uns verteidigen müssten ) vor lauter Angst, Nervosität oder in Ausübung von Befehl und Gehorsamsregeln, mit der Panzerfaut nicht die eigenen, die guten, die friedlichen und verteidigenden Panzer abzuschießen, sehnte ich mich ständig nach meiner Gemeinschaftsstube, die ich mit weiteren drei  Rekruten zu teilen hatte, denn dann konnte ich mein " Grundig " - Tonbandgerät heraus suchen und " Rare Earth ", " Wishbone Ash " oder " Roxy Music " bis zur 22.00 Uhr - Nachtruhe hören.
Später waren es dann über ein " ITT Schaub Lorenz " - Kofferradio in der Stammkompanie II - Unterkunft gehörte " Feindsender ", wie " DT 64, Deutscher Soldatensender oder Freiheitssender 904 ", deren Propaganda zwar ätzend war, die gespielte Musik jedoch diesen Nachteil alle Male wieder aufwog. So träumte ich in jenen Tagen, Wochen, Monaten nach Dienstschluss mit " Feindmusik " von der Entlassung beim Bund. Wohl wissend, dass der " Osten ", also die DDR und der Warschauer Pakt und seine Geheimdienste ( hier nannte es sich Spionage, dort aber auch ) es immer noch nicht glauben wollte, dass die westdeutsche Armee, die Bundeswehr, ab Freitag 15.00 Uhr, dem Zeitpunkt, an dem in der Regel die viel zitierte " NATO - Rallye " begann, nur noch bedingt abwehrbereit war und seine Zwangskasernierten deshalb eben nicht aus diesen Gebäuden entließ, damit sie bei " Mama " mal wieder etwas richtiges zwischen die Kiemen bekamen ( Steak usw. ), weshalb eben jener Feind an einem solchen Wochenende binnen eines halben Tages bis zum Rhein hätte ungehindert vorstoßen können.

So fuhr ich denn von Munster Lager bis zur BAB 7 - Auffahrt Soltau - Ost und hiernach in Richtung Hannover gen Heimat, statt die Umgebung der Kasernen zu bereisen. Dadurch versäumte ich es, wissentlich und wollentlich, somit eigentlich in fahrlässiger Weise, einen attraktiven Landstrich näher kennen zu lernen. Während eines Kurzurlaubs in der letzten Augustwoche des Jahres 1990, also knapp ein Jahr nach der Maueröffnung, der so benannten " Wende ", gelangte ich - denn eher auch zufällig - nach Salzwedel. Einer einst mit grauen, leider herunter gekommenen Häusern, mit Schlaglöchern bewehrten Kopfsteinpflasterstraße und einer im tristen Ambiente sich zeigenden Stadt, die ein Jahr darauf wieder vereinigte Stadt an der Elbe, deren  Tradition als einstige Hansestadt bis heute wieder sichtbar ist. Exzellent restaurierte Fachwerkhäuser gehören zum Stadtkern. Damals war es natürlich etwas anders. Aber, auch eine Weiterfahrt von Salzwedel, dem jetzigen Altmarkkreis in Richtung Nordwesten hätte sich schon damals gelohnt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Salzwedel

Entweder über die Route Bad Bevesen, Lüneburg und Buchholz in der Nordheide nach Tostedt oder von Bad Bodenteich, Uelzen und Amelinghausen nach Tostedt.

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Karte_Lueneburger_Heide.png

Der Ort Tostedt, der mir später nicht nur aufgrund meiner anwaltlichen Tätigkeit in Erinnerung gerufen wurde, auch nicht, weil er der Ort mit langjährigen neo-faschistischen Gewaltexzessen werden würde, sondern dann wohl eher, weil hier der Fluss mit dem Namen " Oste " entspringt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Tostedt

So beginnt eine Reise entlang der Oste in den Mooren bei Tostedt, in der nördlichen Lüneburger Heide in den Mooren westlich des Elbe - Weser - Dreiecks. Die längst urbanisierte Moorlandschaft prägt hier die vornehmliche Erwerbsquelle: die Agrarwirtschaft. Links und rechts des kontinuierlich breiter werdenden Flusses. Eine durchaus reizvolle Landschaft, zu dessen historischer Entwicklung das Moor zählt. Der Ursprung der Besiedlung und Urbanisierung ist mit jenem nass Lebensraum eng verknüpft. Damit der Mensch sich in dem mineralstoffarmen, durch ständigen Wasserüberschuss gezeichneten Umfeld überhaupt zurecht findet, hat er einst Schiffe benutzt. Sie dienen auch auf der Oste zum Hauptverkehrs - und Transportmittel. 

Deshalb kommt es nicht von ungefähr, dass die am Fluss lebenden Niedersachsen eine sehr enge, ja, nahezu innige Verbindung mit der Oste aufgenommen und weiter entwickelt haben.
Diese wird geographisch betrachtet in Ober- und Unteroste aufgeteilt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Oste#Flusslauf

Während der Fluss in vielen Sektoren friedlich mäandert, wurde er im Verlaufe seiner 153 Kilometer bis zur Mündung in Neuhaus an der Elbe durch künstliche, also von Menschenhand errichtete Veränderungen, zur einstigen Wasserstraße umfunktioniert. Beispiele hierfür sind der Oste - Hamme - Kanal im südwestlich von Bremervörde, durch das Teufelsmoor angrenzenden Verlauf, die Osten - Hemmoor - Schwebefähre oder sowie der Überquerungen durch die B 73 und die Eisenbahnbrücke der Unterelbebahn bei Hechthausen.

Die Bedeutung der Oste als regionale Schifffahrtsstraße sank mit dem ökonomischen Strukturwandel. So stellten die vielen Gemeinden, deren Regionalwirtschaft einst mit dem Fluss eng verbundene waren, sich im Laufe der Zeit auf den Tourismus um. Es wurden auch hier Versuche gestartet, die einstigen betrieblichen Anlagen und die geographischen Gegebenheiten in einem übergreifenden Konzept als attraktive Besuchsziele für Urlauber umzustrukturieren. 

http://www.ndr.de/ratgeber/reise/urlaubsregionen/nordseekueste_altesland/oste109.html

Dieses Vorhaben konnte indes nicht immer erfolgversprechend umgesetzt werden. So reduziert sich das Tourismuskonzept auf die Einbindung der geographischen Besonderheiten. Und dieses sind nun einmal jene Moorflächen, die über einen unendlichen Zeitraum entstanden. Einige Landstriche haben zwar innerhalb der vielen Epochen ihr Umfeld verändert, jedoch blieb eben diese einstige Lebensgrundlage erhalten. Selbst der großflächige, der industrielle Torfabbau und die teilweise erfolgten Trockenlegungen der dortigen Feuchtgebiete konnten der Existenz der Moorlandschaften nur wenig anhaben. 

Nicht von ungefähr nennen sich mehrere Gemeinden, Dörfer oder Flecken nach dem, auf das sie gebaut sind. So auch:     

http://de.wikipedia.org/wiki/Hemmoor

Hemmoor ist eine Kleinstadt, die am westlichen Ufer der Oste liegt. Wer von hieraus auf der B 495 auf die L 116 in Richtung Bremerhaven weiter fährt, erkennt vorüber ziehenden Flächen und des dortigen Bewuchs, dass es sich um Feuchtgebiete handeln muss, die dort passiert werden. Nicht von ungefähr tragen deshalb einige Ortschaften den Begriff " Moor " in ihren Namen. So zum Beispiel: Bovenmoor, Nindorfer Moor oder Weißenmoor. Die vielleicht skurrilste Namengebung findet sich indes auf der Hälfte der Strecke zwischen den Ortschaften Lamstedt und Lintig, mit dem Dorf Moorausmoor. Einer doppelten Hinweisgebung zum geographischen Ursprung dieser Ortschaft, dem Moor. Dieses Dorf ist der Gemeinde Stinstedt zugehörig und liegt gleichfalls im Landkreis Cuxhaven.
Hier haben die aus Berlin bislang erfolglosen Konzepte zur Energiewende bereits Früchte getragen: die Gemeinde wird in naher Zukunft ihr eigenes Stromversorgungsnetz - autark von den oligopolistischen Konzernen - betreiben.


http://www.radiobremen.de/nordwestradio/sendungen/nordwestradio_journal/moorausmoor100.html

Da sage noch einer, dass die Provinz nicht innovative Politik betreibt!

Und während die letzten Sequenzen des NDR - Beitrags über die Oste ausgestrahlt werden, habe ich mir eine zwar längst überholte, weil aus dem Jahr 1991 stammende Landkarte heraus gezogen. Das schon wiedervereinigte Deutschland ist hier in 12 Sektoren als doppelseitig bedruckter Faltplan zu sehen. Die Doppelkarte Nummer 3 schliesst auch das im benannten NDR - Bericht benannte Nasse Dreieck ein. Ich erinnere mich, während der Abspann der Sendung läuft, an jene vielen PKW - Fahrten von Bremen in das niedersächsische Umland, an jene Dorfidylle, wie sie in Ringstedt damals noch zu finden war. Hier kannte jeder jeden Bewohner; wusste  eben Bescheid über ihn. Die Schulstraße, die Grundschule und der arrogante Schulleiter, der jeden duzte. Nun, dass ist lange her. Beim Einlesen der Karte fallen mir viele Ortsnamen mit der Endung " stedt " auf.
Nicht nur Ringstedt, sondern auch solche, wie Lamstedt, Meckelstedt, Hipstedt, Minstedt, Meinstedt, Ostereistedt, Loxstedt, Lübberstedt, Rockstedt....
Einst lautete meine - vielleicht naive Frage - was es denn mit dem Namensteil " stedt " auf sich habe. Die damalige Verwandtschaft konnte es mir nicht beantworten. Nach mehr als 2 Dekaden ist im Netz hierzu zu lesen:

" -stadt, -statt, -stätt, -stetten, niederdt. -städt, -stedt, -stede(n):, in Norddeutschland von altnord. "stada" in schon mittelalterlich überlieferten Ortsnamen (zunächst) lediglich Stätte, Stelle (zum Beispiel Eichstätt ‚Stelle, wo viele Eichen wachsen‘), erst im 12. Jahrhundert entwickelte sich für mittelhochdeutsch stat, hochdeutsch "-stadt" die Bedeutung ‚Siedlung mit Marktrecht und Selbstverwaltung‘ (dafür früher burg); auch im 20. Jahrhundert bei Zusammenlegungen von Gemeinden häufig gebraucht, zum Beispiel: DiemelstadtErftstadt. "

- Zitatende - aus: Wikipedia " Ortsnamen "

Aha, also nix da mit Stadt, sondern nur Stätte oder Stelle. So bedeutet denn danach der dortige Ortsname Ostereistedt, dass es sich um eine Stelle handelt, an dem der Osterhase seine Ostereier hingelegt hat. Na,ja, sehr extensiv interpretiert.

Aber die Oste hat ja auch - zumindest phonetisch - etwas mit Ostern zu tun. Oder etwa nicht? 

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