Flieg ', Vogel flieg!



Die Sommerzeit hat doch schon ihr eigenes Innenleben. Die Tage sind wunderbar lang, die Nächte dafür eher kurz. Wenn der Morgen - ab Juni bereits - gegen 4.00 Uhr graut, einige Frühaufsteher danach in den Genuss eines malerischen Sonnenaufgangs kommen können und unsere gefiederten Freunde zu musizieren beginnen, wünscht sich mancher Naturverbundene, dass die Uhr, ja so gar die Zeit, von diesem Moment an stehen bliebe und die aufgenommenen Impressionen sich permanent wiederholen könnten.

Nun, leider tickt sowohl die Uhr weiter, als auch die Stunden, Tage, Wochen - gefühlt - wie im Fluge vorbei gehen. Jetzt hat die Tag - und Nachtgleiche uns als Mitteleuropäer bereits seit zirka 3 Wochen wieder verlassen, die Spanne innerhalb derer uns die Sonne viel Licht spendet wird zunehmens kleiner. Dafür beschert uns das heiße Zentralgestirn inzwischen subtropische Temperaturen. Wenn das Thermometer tagsüber weit mehr als 30 ° anzeigt, die Nächte auch keine großartige Abkühlung in den aufgeheizten Räumen bieten, bleibt häufig der Schlaf auf wenige Stunden reduziert.

Das frühe Erwachen und das zeitige Aufstehen bietet jedoch viele Vorteile. So kann jener vom Kurzschlaf ermattete bei offener Balkontür oder weit aufgerissenen Fenstern noch das immer schwächer werdende Frühkonzert der heimischen Singvögel geniessen. Viele von ihnen haben bereits im März bis Juni mit dem Nestbau begonnen, eine Partnerin / einen Partner gefunden und mit der Brut für den Fortbestand der eigenen Art Sorge getragen. Wenn ab Ende August bis September eine Vielzahl der hier die Sommerzeit verbringenden Vögel die weite Rückreise in wärmere Gefilde antreten, wird es alsbald wieder still im Garten, im Wald und auf der Wiese. Dieser Kreislauf wiederholt sich Jahr für Jahr.

Wer sich in diesem Zeitraum häufiger im Freien aufhält, vielleicht innerhalb seines eigenen Grünrefugiums nicht mit der Nagelschere auf dem Boden kniend den Englischen Rasen zu pflegen gedenkt oder ständig der Unkrautvernichtung frönt und wer einiges an Bewuchs naturbelassen hält, der erhält zum Dank dafür häufigen Besuch von einer Reihe heimischer Vogelarten, die hier reichlich Nahrung finden.
Als wir heute Morgen beim gemeinsamen Frühstück einen eher zufälligen Blick in den inzwischen längst abgeernteten Kirschbaum warfen,saß dort ein gefiederter Freund von - für die hiesigen Verhältnisse - stattlicher Größe und rüttelte kräftig an den Zweigen. Sonst eher von unscheinbarem Federkleid, war er dafür mit einem großen, dunklen Schnabel bewehrt.
Nach einigem Zögern und kurzem nachdenken identifizierte ich jenen Besucher als Kirschkernbeißer. Einer eher selten gewordenen Vogelart, deren Existenz mir schon seit vielen, vielen Jahren nicht mehr geläufig war.

Einst, zu Volksschulzeiten, wurden die Nachkriegskinder in einem Fach unterrichtet, dass sich Naturkunde schimpfte. Hierin wurde auch Lehrstoff über die Orthinologie vermittelt. Oft reduzierte sich dieses auf einheimische Vögel. Dennoch wusste mit zunehmenden Alter fast jeder Schüler, was es für heimische Vögel gibt. Ob nun die sattsam bekannten Amsel, Drossel, Fink und Star, ob nun Dohlen, Krähen oder Elstern, ob Meise, Bachstelze, Kiebitz,Specht,Kleiber,Lerche, Nachtigall, sie waren vielen ein Begriff. Bei anderen Arten, wie der Goldammer, dem Neuntöter oder dem Pirol mussten schon viele Mitschüler von damals passen.

Ein Blick ins all gegenwärtige Internet brachte denn auch bei mir die Erhellung:


Jagdfasan Zilpzalp
  
Kiebitz Fitis
Hohltaube Wintergoldhähnchen
   
Ringeltaube Sommergoldhähnchen

Turteltaube Grauschnäpper
 
Mauersegler Trauerschnäpper
  
Grünspecht Schwanzmeise
  
Schwarzspecht Sumpfmeise
 
Buntspecht Haubenmeise

Feldlerche Tannenmeise
  
Rauchschwalbe Blaumeise
  
Mehlschwalbe Kohlmeise
  
Baumpieper Kleiber
 
Bachstelze Waldbaumläufer
 
Zaunkönig Gartenbaumläufer
  
Heckenbraunelle Pirol
 
Rotkehlchen Neuntöter
 
Nachtigall Eichelhäher
  
Gartenrotschwanz Elster
   
Hausrotschwanz Raben-/Nebelkrähe
 
Amsel Kolkrabe
  
Misteldrossel Star

Singdrossel Haussperling
  
Feldschwirl Feldsperling
 
Sumpfrohrsänger Buchfink
   
Teichrohrsänger Girlitz
  
Gelbspötter Grünfink
 
Klappergrasmücke Bluthänfling

Dorngrasmücke Stieglitz
  
Gartengrasmücke Gimpel
  
Mönchsgrasmücke Goldammer
 
Waldlaubsänger Rohrammer


Tja, einige der hier aufgeführten Flugkünstler sind mir wohl noch nie begegnet. Andere wiederum werde ich zu meiner Jugendzeit wohl schon häufiger gesehen haben, ehe ab den WiWu-Jahren und der industriell geprägten Landwirtschaft deren Population erheblich zurück ging und sie zum Teil bis kurz vor dem Aussterben standen, ehe ein Umdenken vollzogen wurde.

Nun, da saß unser gefiederter Freund im Kirschbaum und ließ es sich gut gehen. Zerrte kräftig an den Fragmenten, die noch vor wenigen Wochen rot leuchtende Kirschen ausmachten und kletterte dann langsam in Richtung Baumwipfel. Fasziniert von diesem plötzlich wahrgenommenen Besucher, verließ ich eilends die Küche, um mit der Digitalkamera ein paar Schnappschüsse zu machen. Kaum war ich oben wieder angelangt, war unser Besuch auch schon in Nachbars Garten entfleucht. Fotografieren lassen wollte er sich denn doch nicht. Schade!

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