Der Sportextrakt vom Tag bei Radio ffn




Wir schreiben das Jahr 1986. Ich befasse mich mit meiner wissenschaftlichen Arbeit für das 2. juristische Staatsexamen an der Uni Bremen. Es sind hierfür 3 Monate Bearbeitungszeit vorgesehen. Fristverlängerung gibt es in der Regel nicht. Wer nicht punktgenau abgibt, der ist durchgefallen. Also: Ab in die Bibliothek und die notwendige Literatur herbeigeschafft. Eine der gewichtigen Bücher sind nicht ausleihbar. Deshalb muss ich die ungezählten Seiten kopieren. Die Zeit verfliegt. Mein durch strukturierter Tag beginnt um 7.00 Uhr und endet um 19.00 Uhr. Es ist bereits Sommer. Die Tage werden immer kürzer. So bleibt manchmal nur ein Spaziergang im rot-umfluteten Sonnenuntergang am Unisee.

In jener stressigen Zeit habe ich kaum Kontakt zu meinen Mitbewohnern. Ich mache mich quasi rar. Da bleibt oft nur das Radio und der alte Fernsehapparat als Kontaktquelle zu meiner Außenwelt. Das Jahr 1986 hatte bisher seine Katastrophen: Das Reaktorunglück von Tschernobyl, das Schiffsunglück in der Nähe von Odessa auf dem Schwarzen Meer,die US-Raumfähre "Challenger" explodiert beim Start. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Mexiko wird die BRD-Auswahl nur Zweite. Maradonna und Argentinien besiegen die Beckenbauer-Elf mit 3:2. Eine Katastrophe für jeden Fußballfan.

In dem damaligen Wust von Meldungen ist mir jedoch eine besonders in Erinnerung geblieben. Ab Dezember 1986 soll der erste niedersächsische Privatrundfunksender sein Programm ausstrahlen. Sein Name lautet viel sagen: Radio ffn und steht für Funk - Fernsehen Nordwestdeutschland. Eine hoch trabende Bezeichnung für jene - fast revolutionäre - Umgestaltung der BRD-Rundfunklandschaft. Bereits im April 1986 hatte ein norddeutscher Privatrundfunksender unter der Bezeichnung Radio R.SH in Schleswig-Holstein seinen Betrieb aufgenommen und setzte diesen als Vollprogramm ab dem 1. Juli 1986 fort. ieser Sender war allerdings nicht über UKW in Bremen zu empfangen. Manchmal versuchte ich die Frequenz des Mittelwellensenders einzustellen. Der rauschte jedoch regelmässig während der Abendstunden und bei ungünstigen Wetterlagen weg.
Somit stellte R.SH keine wirkliche Alternative zu den arrivierten Programmen von Radio Bremen "Hansawelle", WDR I und II oder NDR II dar.

Irgendwann habe ich es dann aufgegeben, die MW-Frequenz von R.SH zu suchen und das fürchterliche Reportoire an Nebengeräuschen dabei hinzunehmen. Ich war erwartungsfroh,als die Startzeit von Radio ffn näher rückte. Es war mittlerweile September geworden. Der Katastrophensommer lag hinter mir, eine mündliche Prüfung am 8.Dezember noch vor mir. Radio ffn war immer noch nicht auf Sendung. Meine Prüfung hatte ich abgelegt, das Jura-Studium geschafft und eine klare berufliche Vorstellung bereits geäußert: Ich wollte Rechtsanwalt werden.
Radio ffn war immer noch nicht auf Sendung.

Weihnachten 1986 verging, der Sylvestertag 1986 stand vor der Tür, ein Besuch meines Bekannten aus Wupptertal war geplant. An jenem 31.12.1986 um 12.00 Uhr ertönte auf der UKW-Frequenz 102,3 über den Sender Steinkimmen, der zwischen Bremen und Oldenburg liegt,einige Minuten lang ein ingle. Es folgte die Anmoderation von Torsten Römling,der einst bei NDR II tätig war und hier u.a. den "CLUB " mit moderierte, danach kamen die Bangles mit " Walk like an Egyptian ", ihrem Nummer 1 -Hit in den Charts von 1986.
Ein Ohrwurm in den Radioprogrammen der übrigen, meist öffentlich rechtlichen Konkurrenzstationen. Nichts besonderes also!

In den folgenden Tagen, Wochen und Monaten folgten jedoch Sendungen, in denen durchaus non-konforme Titel gespielt wurden. Ecki Stiegś " Grenzwellen " war eine solche Sendung. Ebenso die "Oldie-Hitparade ", moderiert von Uli Kniep. Auch die Monday Evening Rockshow zählte zu jenen Formaten,die bisher nur ansatzweise in den ÖR bedient wurden. Was aber soll denn nun wirklich so neu an dem ffn-Konzept von einst gewesen sein?
Vielleicht war es zunächst der Zeitgeist, der aus den Neon-Licht-Jahren der frühen 80er herüber wehte und dazu führte, dass eine immer komplexere Gesellschaft mit ihrem Hang zur Singularisierung solche Identifikationsmerkmale, wie den Privatfunk benötigte,um den Versuch, sich selbst wieder finden zu können, zu bestärken. Es wuchs eine neue Generation heran, die sich als Spaß-und Konsumfreude auf die Fahnen geschrieben hatte.

Hieraus lässt sich auch die Comedy-Tendenz von ffn in den Folgejahren herleiten. Was zunächst als Beigabe zu den musikalischen Programmteilen vorgesehen war, entwickelte sich alsbald zu einem Hauptbestandteil. Nonsens rund um den Tag.

Die Gründungsphase von ffn war aber nicht so. Hier moderierten kompetente Damen und Herren ihre Sendungen innerhalb einer gut struktrurierten Abfolge. Die Anzahl der Hörer wuchs, der Schwund bei den Konkurrenten im öffentlich rechtlichen Bereich nahm zu. Radio ffn war der Hit. Jedoch nur für kurze Zeit. Mit den 90er setzte sich das Formatradio durch. Auch ffn sattelte um und begann den Einehitsbrei der übrigen Anbieter abzududeln. Die einstigen Inhalte wurden ausgelagert, die Moderatoren wechselten und das Konzept des Dudelfunks trat in den Vordergrund. Leider!

Mit einem leichten Hauch an Wehmut erinnere ich mich deshalb sehr gern an jene Zeit in den späten 80er, als kurz nach 22.00 Uhr ein Jingle eingespielt wurde mit dem ein Werbepartner bei ffn sich und Sport-Kurznachrichten präsentierte: " Der portextrakt vom Tag ", gesponsort von Doppel Dusch, einer Marke des Beiersdorf Konzerns aus Hamburg.
Der Nachrichtensprecher leierte einige banale Meldungen herunter,in denen es um Namen,Ergebnisse und Ereignisse aus dem Sportbereich ging. Manchmal gab es technische Probleme beim Abspielen des Jingle. Ich grinste in mich hinein, wenn eine kleine Panne über den Äther rauschte. So war Radio, besser: Privatradio eben auch - voller Abenteuer.

Die gut gemeinten Vorsätze, über eine private Anbieterschiene, die öffentlich rechtlichen Anstalten zu mehr pluralistischer Entideologisierung zu zwingen, ist indes nicht aufgrund des Einflusses von Ex-Medienmogul Leo Kirch bei dem einstigen Bundeskanzler Kohl zustande gekommen, sondern durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ab 1981. Das sogenannte duale Rundfunkmodell sieht vor,dass den privaten Rundfunkanbietern und ihrem kommerziellen Interessen, die öffentlich rechtlichen Stationen mit ihren grundgesetzlichen Auftrag die Grundversorgung sicher zu stellen, entgegen stehen. Hier zwischen liegt ein weites Feld. Auf dem sich auch ffn tummelt.

Was einst diese Anbietergruppen noch voneinander unterschied, war der Anteil an Wortbeiträgen. Er ist inzwischen mit dem Formatradio auf ein Minimum geschrumpft. Durch die reinen Nachrichtensender, die oft den Zusatz "info" tragen, werden politische Beiträge vollkommen abgedeckt. Eine Mixture von beiden Komponenten gibt es längst nicht mehr. Zudem bedienen sogenannte Spartensender den Anspruch jeweiliger Bevölkerungsgruppen auf Musik und Informationen zu ihrem Genre.
Eine pluralistsiche Gesellschaft benötigt offensichtlich für jedes Mitglied ein Programmangebot. na, denn: ffn?

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