Gestatten, Abwracker, staatlicher Bestatter!




Aus der weiten Ödnis des bundesdeutschen Fernseh-Alltags kommt doch manchmal ein kleiner Hoffnungsschimmer, der dem überdrüssigen Glotzer, des ansonst irrsinnig - unsinnigen Quotenkampfs um die verdummende Nation zeigt,dass es mit der TV-Leitkultur noch nicht ganz zu Ende geht.Der heutige Sendeschwerpunkt des Spartenprogramms " Einsfestival " widmet sich dem schwierigen Feld der Pleiten und zeigt dabei, dass neben den Verursachern, den Betroffenen, auch eine dritte Gruppe von beteiligten Protagonisten, ihre liebe Müh'und Not hat, noch gute Miene zum bösen Spiel zu zeigen: die Insolvenzverwalter.

Im Sendetext zum Beitrag " Gestatten, Bestatter ", der vom Jounalisten Fritz Stern produziert wurde, begleitet die Crew des HR den Insolvenzverwalter Fritz Westhelle aus Kassel in Hessen bei seiner Arbeit. In dem Begleittext heißt es hierzu:

" Auf diesen Anruf hat Fritz Westhelle lange gewartet. Der Insolvenzrichter vom Amtsgericht Kassel ist dran. Ein großes nordhessisches Autohaus hat Insolvenzantrag gestellt. Westhelle soll übernehmen.

Schon längere Zeit weiß Westhelle, dass es dem Autohändler schlecht geht. Jetzt hat die Bank dem überschuldeten Autohaus die Kreditlinien zusammengestrichen. Da nutzt es auch nichts, dass Insolvenzverwalter Westhelle erst vor kurzem seinen neuen Jaguar dort gekauft hat.

Das Insolvenzbüro Westhelle gehört zu den Großen in Deutschland. 157 Mitarbeiter, die Nummer 8 in der Bundesrepublik. Und kaum einer Branche geht es zur Zeit so blendend, wie der der Insolvenzverwalter. Fritz Westhelle hat den Ruf des Knallharten, wenn die Aussichten zweifelhaft sind. Filetieren, zerlegen, entlassen. Er sieht sich ganz anders: 'nachgiebig' und 'gutmütig' sei er, und schmunzelt dabei. Selbstzweifel sind ihm fremd. ' Früher hat es mich manchmal nicht schlafen lassen, wenn man vielen Leuten die Kündigung aussprechen muss, weil hinter jeder einzelnen Kündigung steht ein Schicksal. Ich habe das schlechte Gewissen an dem Tag abgelegt, als ich mir sicher war, dass es kein anderer besser kann als ich.'

Einer dem nun eine Kündigung bevorstehen könnte, ist der Lagerist Volker Gerhold, 45. Seit 25 Jahren gibt er hinter seiner Theke Dichtungsringe und Kotflügel raus. 'Ich bin jetzt 45, wer will so einen wie mich noch einstellen', sagt er ein wenig resigniert und schlurft durch das riesige Ersatzteil-Lager, das vor Insolvenzeröffnung von der Geschäftsführung noch schnell leer geräumt wurde. Der Mechaniker Ali Reyhan, 29, gibt sich kämpferischer. 'Ich vertraue keinem mehr nach so vielen Jahren hier. Mir ist egal, ob ich demnächst arbeitslos werde oder nicht. Aber ich will endlich Klarheit, wie es hier weiter geht'.

Die 223 Mitarbeiter in den sieben Filialen sind demotiviert. Schon seit einiger Zeit kommt der Lohn unpünktlich, Weihnachtsgeld gibt es schon länger nicht mehr und nun kündigt der Insolvenzverwalter Westhelle an, dass er 'auf keinen Fall mit allen Mitarbeitern den Betrieb fortführen wird'. Wenn überhaupt. In den ersten drei Monaten nach Eröffnung der vorläufigen Insolvenz zahlt die 'Agentur für Arbeit' in Nürnberg Löhne und Gehälter. Solange werden alle weiter beschäftigt. Bis dahin hoffen sie, dass Westhelle einen neuen Investor findet. Wenn nicht, droht den Mitarbeitern das Schicksal, das die ganze Nation bewegt: Arbeitslosigkeit. "

- Zitatende -


In der lokalen Presse las sich das Ereignis vom 23. März 2005 so:

" Auszug aus der HNA:


Auto-Rößler beantragt Insolvenz

Von Jörg Steinbach


Kassel.
Die Krise im Autohandel hat ein weiteres Opfer gefordert. Für insgesamt sieben Gesellschaften der Auto Rößler Gruppe wurden Anträge auf Eröffnung von Insolvenzverfahren gestellt. Betroffen sind das Stammhaus des Ford-Händlers an der Raiffeisenstraße mit 120 Beschäftigten sowie die eigenständigen Handelsfirmen für die Marken Jaguar und Volvo. Das vorläufige Insolvenzverfahren ist zudem für die Rößler-Autohäuser in Korbach, Borken, Homberg und Schwalmstadt angelaufen. Ingesamt sind in den sieben Unternehmen 220 Mitarbeiter beschäftigt, darunter 41 Auszubildende.



Erst Ende Februar waren bei Ford Richter in Kassel - die 1931 gegründete Firma war einer der ältesten Ford-Händler in Deutschland - endgültig die Lichter ausgegangen. Jetzt musste auch Ford-Händler Rößler zum Insolvenzgericht gehen. Das hat inzwischen insgesamt fünf vorläufige Insolvenzverwalter bestellt, die alle der Kasseler Kanzlei Dithmar-Westhelle angehören. Rechtsanwältin und vorläufige Insolvenzverwalterin Sandra Mitter sagte auf HNA-Anfrage, es werde alles getan, um die Geschäftstätigkeit bei Rößler aufrechtzuerhalten.



Nach Einschätzung Mitters besteht eine große Chance, die Betriebe zu erhalten und an einen der ernsthaften Interessenten zu übertragen. Es gebe sowohl Interessenten für einzelne Unternehmen als auch für die gesamte Gruppe. Heute sollen Gespräche mit der Ford Bank und mit dem Hersteller geführt werden.



Nach dem endgültigen Aus für Ford Richter ist zu vermuten, dass Ford Deutschland an dem Erhalt einer leistungsfähigen, großen Niederlassung im Raum Kassel gelegen sein dürfte. Auch das Unternehmen Rößler selbst schätzt die Chance als gut ein, dass ein Nachfolger die Geschäfte in Nordhessen weiterführt (siehe Hintergrund).



Nicht betroffen von dem vorläufigen Insolvenzverfahren sind bisher das Rößler-Autohaus in Fritzlar sowie mehrere Gesellschaften in Thüringen, unter anderem in Erfurt, Weimar und Gotha. Im Mai hätte Auto Rößler das 25-jährige Bestehen als Ford-Händler in Kassel feiern können. Aus kleinsten Anfängen auf dem Eckgrundstück an der Frankfurter Straße/Ecke Raiffeisenstraße hatte Ernst Winfried Rößler das Unternehmen zum führenden Ford-Händler in der Region entwickelt. 1989 hatte die Firma dort großzügige neu gebaute Verkaufs- und Geschäftsräume eröffnet und auch in den folgenden Jahren ausgebaut - zum Beispiel das Jaguar-Verkaufshaus. 2000 hatte Rößler, dessen Gruppe insgesamt rund 400 Mitarbeiter beschäftigt, nach der Insolvenz des Kasseler Volvo-Händlers Philipp auch den schwedischen Fahrzeughersteller ins Angebot genommen. "

- Zitatende -


Der Beitrag versteht sich als Dokumentation, als Zeitzeuge eines ökonomischen Prozesses, dessen Ende noch längst nicht in Sicht ist. Einst zeichnete sich auf dem atomisierten Fahrzeugmarkt ein Konzentrationsstreben ab, dass dazu führte, dass immer mehr kleinere Anbieter aufgeben mussten. Die Autohausketten hielten Einzug und mussten dafür oft einen hohen Preis zahlen. Um konkurrenzfähig zu bleiben, waren Investitionsvolumina von einigen Millionen Euro erforderlich. Wer dabei auf eine Herstellermarke setzte, die sich dann in der beginnenden Krise als nicht wettbewerbsfähig zeigte, der ging quasi mit dem sinkenden Mutterschiff unter.
Was hier in den sparsamen Kommentaren zu der Tätigkeit der von Amts wegen bestellten Insolvenzverwalter für die jeweils betroffenen GmbH in Kassel und Schwalmstadt zum Vorschein gelangt, sind nüchterne Fakten zu den Abläufen eines derartigen Verfahrens.

Der Hauptprotagonist Dr. Fritz Westhelle - einige Male als " West(er)welle benannt - ist ein sehr erfahrener Jurist. Ein Profi, ein Crack, eine Koryphäe auf dem komplizierten Gebiet des Insolvenzrechts.Routiniert spult er das übliche Programm ab. Von der Informationsveranstaltung, bei der die demotivierten Mitarbeiter, die einige Male bereits erheblich verspätete ihren Lohn erhalten hatten,mit abweisend, verschränkten Armen den Ausführungen der beteiligten Juristen zuhören bis zu den Kündigungen am Freitag, den 13.Mai 2005, als Dr. Westhelle und sein Mitarbeiterstab die schriftlichen Kündigungen an die Mitarbeiter/innen zu übergeben haben. Viele sind über lange Jahre bei Rößler beschäftigt gewesen. Sie verbindet deshalb ein mehr oder minder langer Lebensabschnitt mit diesem Arbeitgeber.
Neben Verbitterung, macht sich auch Resignation bei den Gekündigten breit; es fließen Tränen.

Aus, vorbei, abgeschoben. ALG I, ALG II - Perspektivlosigkeit?

Was für die entlassenen Mitarbeiter als gefühlte persönliche Niederlage gelten könnte, bedeutet für den Rest der Belegschaft, die Chance zum Neuanfang.
Das Insolvenzrecht ist dort flexibel, sofern sich ein Investor findet, die Gläubiger auf einen Teil der Forderungen verzichten und die laufenden Kosten erheblich reduziert werden können, besteht die Möglichkeit, den Betrieb weiter zu führen.

Dieses war für die Hauptniederlassung des Rößler Autoreichs der Fall.

Während der Insolvenzverwalter sich in der tagtäglichen Geschäftigkeit müht, wird in dem gezeigten Zeitraum kurz vor Ostern 2005 ( 27./ 28. 03. ) die private Seite des Abwicklers aufgedeckt. Ein Schokoladeneier essender, schon leicht übergewichtiger Mitfünfziger mit durchgängig grauem Haar, der zusammen mit seiner Familie ein opulentes Anwesen bewohnt. Er spielt nicht den eitlen Selbstdarsteller, auch wenn bei seinem jährlichen Firmenbanquet wohl das Who is Who in Kassel, Hessen und den angrenzenden Bundesländern erscheint; zu einem lokalen Event, dass zu einem wichtigen Datum des Jahres ausgeweitet wurde, weil die Kanzlei Westhelle & Partner damals als das 8.größte Insolvenzbüro geführt wurden. Inzwischen ist die Firma dank einer Fusion mit dem Büro Leonhardt in Berlin zum führenden Betrieb für Insolvenzrecht erweitert worden.

Da stand leibhaftig der Herr Bundesfinanzminister Hans Eichel aus Kassel im Raum und hielt mit dem Boss einen Small Talk. Wichtige Leute treffen eben nur wichtige Leute.

Den aus der Belegschaft des Pleite gegangenen Unternehmens Auto Rößler erhobenen - auch alt bekannten - Vorwurf, dass der Insolvenzverwalter sich nur wie eine Hyäne auf das bereits erlegte Tier stürzt, um die Filetstückchen heraus zu reißen, wischt Dr. Westhelle mit einem Satz hin fort: " Wenn wir nicht wären, müsste der Betrieb gleich schließen, weil es das Interesse von uns ist, die insolvente Firma am Leben zu erhalten. "
Ja, aber dafür wird ein mehr als üppiges Honorar fällig. Ein Salär, wo von die betroffenen Mitarbeiter des lokalen Kraftfahrzeughändlers nur träumen können. Außer dem Ex-Inhaber natürlich, der sich mit samt des leer geräumten Ersatzteillagers aus dem Staub gemacht hatte.

Rößler selbst kam weder zu Wort, noch ins Bild. Er verschwand bei Nacht und Nebel aus dem einstigen Arbeitsfeld. Im Vergleich zu seinen Noch-Mitarbeitern wird er wohl dafür gesorgt haben, dass er auch nach der Pleite, der Abwrackarbeit und dem eventuellen Neubeginn genügend Gelder in der Hand behält. Da zeigt sich wieder einmal mehr, dass die Lebensweisheit zutrifft:
" Wo der Eine Schiffbruch erleidet, sammelt der Andere Strandgut auf. "

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