Begegnungen der dritten Art.
Wer seinen Urlaub bereits verbraten hat, weil die Ferien schon beendet sind oder er nur einen gesetzlichen Anspruch darauf hat, der kann sich bestimmt noch an jenen Vorurlaubsstress erinnern, der jedes Jahr aufs Neue den Erholungssuchenden in Beschlag nimmt, wenn dieser die Koffer zu packen, die Reiseunterlagen zu überprüfen und das eigene Domizil einbruchsicher zu machen hat. Für den mobil Reisenden kommt noch verschärfend hinzu, dass er das rollende Wohnzimmer durch checken sollte, ehe er sich zum Antritt der Tour de Europe macht. Auch wenn die heutigen High-Tech-Geschosse längst nicht mehr die serienmäßig eingebauten Macken aus den früheren Dekaden vorweisen, so ist es alle Male ratsam, das liebste Kind des Deutschen hinsichtlich dessen Fahrtüchtigkeit überprüfen zu lassen. Besonders Fürsorgliche bringen den Schlorren einige Tage oder Wochen vor dem Start zum Kilometerschrubben in eine Werkstatt, die dann gegen ordentlich klingende Münze eine Inspektion ausführt. Eine Garantie dafür, dass die Ersatzehefrau nicht doch auf dem langen Trip gen Süden, Norden oder Westen schlapp macht, gibt es aber in diesem Fall auch nicht.
Wohl an, in Kenntnis jener relativen Notwendigkeit hatte ich denn am Mittwochmorgen, neben der durch meine bessere Hälfte in Auftrag gegeben Botengänge per Vierraduntersatz, auch das Thema " Autocheck " auf der Agenda, bevor die Reise in Richtung Ostsee starten soll. So gurkte ich in der Frühe in Richtung einer Änderungsschneiderei, um ein bei Ebay ersteigertes, jedoch zu lang geratenes Sommerkleid nach dort vorgenommener Kürzung gegen Bares wieder in Empfang nehmen zu können. Wie immer, gestaltete sich das Umfahren der eingerichteten Sommer-Baustellen jenseits der Kesseldorferstraße und sonst wo in unserer schönen Landeshauptstadt trotz Navigationshilfe schwierig. Von der Schneiderei ging es dann geraden und kürzesten Weges in Richtung Kaufland, wo noch einige Zutaten für einen Abschiedskuchen zu besorgen waren. Im Gegensatz zu einem sonstigen Werktagmorgen, war der Parkplatz des Konsumtempels erstaunlich und erfreulich leer. So gelang es mir den eigenen PKW in die Nähe des Eingangsbereichs zu parken. Gut gelaunt, an diesem Mittwochmorgen keinen Rentnerschieben entgegen sehen zu müssen, begab ich mich forschen Schrittes in Richtung Parkplatzeingangsbereich.
Eine Ein - DM - Münze in der Hand und den gut gefüllten Einkaufswagen-Einstellplatz im Visier, hatte ich den Unterstand dieser vierrädrigen Gefärte beinahe erreicht, als links von mir ein älterer, wesentlich kleinerer, schon leicht gedrungener Mann mit etwas schütterem - wohl leicht gefärbten,dennoch sichtbar ergrautem Haar und gleichfarbigen Schnurrbart, seinen Einkaufswagen zielgerichten auf eben jenen Bereich zwischen Gebäudeaußenwand und erster Einkaufswagenreihe hin steuerte. Er hatte ein gleichfalls dynamisches wie auch willenstarkes Auftreten im Gesicht, als er so auf mich zu rollte. Noch zwei Meter, noch Einmeterundfünfzi, noch einen Meter: Er wird doch nicht etwa? Ich drosselte mein eigenes Tempo und schaute ihn leicht ungläubig an. Er schien auf Konfrontation gepolt zu sein, denn kurz vor meinen Füßen drehte er den Einkaufswagen gerade noch so herum, als er merkte, dass ich ihm nicht nach links auswich, sondern wie eine Eiche vor der ersten Wagenreihe, zwischen Metallabgrenzungskonstruktion und der Wand stehen blieb, um schnell die DM-Münze in die Münzlade zu legen. Etwas zögernd zwar, aber dennoch elegant, umkurvte der Kontrahent im Kampf um den kürzesten Weg, mein Gebein und begann kurz danach wild zu fluchen: " Junge, Junge, da fährst du schon an dem vorbei und dann versperrt der dir doch den Wäch!" Spontan antwortete ich ihm, obwohl er längst einen Meter hinter meinem Rücken weiter rollte: " Mensch, fahr doch außen herum!" Zum einen war ich der festen Überzeugung, dass auch für Fußgänger das Rechtsgehgebot gilt, zum anderen wusste ich, dass auf dem Parkdeck von Kaufland die Vorschriften der StVO den Verkehr regeln sollen. Neben rechts vor links, gilt denn wohl auch, dass ein Fußgänger nicht einfach quer Beet den Einkaufswagen als Panzer umfunktionierend sich die anderen Kunden vom Leib halten kann. So, nicht! Nicht nach der Gutsherrnart: " Platz da, ich komme jetzt!"
Triumphiert sah in in das Gesicht einer vor mir stehenden älteren Kundin, die mich allerdings fast ungläubig anstarrte. " Was denn? ", dachte ich bei mir, " Was hast du jetzt falsch gemacht?". Nach kurzem Überlegen fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Den Kontrahenten von eben, den kennst´e irgendwo her. Das ist doch, dass war doch, das muss doch; na, klar, dat war der Stumpi, der Wolfgang Stumph, der Stubbe, der " Go Trabi Go " - Darsteller und Minus-Ossi aus dem Film " Stilles Tal ", der dort den Gastronom eines sächsischen Landgasthofs spielt, der sein aufgebautes Lebenswerk nach der Wende an den Wessi aus Hamburg, den Rückübertragungsberechtigten Robert Atzorn, abgeben soll und von der Flut hinweg gespült wird. Na, sicher, dat war Stumpi. Oder sah er nur so aus? Doch, dass war er. Zwar ohne den Vollbart, sondern nur mich Schnäuzer, aber sonst von frappierend ähnlicher Statur. Und der Sing-Sang in seiner Sprache! Hundertprozentig, Stumph. Jedoch ohne seine untalentierte Tochter im Schlepptau.
Beim Betreten des Eingangsbereichs überlegte ich mir, ob das Scharmützel von eben, keine Majestätsbeleidigung war. Hätte ich nicht, nein, muss ich nicht, beim Herannahen eines Fernsehstars, sofort einen Bückling machen und dem großen Schauspieler den Weg frei geben? Wie konnte ich nur? Der in der Nachbarschaft wohnende, jedoch auch in Hamburg lebende, weil dort für viel Gage arbeitende Stumpi, war doch in jedem Fall vorfahrtsberechtigt. Schon allein aus dem Grund, weil er hier - hoffentlich - viel Steuern zahlt. Auch schon deshalb, weil er eine so genannte VIP, eine Very Important Person, ein GEZ-Star ( inzwischen ). Wenn solche Menschen bei offiziellen Anlässen den Roten Teppich ausgerollt bekommen - ob nun in Berlin, in New York oder in Dresden -, dann sind die Zuschauer, die dieses Spektakel erleben möchten, sooft durch aufgestellte Absperrungen viele Meter weit von den vermeintlichen Stras entfernt.
jetzt stand der kleine Stumpi mir, 1,86 m lang, Auge in Auge gegenüber und verlangte, dass der Rote Teppich, auf dem er aus dem Ein - und Ausgang der profanen Einkaufshalle " Kaufland " heraus ging, auch in diesem Fall nicht betreten werden darf. Nicht für einen Nicht-VIP, nicht für einen einfachen Kunden ohne Heiligenschein und Promi-Bonus im Korb.
Ich stand am Fahrstuhl und schob den Einkaufswagen in die Kabine, wartete artig auf kurz hinter mir folgende Kunden, ehe ich den Knopf in Richtung Verkaufsfläche drückte. Rücksichtnahme gehört auch zu den Tugenden eines Jahrgangs aus der Alten Schule - wenn auch nicht immer. Als die Fahrstuhlkabine nach unten kroch, überlegte ich, ob der Wolfgang Stumph nachdem er seinen Einkaufswagen geleert hatte, mit einem Trabant, einem " Trabi ", den - nach westdeutscher Les - und Hetzart " Carton de´Blamage ", eingestiegen sein könnte oder ob er die silber-grauen Mercedes genommen hat, der dann wohl eher standesgemäß ist? Vielleicht plädiert er auch für den Wiederaufbau der Mauer, die vor 51 Jahren und 2 Tagen hoch gezogen wurde. Ob er da aber lieber die DDR mit jetzigen Wohltaten der Konsumgesellschaft, ohne die Auswüchse des Kapitalismus zurück haben möchte? Dann müsste ich einen Einbürgerungsantrag stellen! Vielleicht interpretiere ich jedoch zu viel in diese Begegnung der dritten Art, denn Stumpi ist ja ein sozial engagierte Mensch. Er bemüht sich als Förderer für ein Kinderheim im sächsischen Volkersdorf und für einen Dresdner Förderkreis für krebskranke Kinder. Ferner ist er Kuratoriumsmitglied der Dresdner Kinderhilfe e.V. und seit 2000 ehrenamtlicher UNICEF-Botschafter. Das ist doch ein Menschenfreund. Oder etwa nicht?
Wenn ich mir die übrigen GEZ-Hansel oder sonstige Schmalspur-Helden im Bereich der Schauspielerei ansehe, gehört der Dresdner doch eher zu den besseren Exempalren seiner Zunft; auch wenn er seine Tochter im Warmwasserbecken des GEZ-Rentnerkanals ZDF mit schwimmen und Brotkrümel verdienen lässt.
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