Oh, wie war das schön!


Das gesetzte Alter hat auch für den sich auf der sinkenden Kurve der Gesamtlebenszeit befindlichen Protagonisten noch erfreuliche Ereignisse parat. Junge, wat war dat fürń Spiel! Ein Spiel mit den Gauchos auf der südafrikanischen, genormten Sierra. Ein Spiel, das den Fußball-Anhänger so richtig ins Schwärmen bringt. Vergessen sind die Sorgen und Ängste bereits nach der 3. Minute, als der Überflieger und Unbeschwerte aus der Garde der Spaß-Disziplin-Kicker in das Tor der Argentinier traf - per Kopf! Der Rasenschach der Löw-Truppe gelang danach völlig problemlos. Und dann kam bereits die eigentlich Vorentscheidung: Miroslav Klose, der zuvor so Gescholtene, der durch die Presse genudelte Torjäger ohne Tor, er hätte die Müllerśche Eingabe verwerten müssen. Ein Aufschrei hallte durch das Land - von Garmisch bis zum Ostseestrand! Nein, was für eine Torchance!

Als Berufspessimist wagte ich es kaum auszusprechen, dass die Diego-Truppe schon längst im berühmten Sack war. Nur der Knüppel zum, von der Verblödungspostille " BILD "-Zeitung bereits in der Samstagsausgabe angedrohten Prügelbezugaktion ( Diego: Heut'kriegt Messi auf die Fressi! ) fehlte noch. Aber trotz der chauvinistisch-rassistischen Heul-Organe hat es noch mehr als 20 Minuten in der zweiten Halbzeit gedauert, ehe Miro endlich traf. Brüll-Schrei-Heul-Gedröne auf den Massenbesäufnis-Treffs in diesem, unserem Lande. Es stiegen Raketen in den Hochsommerhimmel, es wurden Böller gezündet und die Vuvus röhrten, wie in alten Zeiten, als vor mehr als 3 Wochen noch alle afrikanischen Teilnehmer voller Hoffnung im Kampfgetümmel standen.

Jetzt,als es 2:0 für uns stand,hatten sich alle Zweifel verflüchtigt. Jetzt, da war auch der Fernseh-Fußballschlachten gewohnte Glotzer aus der Bevölkerungsmehrheit der 50 Plus davon überzeugt, dass wir es schaffen. Wir sind Halbfinalist! Wir sind Steakesser! Wir sind Gaucho-Bezwinger! Die Brüll - Tröt und Sauforgien waren aber noch nicht beendet. Da war noch der Absteiger, der Hauptstadtspieler von dem Klub der einsam und verlassenen Profis, aus der Fraktion der erfahrenen Mannschaftsspieler Arne Friedrich. Er bugsierte den WM-Ball an den erstarrten Argentiniern zum 3:0 ins Gehäuse. Auch dieses Tor - es hätte ja schon längst zum Sieg gelangt - ließ die gebeutelten Euro-Zonen-Kickeranhänger aus dem Land der einst so zahlreichen Dichter und Dener nicht kalt. " Geil, affengeil, oberaffengeil! ". Die deutsche Sprache kann gar nicht so verbogen werden, als gäbe es nicht noch eine Wortkonstruktion mit der sich der Promille geschwängerte Teilnehmer der normierten Spaß-muss - sein - Veranstaltung zur Abgabe von Urschrei-Grunzlauten-Staffeten hätte hinreißen lassen können.

Nach dem 4:0 durch den Stoßstürmer Miro Klose auf exzellenter Vorarbeit des jeden Quadratzentimeter Rasens durchlaufenden Mitspieler Mesut Özil, explodierte die Festtagsstimmung erneut. " Oh, wie ist das geil! Oh, wie ist das affengeil! Oh, wie ist das hammergeil,nein, oberaffengeil!", so schallte es millionenfach aus den heiser gebrüllten Kehlen der " .. schland "-Konditionierten im Einheitslook und Hitze gestressten Anwesenden. Da blieb kein Auge trocken, keine Blase leer und kein Abfalleimer voll. Hinein ins Vergnügen - Deutschland 2010, ein zweiter Sommernachtstraum? Ein viertes Sommermärchen?

Während von den einst 32 Teams nun nur noch vier übrig blieben, macht sich der Chronist voller inne wohnender Sehnsucht auf die Suche nach dem gewesenen. Wiederholt sich Geschichte tatsächlich nicht? Oder doch? Gibt es ein Finale Niederlande-Deutschland, so wie vor 36 Jahren in der Haupstadt des eigentlich Erzfeindes? Fragen über Fragen. Wer soll sie beantworten? Auf jeden Fall der Phrasiologe: " Entscheidend is'auf Platz!" oder " Der Ball ist rund! " und " Ein Spiel dauert immer 90 Minuten! " ( letztere Plattitüde muss indes relativiert werden.

Was aber eigentlich mehr zutrifft, ist die Forderung des väterlich agierenden Bundestrainers der ersten W-Mannschaft von 1954, dem Menschenkenner und Schlitzohr Sepp Herberger: " Elf Freunde müsst ihr sein!". Jau, dat stimmt immer. Denn: Ob Ronaldo, Messi oder Anelka, am Ende standen sie alle mit leeren Händen da.

Kommentare

Octapolis hat gesagt…
Wird schon werden... nach dem Argentienien-Spiel bin selbst ich so gut wie sicher. ;o)

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