I asked Bobby Dylan.



Einst, nämlich im Jahr 1970 sang die britische Rockgruppe " The Who " :


I looked under chairs
I looked under tables
I try to find the key
To fifty million fables

They call me the seeker
I've been searchin' low and high

I won't get to get what I'm after
'Til the day I die

I asked Bobby Dylan
I asked The Beatles
I asked Timothy Leary
But he couldn't help me, either

They call me the seeker
I've been searchin' low and high

I won't get to get what I'm after
'Til the day I die

People tend to hate me
Cause I never smile
As I ransack their homes, they wanna shake my hand

Focusin' on nowhere
Investigatin' miles
I'm a seeker, I'm a really desperate man

I won't get to get what I'm after
'Til the day I die

I learned how to raise my voice in anger
Yeah, but look at my face, ain't this a smile
I'm happy when life's good, and when it's bad I cry
I got values, but I don't know how or why

I'm lookin' for me
You're lookin' for you
We're lookin' at each other, and we don't know what to do

They call me the seeker
I've been searchin' low and high

I won't get to get what I'm after
'Til the day I die.

Was sie in dem 3:07 Minuten langen Stück als Quintessenz musikalisch herüber bringen wollten, war eben jene Orientierungslosigkeit der damaligen Jugend, die auf der Suche nach eigenen Lebensinhalten auch die Idole der trügerischen Popwelt heranzog.
Das in dem Text der englischen Formation auch Bob Dylan benannt wird, kommt nicht von ungefähr. Galt gerade er als Synonym des Protestes gegen die realen Zustände in vielen westlichen Ländern, gegen den Krieg in Vietnam und das spießige Elternhaus.

Dabei hat sich Bob Dylan nie als der Führer des Jugendprotestes gesehen. Im Gegenteil: In den Gesprächen von damals reagierte er eher ungehalten auf jene obligatorischen Fragen, die im Zusammenhang mit seinen - sicherlich kritischen - Liedern gestellt wurden. Bob Dylan, eigentlich Robert Allen Zimmermann, hat sich weder damals noch heute als Messias der revoltierenden jungen Menschen betrachtet. Er ließ sich auch nie vor einen politischen Ochsenkarren spannen, um diesen dann gegen das damalige Establishement zu fahren. Dylan war und ist Musiker, Künstler und Nonkonformist. Nicht mehr und nicht weniger als einige andere namhafte Kollegen aus jener Zeit, in der die Musik eher Ausdruck des Andersseins, denn Konsumfetisch war.

Der Meister der Gitarre und Mundharmonika ist am 24. Mai 70 Jahre alt geworden. Anlass, um in den Medien sein bisheriges Wirken entsprechend zu würdigen. Völlig zu recht, denn Dylan hat mit seinen musikalischen Darbietungen immer wieder für Furore gesorgt. Nicht nur, dass er ein außergewöhnlicher Songwriter ist, ein Singer-Songwriter eigentlich, nein, auch seine künstlerische Ader hat so manchen Fans ins Schwärmen gebracht. Dylan, wäre aber nicht zu jenem Dylan geworden, wenn er sich nicht vielfach widersprüchlich gegeben hätte.
Er lehnte es ab, als Medienstar hoch stilisiert zu werden. Interviews sind ihm bis heute ein Gräuel und hoch geschliffene, intellektuelle Fragen kanzelte er dabei mit provokant kurzen Antworten ab.

Als das ZDF eine Wiederholung einer Dokumentation mit dem Titel " Knocking on Dylan's door " ausstrahlte, waren in diesem Bericht auch die in der BRD lebenden, heute prominenten Bob Dylan Fans zu sehen. Fritz Rau, der große Musikmanager von einst, Wolfgang Niedecken, der Dylan-Liebhaber und Gründer der Kölner Gruppe " BAP " und der leider viel zu früh verstorbene Soziologe und gesellschaftskritische Autor Günter Amendt. Zeitdokumentatorisch besehen ließ dieser Beitrag aus dem Jahr 2001 dennoch einige Fragen über das gesamte Wirken des Musikers offen. Es fehlten die Bezugspunkte zu den exzellenten Musikern der Formation " The Band " mit denen er mehrere Jahre lang fest zusammen arbeitete. 
Auch die musikalische Metamorphose von dem einst heroisierten Folksänger zum Rockinterpreten ist sicherlich zu kurz thematisiert und nicht in sämtlichen Facetten dargestellt worden. Gleiches gilt wohl auch für die Persönlichkeitsveränderung, die Dylan im Verlaufe seines bisherigen Lebens vollzog. Der introvertierte Dylan wurde zwar skizziert, seines egomanischen Züge allerdings nicht problematisiert. Der berufliche und auch persönliche Absturz Mitte der 80er aufgrund seiner Alkoholprobleme wird völlig ausgeblendet.

Sei's drum. Insgesamt stellt " Knocking on Dylan's door " ein zeithistorischen Dokument dar, dass auch 10 Jahre danach bei dem interessierten Betrachter weitere Fragen aufwirft.

Dylan kommt aber auch hier so herüber, wie er sich musikalisch seit mehr als 4 Dekaden zeigt: undurchsichtig.
Was ihn in den 60er Jahren zum Heroen des vermeintlichen Protestliedes aufsteigen ließ, nämlich das textlich - instrumentale Image des " lonesome rider ", gerät einige Jahre später bereits ins Wanken. Die 70er Jahre mit der sich radikal verändernden Musikszene zwingen Dylan, seinen einst gepflegten Stil aufzugeben. Statt der Akustikgitarre spielt er nunmehr vermehrt die E-Gitarre und lässt sich von einem üppigen Ensemble dabei begleiten. Der Protestsong ist nicht mehr in. Rock und Varianten dieses Musikstils sind längst auf dem Vormarsch. Dylan hat dieses längst erkannt und passt sich an.

So kommt es nicht von ungefähr bei seiner Welttournee zu Beginn des Jahres 1978 in Berlin zum Eklat mit seiner einstigen Fangemeinde.
Die Tour begann im Februar 1978 in Japan, führte ihn dann durch die Vereinigten Staaten und setzte sich in Europa so fort:

June 15, 1978 London England Earls Court 28
June 16, 1978
June 17, 1978
June 18, 1978
June 19, 1978
June 20, 1978
June 23, 1978 Rotterdam Netherlands Feijenoord Stadion 29
June 26, 1978 Dortmund Germany Westfalenhallen
June 27, 1978
June 29, 1978 Berlin Deutschlandhalle
July 1, 1978 Nürberg Zeppelinfeld 30
July 3, 1978 Paris France Pavillon de Paris 29
July 4, 1978 30
July 5, 1978
July 6, 1978
July 9, 1978
July 11, 1978 Gothenburg Sweden Scandinavium 31
July 12, 1978 30
July 1, 1978 Camberley England Blackbushe Aerodrome 33









Als er am 29 Juni 1978 in der Berliner Deutschlandhalle auftrat, war ein Teil des Publikums auf Krawall gebürstet. Unter die Zuschauer hatten sich viele so genannte 68er gemischt, die ihren Unmut über das Dylan'sche Outfit und die Song-Darbietungen durch Werfen von rohen Eiern und Plastikbeuteln, die mit Mehl, Salz und Wasser gefüllt waren, Luft verschafften.Ein Sturm der Entrüstung über jene Buh-Rufer und Eier-Werfer in den Gazetten war die Folge dieser Ereignisse. Dylan selbst sah dieses Brimborium eher gelassen und wollte sich dazu nicht äußern. Das tat für ihn dann der Soziologe und Dylan-Kenner Günter Amendt, in dem er schrieb: "
 "Die Show durchchoreografiert, Dylan geschminkt mit Lidschatten, die Band in Bühnenklamotten, 'Don't Think Twice' im Reggae-Rhythmus, 'All Along The Watchtower' dominiert von der virtuosen Geige David Mansfields, the silver saxophone von Steve Douglas, die Kongas von Bobby Hall und das Schubidubidu der Girls im Hintergrund. Das war schon gewöhnungsbedürftig".


Aus: Günter Amendt " Back to the Sixties - Bob Dylan zum Sechzigsten " 


Da war nichts mehr übrig geblieben vom dem Sound der sechziger Jahre, dem Revoluzzer-Outfit und der vermittelnden Pseudo-Romantik mit Lagerfeuer, Joint sowie Klampfe und Mundharmonika. Dylan hatte seine Auftritte dem gängigen Musikgeschmack der bereits beginnenden Disko- Funk und New-Wave-Ära angepasst. Dieses wiederum passte den Mittdreißigern nicht. So dichtete der Literat Thomas Brasch, der das Konzert in der Berliner Deutschlandhalle selbst mit verfolgen konnte, folge richtig:

Und der Sänger Dylan in der Deutschlandhalle


"Und der Sänger Dylan in der Deutschlandhalle,
ausgepfiffen angeschrien,

mit Wasserbeuteln beworfen
von seinen Bewunderern, 

als er die Hymnen 
ihrer Studentenzeit sang,
im Walzertakt und tanzen ließ.
Die schwarzen Puppen, 

sah staunend in die Gesichter
der Architekten mit Haarausfall und 5000 Mark im Monat,
die ihm jetzt zuschrien,

die Höhe der Gage und
sein ausbleibendes Engagement gegen das Elend der Welt. 

So sah ich die brüllende Meute: 
Die Arme ausgestreckt im Dunkel neben
ihren dürren Studentinnen 

mit dem Elend aller Trödelmärkte
der Welt in den Augen, 

betrogen um ihren Krieg,
zurückgestoßen in den Zuschauerraum der Halle, 

die den Namen ihres Landes trägt.
Endlich verwandt ihren blökenden Vätern, 
aber anders als die.  
Betrogen um den, den sie brauchen: 
den führenden Hammel.
Die Wetter schlagen um:
Sie werden kälter.
Wer vorgestern noch Aufstand rief,
ist heute zwei Tage älter."

Aus Thomas Brasch: " Vor den Vätern sterben die Söhne ". 


Thomas Brasch wusste genau, wovon er schrieb, denn er hatte jenen Totalitarismus selbst kennen gelernt. Er war einst Bürger der DDR, arbeite nach seiner Zwangsexmatrikulation zu seinem Journalististudium als Kellner und Bauarbeiter, siedelte 1976 nach der "Biermann"-Resolution zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin nach West-Berlin um.


http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Brasch


 Natürlich meldete sich nach der Aufruhr während des Dylan-Konzerts in West-Berlin das Latrinen-Blatt aus dem dunkel braun-schwarzem Background der Mehrheitsmeinungsmacher des westdeutschen Volkes und log in seinem Bericht, dass Dylan die Tour in einem Sonderzug durch Westdeutschland durch führen ließe, indem die Abteilgriffe vergoldet seien - ein Luxuszug eben. Der Bedeutung des Stars angemessen und dessen Lebenswandel gleich mit. Die Postille des Stillen Örtchens versuchte damit die 68er-Protestler und ihren einstigen Messias als Heuchler und Doppelmoralisten hinzustellen, die öffentlich Askese im Lebenswandel propagieren und selbst luxuriös leben. Ein untauglicher Versuch der Springer-Meute, deren Kriegsbeil gegen die Dutschkes, Teufels und Mahlers nicht begraben war und die jeden nur erdenklichen Anlass gierig aufnahmen, um gegen die Staatsfeinde von damals zu hetzen. 



Anders dann das Publikum in Nürnberg auf den Zeppelinfeld. Dylan zeigte sich schon allein wegen der Kulisse, auf der einst das faschistische Deutschland seinem "Führer " huldigte, sichtlich beeindruckt.  Die dortigen Erlebnisse sollen Dylan in die Spiritualität geführt haben. Was sich in den Folgejahren auch in seinen Alben entsprechend nieder schlug.Dylan, der Widersprüchliche, der unbeugsame Poet, der Egozentriker und Egomane, ließ sich von diesen Ereignissen nicht beeinflussen. 


Wie das Stück " The times they are changing " von ihm komponiert, gesungen und selbst redend auf sein eigenes Leben umgemünzt, durch läuft jeder Mensch eigen gesetzte Zeitfenster bis er - vielleicht - seinen Platz und - vielleicht - sich selbst gefunden hat:
http://www.golyr.de/bob-dylan/songtext-the-times-they-are-a-changin-526734.html
Was einst als Protestlied von Dylan vor 48 Jahren getextet und dann 1964 in dem gleichnamigen Album veröffentlicht wurde, hat heute zwar keine gesellschaftlich relevante Bedeutung mehr, lässt sich aber dennoch dahin gehend verstehen, dass jede Entwicklung oder Veränderung ihre Zeit hat; jede Zeit ihre Veränderung und Entwicklung erfährt. 
Dylan hat sich verändert, hat sich weiter entwickelt und tourt mit 70 immer noch mit seiner wohl einmaligen Musik herum. Ein Medienstar ist er deshalb immer noch nicht geworden. Ein Polit-Star war er nie. Ein Monument einer längst vergangenen Ära ist er allerdings geblieben; und das nicht nur in den Köpfen der subalternden Pseudo-Revoluzzer von damals.
Einige der Akteure aus dem besagten Film hat er überlebt: Thomas Brasch verstarb bereits im Alter von 56 Jahren am 2. November 2001 in Berlin; Günter Amendt kam 71jährig am 12. März 2011 bei einem Unfall in Hamburg zusammen mit dem Soziologen Dietmar Mues und dessen Ehefrau Sybille sowie der Künstlerin Angela Kurrer ums Leben; andere wiederum sind um 10 Jahre älter geworden: so Fritz Rau (81),Jack Lang (72) und Wolfgang Niedecken ( 60 ).


Auch sie haben Bob Dylan nie gefragt, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen. So wie es die Herren Roger Daltrey, John Entwistle, Pete Townshend und Keith Moon der Gruppe " The Who " eben vor mehr als 4 Dekaden besangen.

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