Ich, Winnetou, Old Shatterhand und der Wilde Westen.


                                                                             (c) Erwin Raupp - WIKIPEDIA

Die Sommerzeit ist - wie seit vielen Jahren wieder kehrend - die große Zeit der ungezählten Wiederholungen. Ein Beispiel hierfür brachte das Rentner-Fernsehen, das ZDF am heutigen Sonntagnachmittag. Im Doppelpack quälte es den Daheimgebliebenen und Nicht-Mallorquiner mit zwei patinierten Karl May-Verfilmungen ( West, versteht sich ) aus den Kellergewölben der 60er Jahre hervor gekramt.

Ab 14.00 Uhr konnte der Zuschauer ab dem Durchschnittsalter von 59,4 Jahren sich die cineastsiche Leistung der Brauner'schen Bude Belgrad anschauen: " Der Shut " aus dem Jahre 1964. Das ist so lange her, dass selbst ich - als verkappter Nostalgiker - sehr lange überlegen musste, ob ich die Schwarte damals im Kino gesehen hatte. Das positive Ergebnis jener Hirnanstrengungen bei schwülen Juli-Temperaturen lautet dennoch: " Ja ".

So drehte ich, beim Lesen der Programmzeitschrift das Rad der Geschichte um sagenhafte 46 Jahre zurück und versuchte mich an den "Shut " zu erinnern. Es gelang mir aber nicht wirklich. Der Film musste irgendwie im Hochglanz der " Winnetou "- Trilogie, der " Old Shatterhand " und des " Schatzes im Silbersee " untergegangen sein. Nun, für solche Momente frage ich dann immer meine Online-Enzyklopädie "  WIKIPEDIA ":

http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Schut_%28Film%29

Das ich die Handlung nach mehr als 4 Dekaden nicht mehr exakt in Erinnerung hatte, lag wohl vor allem daran, dass ich jenes Karl May - Buch auch nie gelesen habe. Und dieses lag wiederum daran, dass in meinem Elternhaus Bücher - bis auf die Schulbücher - eine völlig untergeordnete Rolle spielten. Was wiederum seine Ursachen darin hatte, dass meine Eltern eben zu wenig Geld verdienten, um sich eigene Bücher zu gönnen, nur begrenzt Zeit zum Lesen fanden und wohl - die eigentliche Ursache - kein Interesse am Lesen besaßen.
Und dieses, obwohl sie seit geraumer Zeit als Mitglied des Bertelsmann Verlags in Gütersloh, die Möglichkeit hatten, sich aus den bunten Katalogen, die einmal im Quartal franko-frei vom Postbeamten in den Briefkasten gelegt wurden.

So bestand ihre bescheidene Büchersammlung dann eher aus Romanen, deren Inhalte mich als Jugendlicher nicht reizten. Nur ab und zu konnten wir ( meine beiden Geschwister und ich ) uns ein Kinder - oder Jugendbuch aussuchen, das dann per Postkarte bei Bertelsmann bestellt wurde. Ob nun Mark Twain mit seinem Weltbestseller " Tom Sawyer ", Astrid Lindgren mit " Wir Kinder aus Bullerbü " oder Rudyard Kipling's " Rikki-Tikki-Tavi ", das waren einige wenige Bücher, die in dem genormten Anbauschrank im Wohnzimmer Platz fanden. Von Karl May hatte ich bis dato zwar schon mal über Nachbarkinder - leicht verfälscht wieder gegeben  - etwas gehört, aber ich verstand nicht wirklich, wer er war und worüber er geschrieben hatte.

Dieses änderte sich dann schlagartige mit der ersten Buchverfilmung " Der Schatz im Silbersee " aus dem Jahre 1962.Er stellt den Auftakt jener Karl May-Kinofilme dar, die dann in den 60ern zu einer wahren Karl May-Welle führte.



http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Schatz_im_Silbersee_%28Film%29


In der westdeutschen Provinz gab es den ersten Film des kongenialen Duos "Winnetou " und " Old Shatterhand " - selbst redend - erst knapp 1 Jahr später. Im Bad Eilser Kino bildeten sich lange Schlangen zu der Sonntagnachmittagsaufführung. Das kleine Kino hatte ohnehin nur an 3 Tagen geöffnet, nämlich Dienstagsabends ab 20.00 Uhr, Samstagsnachmittags um 17.00 Uhr und 20.00 Uhr sowie am Sonntag zu diesen Zeiten.
Das einstige " Kur-Kino " ( ich wusste bis heute nicht, dass es so hieß, denn es gab dort keine entsprechende Leuchtreklame o.ä. ) schloss irgendwann im Jahre 2007.

Tja, und in einer dieser Schlangen stand ich dann im Jahre 1963 auch, um den Arthur " Atze " Brauner - Film " Der Schatz im Silbersee " zu sehen.
Nach 111 Minuten ( Netto-Spielzeit ) war dieser zu Ende. Das Gute hatte das Böse besiegt ( so wie immer in jenen Jahren und auch immer noch danach ), ich begab mich zusammen mit den Nachbarkindern auf den Nachhauseweg und wir diskutierten natürlich über unsere Helden ( " Winnetou ", " Old Shatterhand "), die albernen Randfiguren " Sam Hawkens ( Ralf Wolter ), " Lord Castlepool " ( Eddie Arent ) und den naiven Colonel Brinkley ( Herbert Lom ). Ein Schauspieler aber begann auch hier eine Karriere im Film und parallel im Fernsehen: Götz George, der den Draufgänger " Fred Engel " spielte.

Der Film war ein Erfolg und spielte mehr als das Doppelte der Produktionskosten ein ( 3, 2 Millionen DM ). Bis zum Herbst 1964 sahen diese erste westdeutsche Produktion mehr als 3 Millionen Kinobesucher.

Vom Erfolg bestätigt, wurden weitere Karl May Bücher verfilmt:



Aus diesen westdeutschen Kinoverfilmungen enstand dann ein wahrer Star-Kult um die beiden Hauptdarsteller Pierre Price sowie Lex Barker. Das einstige Zentralorgan der BRD-Nachkriegsjugend, die " BRAVO " legte ihre Starschnitte von diesen beiden Schauspielern auf, der Tinnef rund herum bestand aus Filmbüchern, Filmmusikplatten und Plastik-Filmfiguren.
Wenn auch das Brimborium und der Kommerzrummel im Vergleich zu den heutigen Größenordnungen eher winzig anmutet, so zeigte es dennoch, dass die veramerikanisierte Filmindustrie der europäischen Verbündeten volle Häuser einbrachte.

Als die Karl May- Kinofilmwelle bereits am Abebben war, wurde von der Vermarkterseite mit weiteren Filmbücher nach gewaschen. Nun, die Kinofilme von einst waren preislich auch für einen Besucher aus minderbemittelten Elternhaus oder mit sehr schmaler Geldbörse erschwinglich. Ab 2,00 DM gab es im Bad Eilser Kino bereits einen Sperrsitz, bei dem sich der Zuschauer jedoch den Hals ausrenken könnte, wenn er nicht tief genug auf den harten Stühlen einsank ( das geschah dann reflexartig bei spannenden Szenen, weil die anerzogene Angst eben durch kam ). Ab 2, 50 DM gab es bereits einen ordentlichen Platz im Parkett - und Mittelbereich und für 3,50 sogar einen Logensitz.

Tja, und die alte Tante ZDF brachte dann ja im Gleichschritt mit der Übermutter ARD jede Menge Filmwiederholungen der Karl May-Schwarten, deren Drehbücher jedoch mit dem Originalbuch des guten Karl nicht mehr viel gemein hatten. So kann sich ein Fan dieser 60er Jahre-Schinken auch die DVD-Kollektion sämtlicher im einstigen Jugoslawien ( Kosovo, Kroatien, Serbien ) abgedrehten "Meisterleistungen " bis zum Erbrechen ansehen.
Für mich war dann irgendwann zum Ende der 60er Jahre endgültig Schluss mit dem "Winnetou - Old Shatterhand " - Gemurkse.

Ab den 70er gab es die so genannten " Italo "-Western, die " Spaghetti "-Western und " Hau-drauf "-Filme mit Bud Spencer und Terence Hill. Da verstaubten die Filmbücher zu den vorher gesehenen Kino-Knüllern längst in den Regalen.

Dass der gute Karl die Grundlagen für seine Bücher " Reiseerzählungen "  im Knast aufgeschrieben hat, dass er eigentlich ein waschechter Sachse war und - bis auf Reisen nach Österreich - nie einen Schritt aus dem damaligen Deutschland heraus tat, wurde mir erst viele Jahre nach jenen Filmen klar.

http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_May

Und während wir bei einem Pott Kaffee, einem Stück selbst gemachter Stachelbeertorte und einem Small Talk über eben jenen genialen Literaten, der in Ernsthal 1842 geboren wurde und 70 Jahre später in Radebeul verstarb, führten, kam die Diskussion auch über jene BRD-Verschnitte aus den 60er auf. Dass es in der DDR auch sehr gute Schauspieler gab, blieb dabei unbestritten. Leider waren sie im Nachbarstaat von einst eben nicht so bekannt. Selbiges verhält sich mit den Karl May-Filmen.Als einstiger Privilegierter, der das Programm von DDR I ( Deutscher Fernsehfunk ) - wenn auch nicht regelmäßig - sehen konnte, waren sie mir wohl im Grauer Vorzeit bekannt, ob ich diese Verfilmungen jedoch gesehen hatte, ist mir heute nicht mehr im Gedächtnis.
So nickte ich dann zustimmend, als die Feststellung formuliert wurde, dass eben jene DDR-Produktionen schauspielerisch nicht nur besser einzustufen waren, sondern auch näher an den Büchern lagen, weil mir nach etwas mehr als 20 Minuten bewusst wurde, was für ein hahnebüchener Quark die BRD-Filme von damals waren; selbst wenn der Hauptdarsteller ( Lex Barker verstarb bereits in den 70er Jahren in den USA ) heute noch lebt und immer noch als " Winnetou " heroisiert wird.

Der " Wilde Westen " begann damals nicht nur in den Bergen des einstigen Jugoslawien, sondern in der Phantasie-Vorstellungen der BRD-Filmkomiker aus den Nachkriegsjahren.
   

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