"Was wollest Du mit dem Wasser? Sprich!"


Die Julisonne brachte es an den hellen Tag. Jene Fensterscheiben, die seit dem legendären Frühjahrsputz 2011 für einige Wochen einen klaren Durchblick verschafften, sind inzwischen mit einer undefinierbaren Schicht bedeckt. Verursacht von den herum fliegenden Pollen, fehl geleiteten Insekten, die sich Kamikaze artig auf die Glasscheibe stürzten und hierbei Flecken hinter ließen und getrockneten Regentropfen. Es wurde wieder Zeit, die Hinterlassenschaften der Natur zu beseitigen. Gedacht, getan.

Ein Eimer voll Wasser, ein Reinigungsmittel, altes Zeitungspapier und ein Wischlappen, dieses Alles sind die Utensilien, mit deren Hilf der Durchblick wieder hergestellt werden sollte. Während die Fensterbänke frei von abgestellten Gegenständen geräumt waren, begann ich die Blitz-Blankaktion zu starten. Natürlich kamen mir während des Reibens, Wienerns und Rubbelns so einige Gedanken an die alte Zeit.

Was waren das doch für wunderbare Jahre im Nachkriegsdeutschland, als die Rollenverteilung zwischen Männlein und Weiblein exakt geregelt war. Der spießige Adenauer-Staat im Westen kannte für das vermeintlich schwächere Geschlecht nur drei Hauptbetätigungsfelder: Küche, Kinder, Kirche!
Demgemäß bedeutete Küche aber auch, das damit der haushalt zu erledigen war. Haushalt wiederum reduzierte sich nicht nur auf das Kochen, das Einkaufen und das Waschen. Nein, hierzu gehörten weitere Pflichtaufgaben. Mangeln, Abwaschen, Tischdecken, Staub wischen, Staub saugen und natürlich Fenster putzen.

Die letztere Aufgabe wurde später mittels neuster Errungenschaften, die von der Verblödungswerbung zunächst nur im Ersten ab 18.00 Uhr der darbenden Hausfrau offeriert wurden, dann umgehend eingesetzt. Ob nun diverse chemische Schmutzbeseitiger, innovative Putztücher oder hoch technisierte Wischutensilien, sie alle sollten der alsbald überlasteten Hausfrau so manche Pflichtaufgabe erleichtern.

Als dann die bösen, bösen 68er und ihre Emanzipationsbewegung dieses teuere Gelumpe als Konsumterrorismus geißelten und gleich auch damit die Rollenverteilung zwischen Frau und Mann in Frage stellten, war das regelmäßige Sauber machen, der Haushalt schlechthin und das Fenster putzen insbesondere, bei einer bestimmten Bevölkerungsgruppe verpönt.
Das auf Selbstverwirklichung drängende weibliche Proletariat wollte zudem ihr eigenes Geld verdienen und hielt eine Doppelbelastung mit Haushalt und Beruf für nicht mehr hinnehmbar. Es revoltierte in der Form, dass der Haushalt nun gar nicht mehr gemacht wurde.

In den Endsiebziger und Achtziger gab es zudem eine Verweichlichung der Männer, die nun auch noch mit Stricken, Nähen und Kartoffel schälen ihren Softie heraus hängen ließen. Das kam zwar bei der emanzipierten Frau gut an, führte aber auch dazu, dass ein Sitzenpinkler dann später doch nicht unbedingt der Idealpartner wurde. Weil diese Eigenschaften aber auch dazu führten, dass die rollenspezifischen Tätigkeit auf kurz oder lang insgesamt in Frage gestellt wurden, ließ es so maches Paar es mit der Haushaltsführung dann lieber gleich beim Altbekannten beließ.

Über 4 Dekaden nach den 68er muss konstatiert werden: Wer keinen Haushalt besitzt, weil er immer noch bei Mutti lebt, der muss auch keinen führen. Und wer dann doch einen eigenen Haushalt zu führen hat, der führt ihm erst gar nicht. So erblinden in nicht wenigen Wohnungen die Fensterscheiben. Das Sonnenlicht lässt sich dann nur spärlich erblicken und so mancher Blick aus dem Fenster versprüht den Charme des mausgrauen DDR-Ambiente.

So stieg ich denn - all voll emanzipierter Mann - von einer Fenstersprosse zur nächsten, immer dem eisernen Willen folgend, dem Schmutz - in Meister Propper-Manier - den Garaus zu machen. Routiniert führte meine rechte Hand den Wischlappen, sprühte das Scheibenklar nach und wienerte mit Zeitungensseiten der alten SZ, die ich zu einer Hand gerechten Form zusammen geknüllt hatte, auf dem Glas herum. Nach einer halben Stunde waren die mehr als 3 m² Glasfläche blitz blank. Da hätte sogar die gute Werbetrutsche aus den 50er und 60er Jahren ihre helle Freude gehabt.

Beim Absteigen vom Esstisch fiel mir dann noch ein Kalauer ein, der damals in jedem Ferienlager beim zwangsweise eingeteilten Küchen - und Kartoffelschäldienst die Runde machte:

" Zu Dionys, dem Tyrannen schlich, Damon, den Dolch im Gewande.  Ihn schlugen die Häscher in Bande."
" Was wollest Du mit dem Dolche? Sprich!", entgegnete ihm finster der Wüterich.
" Kartoffel schälen, mehr wollt ich nicht!"

So kann ich denn getrost den Dolch mit Wasser austauschen und dabei daran denken, dass dieses nicht nur zum Waschen da ist.

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