TEN YEARS AFTER - Recorded Live, ein Album bei dem die Lautsprecher beben.
Das Mistwetter, das uns das Tiefdruckgebiet " Otto" beschert hat, dürfte nun endgültig vorüber sein. Zeit, im Garten nach dem Stand des Bewuchses zu schauen. Während ich meine Grenzpatrouille absolvierte, konnte ich vor der Garageneinfahrt die üppig sprießenden Unkräuter ( ein schreckliches Wort ) bewundern und nahm deshalb gleich den Weidenkorb in die Hand. Nach einer Stunde Zupf - und Auflesesarbeit, war das unerlaubt wuchernde Grün beseitigt. Rechtzeitig, da es wieder zu nieseln begann. Was an Restzeit übrig bleib, verplante ich für den obligatorischen Zimmerreinigungsdurchgang, der dann immer eine günstige Gelegenheit bietet, in dem CD-Fundus nach jener Musik zu suchen, die mich vor mehr als 4 Dekaden ständig begleitet hat.
Gesucht - gefunden. Das Live-Doppelalbum der englischen Gruppe " Ten Yeras After " ( TYA ) aus dem Jahre 1973. Einst hatte ich die Doppel-LP bei meinem regelmäßigen Plattenladenbesuch in Hannover erworben. Leider mit einem eklatanten Pressfehler, denn auf dem der B-Seite der 1. Platte befindet sich bei dem Titel " Hobbit " ein nerviger und seit dem Kauf nicht zu reparierender Rillenfehler. Weshalb ich irgendwann in den Nachmillenniumsjahren das Album beim " PRO "-Markt in Bremen erneut erwarb - als CD versteht sich.
Auch auf jener Doppel-CD befinden sich diese Songs:
1. One Of These Days |
2. You Give Me Loving |
3. Good Morning Little Schoolgirl |
4. Hobbit |
5. Help Me |
6. I Can't Keep From Cryin' Sometimes Part 1 |
7. Extension On One Chord |
8. I Can't Keep From Crying - Part 2 |
9. Slow Blues In 'C' |
10. I'm Going Home |
11. Choo Choo Mama |
Die LP/CD startet mit einer gewöhnungsbedürftigen Ansage der Gruppe um Alvin Lee und Leo Lyons eines Frankfurter Moderators, der im breitesten hessischen Dialekt verkündet: " Un nu in Fraankfort: Ten Years After!". Ein Jubelsturm bricht los, als die Truppe sich mit dem Stück " One of these days " einspielt. Ein prima Titel aus dem Album " A space in time " von 1971.
Die Formation zeigt hier, dass ein Zusammenwirken aller Instrumente ohne die egozentrischen Ausbrüche des Super-Gitarristen Alvin Lee alle Male zu einem knackigen Hardrock-Stück führt.
Dem folgt mit " You give me loving ",ein ebenfalls in Frankfurt, in der Jahrhunderthalle, aufgenommenes Stück aus dem 1972er Album " Rock'& roll music to the World ". Eine mit psychodelisch angehauchten Orgelbegleitung arbeitender Alvin Lee hat auch hier zunächst nur eine untergeordnete Rolle in dem Ensemble, bestehend aus Bass ( Leo Lyons ), Keyboard und Orgel ( Chick Churchill ) und Schlagzeug ( Ric Lee ). Das letzte Album vor der Live_ DLP lässt einen Stilwandel erkennen. TYA begeben sich auf eine lektronischen Trip.
Mit dem Blues-Klassiker " Good morning little schoolgirl von " Sony Boy Williams ", dass aus dem legendären Album " Ssssh" stammt edet die erste Seite der LP und das dritte Stück auf der CD. Stampfender Blues-Rock vom Allerfeinsten. TYA in Höchstform eben!
Der vierte Titel is das Stück " Hobbit " auf dem leider die Plattenspielersystemnadel tanzt. Ein Schlagzeugsolo, das verdeutlicht, warum Ric Lee nicht der reine Rhythmus-Junkie ist, wie er bei anderen Titeln herüber kommt. Nachdem der Namensvetter Alvin sein kurzes und knackiges Intro dazu gibt, drischt Ric Lee los. Da werden die Becken, dieTom-Tom und die Hi-Hat ordentlich malträtiert. Ein mehr minütiges Schlagzeugsolo zählte damals zu dem Standardrepertoire jeder Rockgruppe. So auch hier bei TYA. " Hobbit "ist ein Titel, der während des Auftritts in Frankfurt 1973 entstand. Ein improvisierter Pausenfüller eher. Dennoch ein Stück, das erkennen lässt, dass sich die Formation seit 7 Jahren kennt. Nach etwas mehr als 7 Minuten jedoch hat sich Ric Lee ausgetrommelt.
Es folgt der Bluestitel " Help me " von Williamson-Bass, jenem legendären - leider zu früh, nämlich 1965 verstorbenen - Bluesmusiker, der auch mit andere Bluesern unter dem Pseudonym " Sonny Boy Williams ", " John Lee " oder Sonny William " Titel schrieb sowie Bluesmusik aufnahm. Ein knackiges 10 Minuten Stück, bei dem die Band sich richtig ins Zeug legt. Ein wummernder Bass des genialen Leo Lyons begleitet Alvin Lee auf dessen Gitarren-Trip, der schließlich in einem orgiastischem Soundgewitter, dass von den riesigen Rotationslautsprechertürmen auf die tobende Menge in Amsterdam herab donnert, endet. Eine Blues-Rock - Adaption aller erster Güte.
Die erste Seite der 2. LP beginnt im einem Gitarren-Intro des Meisters himself. Alvin Lee lässt ein paar Riffs im Boogie-Woogie-Stil auf die vielen Besucher des Auftritts in Paris von der Bühne herab. Das es " Classical thing " benannt wird, ist wohl eher zufällig, denn wirklich ernst gemeint. Dem folg ein weiteres Stück, dass unter einer Minute bleibt: " Scat thing ". Ein muteres, unkompliziertes Zusammenwirken zwischen unprententiösen Vocaleinlagen und in Lichtgeschwindigkeit gespielten Gitarrenriffs des großen Meisters der Magie Lee. Nach 54 Sekunden ist der Spuk vorbei und Lee intoniert ein Stück aus dem 1976er Erstlingsalbum " Ten Years After " sowie aus dem 1968er Album " Undead ".
" I can 't keep for crying sometimes ". Eine Adaption des Bluesstücks von Al Kooper, der in jenem Jahr zusammen mit Mike Bloomfiled und Steven Stills die legendäre Supersession aufnahm. Die TYA Version zerfällt allerdings in drei Teile. Nach 1:57 verlässt das Quartett den von Kooper vorgegeben Melodiepfad, um in ein Klanggewitter aus Gitarre, Orgel und Schlagzeug über zu gehen. Die Improvisationen gehen in Anlehnung an das Stück " Adventures of a young organ " - mit dem Chick Churchill wohl seine ersten Versuche auf einer elektronischen Hammondorgel benennen möchte - in " Extension on one chord " über. Das Lee darin auch den " Cream " - Klassiker " Sunshine of your love " herunter schrubbt, sei nur am Rande erwähnt. Nach mehr als 10 Minuten verfällt die Band wieder in ihren Ursprungsrhythmus des ruhigen Bluesstücks " I can 't keep for crying sometimes " und lässt diesen Song nach weiteren knapp 3 1/2 Minuten aus driften. Eine Kostprobe des wahren Lee'schen Könnens als Gitarren-Hexenmeister, dem einst nur der Ire Rory Gallagher Paroli bieten konnte.
Der Menge in Paris tobt.
Auf der letzten LP-Seite befindet sich der Opener " Silly thing " eine halb-minütiges Gitarrenspiel. Dem folgt die Bluesnummer " Slow blues in C " die nur auf dem Live- Album zu hören ist. Ein dahin treibender, ruhiger Blues, der Erholung nach dem rasanten Rocksound gibt. Das Frankfurter Publikum spendet höflichen Beifall, denn es verlangte zum Teil bereits nach den ersten Songs den "Woodstock"-Klassiker " I'm going home ". Der dann nach etwa 7 1/2 Minuten folgt.
Eine Brüll-Orgie erschallt aus den JBL-Boxen. Nun, die Truppe um Lee und Lyons haben es immer wieder verstanden, den Knaller aus dem Jahre 1968 live so herüber zu bringen, dass er sich auf jedem späteren Tonträger anders anhört.
Obwohl das Album " Undead "- für meinen Geschmack - bessere Stücke beinhaltet, so z.B. die erstklassige Coverversion des Bluesstücks " Spider in your web ", " Standing at the crossroads " oder auch " Spoonfull ", reduzierten die meisten TYA-Fans nicht nur diese LP auf " I'm going home ". Leider!
Wer TYA in den frühen 70er Jahren - so wie ich einst in Hannover - live erleben durfte, der musste bereits dort erkennen, dass die Ego-Trip des Gitarren-Magier Alvin Lee nicht von Dauer sein konnte. Seine drei anderen Mitstreiter waren nie nur Statisten, sondern - jeder für sich - exzellente Musiker. So war es zwar dem furiosen Auftritt der Formation auf dem unvergessenen " Woodstock "-Festival, der in dem gleichnamigen Film - aus Zeitgründen - ebenfalls nur auf " I'm going home - by helicopter " reduziert wird, dessen Besonderheit jedoch darin lag, dass die Gruppe nach einem enormen Gewitter, der den Auftritt längere Zeit unterbrach, ihre Instrumente neu stimmen musste und so eher gehandicapt die Menge zu unterhalten hatte. Was Lee dann allerdings auf der Gitarre abzog, bleibt wohl unvergessen.
Nun, auch der große Ruhm verblasst und so auch der geforderte Titel " I'm going home ", der nach 9:30 Minuten endlich zu Ende geht. Die Jahrhunderthalle in Frankfurt explodiert.
Die geforderte " Zugabe " reduziert sich auf dem Live-Doppelalbum auf " Choo choo mama ", einem Stück aus dem ein Jahr zuvor erschienen " Rock & roll music to the world ". Ein stompin ground- song mit richtigem Drive und einem Speed-Gitarren-Zwischenstück von Lee. Das auf dem 73er Live-Album nicht mehr Titel aus dem zuvor veröffentlichten " Rock & roll music to the world "-Studioalbum aufgespielt sind, dürfte wohl auch daran liegen, dass zuvor - in Holland - ein "Bootleg"-Album auf den Markt kam, dass ein Zusammenschnitt jener 4 Auftritte der Formation in der niederländischen Metropole wieder gibt und damit ein musikalischer Gegenpart zu jenen - damals in erstaunlicher Qualität - veröffentlichten Live-Album gesetzt werden sollte.
Inzwischen ist die Liste der Bootleg - Alben genauso lang, wie jene der offiziell herausgegeben Tonträger der Formation um Lee und Lyons.
http://www.alvinlee.de/persbootleg.htm
Dabei lässt allerdings die Aufnahmequalität jener Alben zum größten Teil zu wünschen übrig. Seit der Doppel-Live LP stehen bei mir sowohl die ersten Alben der Gruppe, als auch das dann eher enttäuschte " Positive vibrations " in meinem Archiv.
Nach dieser Veröffentlichung brach die Band auseinander, da es unüberwindliche Meinungsverschiedenheiten zwischend em Gitarren-"Star" Alvin Lee und den anderen Mitglieder der Gruppe gab. Lee hatte zuvor bereits den Grundstein für ein kurzes Solo-Projekt gelegt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ten_Years_After
Zusammen mit dem Gitarristen Mylon LeFebre veröffentlichte er 1973 das erstklassige Album " On the road to freedom ", ehe er dann die Formationen " Alvin Lee & Company ", " Ten Years Later" mit der er auch im Essener Rockpalast live auftrat sowiedie " Alvin Lee Band ".
http://de.wikipedia.org/wiki/Alvin_Lee
Als 1988, knapp 20 Jahre nach der Gründung eine Reunion erfolgte, waren die musikalischen, aber vor allem die menschlichen Gegensätze nicht zu überwinden, nach einem Album stieg Alvin Lee wieder aus und verfolgt seit dem mit diversen anderen Rockmusikern eigene Projekte.
Die drei anderen Bandmitglieder ließen TYA weiter leben und touren bis heute noch.
Nach 38 Jahren steht jedoch für mich fest, dass die Ursprungsformation der " Ten Years After " auf dem Live-Doppelalbum nie ihre Faszination verloren hat und die musikalischen Qualitäten jedes einzelnen Instrumentalisten erst bei höheren Lautstärken so richtig zum Tragen kommen.
" Play it loud ", so wie es die Rolling Stones auf dem Cover des Albums " Let it bleed " empfehlen.
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