Am Ende war es eine Gottestrafe oder das programmierte Leiden des jungen Samuel K.



Es ist schon erstaunlich, was sich der der Zwangsgebührenzahler für fast 54 Euro im Quartal an flacher Unterhaltung und genormter Meinungsmache so ansehen und anhören muss. Da gab es doch am Sonntagabend zur besten Sendezeit den " Tatort " vom Hessischen Rundfunk. Mmmh, was war das eigentlich? Eine auf jung getrimmte Nina Kunzendorf , die im Schlepptau einen etwas bräsigen und einen - nach der vorläufigen Suspendierung - sich wieder im Dienst befindlichen Stinkstiefel Kollegen nehmen, im Frankfurter Hausfrauen - Prostitutiertensmilieu herum schnüffelte, dabei ein halbes Damenboutique-Angebot zeigt, die " Knarre " in John Wayne - Manier locker, lässig, schlabberig an der knallengen Hose herunter baumeln lässt und nach 1,5 Stunden einen " Irren " als Prostituiertenschlitzer präsentiert. Die Sawatzki und ihr fader Kollege waren schon abtörnend, die dunkelhaarige Schönheit als Hauptkommissarin ist es alle Male.

Dann kam Jauch. Er präsentierte ein Thema, dass es eigentlich nicht wert ist, dass darüber viel palavert wird. Es ging um das Schicksal der Querschnittslähmung. Der Alltag der vielen dadurch am Rollstuhl Gefesselten ist schwierig, die Reha-Möglichkeiten sind langwierig und die Heilungschancen oft minimal. Das Leben eines so Betroffenen, der/die meist durch Unfälle in allen Variationen, zu einem/einer Schwerbehinderten werden, ändert sich von einem Tag auf den anderen. Nichts bleibt so wie es einst war. Die Familie, die Angehörigen und das soziale Umfeld muss sich darauf einstellen.
Diese Erkenntnisse sind eigentlich von den Medien lang und breit veröffentlicht worden. Vielen ist das Schicksal von bekannten Persönlichkeiten, wie dem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble oder dem " Superman " - Darsteller Christopher D´Olier Reeve bekannt.
Was also soll eine Talk-Runde bei Günter Jauch in der ARD an Neuigkeiten bringen?

Als dann dem Publikum die Gäste des im noblen Gasometers statt findenen Small-Talks präsentiert wurden, war schnell klar, wohin der Dampfer fahren sollte.

Bereits einige Tage zuvor berichteten die Printmedien, dass der vor knapp 2 Jahren in der von Thomas Gottschalk moderierten Sendung " Wette,dass...?" schwer verunglückte Samuel Koch, ein Buch herausgeben wird, in dem er die Zeit nach dem Unfall bei Gottschalk beschreibt.Samuel Koch schreibt über Samuel Koch oder Samuel Koch lässt über Samuel Koch schreiben. Nichts außergewöhnliches eigentlich, wäre, ja wäre, da nicht die enge Freundschaft zwischen Gottschalk und Jauch. Gottschalk hat sich nach dem Koch´schen Unglück von dem ZDF-Langweiler endgültig losgesagt und erst einmal eine - notwendige - Schaffenspause eingelegt, ehe er bei dem Konkurrenzkanal  "Das Erste", also der ARD anheuerte, um dort eine bald grandios floppende Vorabendsendung zu moderieren, die im Juni eingestellt wird.

Ob Gottschalk sich für den Unfall von Koch verantwortlich macht, kann dem Glotzer der Quasselrunde bei Jauch eher egal sein, denn nach einigen Minuten wurde völlig transparent, wohin die Mehrheit des um Koch´s Schicksal palavernde Gäste-Quintett hin steuert: Der christliche Glaube als Allheilmittel gegen schicksalhafte Ereignisse im Leben.
Koch und seine Familie (geladen waren Vater und Schwester) geben sich als streng gläubig. Dazu wurde denn noch eine evangelischer Amtsträger  geladen; flankiert von dem einstigen MDR-Intendanten Udo Reiter - der selbst aufgrund eines Autounfalls seit vielen Jahren im Rollstuhl sitzt - und einem Münchener Chirugiespezialisten.

Es wurde viel lamentiert über die jeweiligen Schicksale von Koch und Reiter, über das Leben danach und die Heilungschancen und hierbei spielte auch der Glaube, Gott und dessen schöpferische Kraft eine gewichtige Rolle. Nicht, dass er bei der Suche nach dem weiteren Sinn des Lebens und einer versuchten Selbstfindung nach einem derartigen Schicksalsschlag, wie ihn eine wohl lebenslange - Querschnittslähmung in der Tat darstellt, auch das irdische Hilfsinstrumentarium vergisst,nein, er hat - nach dem mehr als 10 Millionen Zuschauer seinen spektakulären Unfall am 4. Dezember 2010 live miterleben konnten - sehr schnell registriert, dass die massenhaften Mitleidsbekundungen die Chance für einen Neuanfang bieten.

Unter dem Gesichtspunkt des " Business as usual " vermarkten die Kochs in der Folgezeit das Geschehene. Zunächst wurde aus dem Wettkandidaten mit seiner halsbrecherischen Akrobatennummer eine absolute Person der Zeitgeschichte, denn der Name Samuel Koch war nun über viele Wochen in der Nachrichtenindustrie präsent. Wie geht es ihm? Was macht er denn eigentlich? Ist er schon aus der Klinik raus? So fragt denn auch das Sprachrohr der billig und gerecht Denkenden TV-Gaffer jenseits der werberelevanten Gruppe von 49 Plus, die Springer-Feldhaubitze " BLÖD " - Zeitung. Kochs Schicksal wurde flugs mit der " Wette, dass... " - Sendung und dem inzwischen 60jährigen Jungbrunn-Moderator Thomas Gottschalk verknüpft. Scheitert der Koch so scheitert " Wetten, dass...? " und wird mit der Ikone aller Dauerredner Thomas G. zu Grabe getragen.

Koch scheiterte - vorerst -, Gottschalk ging - endgültig - und das ZDF als Hort des bräsig-biederen Unterhaltungsmülls, musste sich entscheiden, ob es das Flaggschiff nicht gleich mit versenkt. Nun soll´s Lanz, der Kochtopf - und Pfannen-Halbgott machen. Er talkt ja schon seit geraumer Zeit und gilt deshalb bei der CDU-Altherrenriege am Mainzer Lerchenberg als prädestiniert, das große Erbe des Thomas G. würdig auf die Abschussrampe zu führen, von wo der ZDF-Dinosaurier in Richtung Unendlichkeit zwischen Zeit und Raum transportiert werden soll.

Koch´s Manager und treu sorgender, christlicher Vater hat das erkannt und will noch schnell die notwendige Kohle für die kostspieligen Reha-Maßnahmen des einzigen Sohnes eintreiben. So musste der Herr Sohn denn - nach einer angemessenen Zeit der Aufarbeitung des Unfalls - einen Erfahrungsbericht über die Tage, Wochen und Monate nach dem Tag X aufs Papier bringen:

  • Samuel Koch,Christoph Fasel: Christoph:  Samuel Koch – Zwei Leben. adeo Verlag, Aßlar 2012, (Vorwort: Thomas Gottschalk, Nachwort: Michelle Hunziker ).
Dem kritisch betrachtenden Außenstehenden stellt sich dabei unweigerlich die Frage: " Wer braucht dieses Buch? " Sicherlich nicht die selbst von einer Querschnittslähmung betroffenen Mitmenschen. Denn diese Bevölkerungsgruppe hat - oft mit dem eigenen Schicksal hadernd - im täglichen Kampf um die Herstellung von Normalität, die latente Diskriminierung und um gesetzliche Ansprüche gegenüber leistungsrenitenten Versicherungen, genug mit sich selbst zu tun. So schrieb denn ein solcher Internetnutzer in einem der Foren:

"  ich sitze selbst seit 1998 im Rollstuhl nur das meine Lähmung etwa 10 cm tiefer ist als beim Herrn Koch. Die Ärtzte sagten mir damals das 2 Jahre nach dem Unfall eine Möglichkeit bestünde das sich das Rückenmark regeneriert. Geschehen ist in der Zeit kaum etwas. Einen Finger bzw. den linken Daumen konnte ich besser bewegen als nach dem Unfall.
Ich kenne dieses Interview nicht aber so ein gelaber "In diesem Interview entschuldigte sich Samuel Koch, nicht nur bei Thomas Gottschalk, sondern auch bei dem Publikum dafür, dass seinetwegen die sendung abgebrochen wurde" macht mich echt sauer. Er bekommt ja nun schon von aller Welt den Kopf getäschelt nach dem Motto "Du armer Samuel bist ja der einzigste Rollifahrer auf der Welt dem es beschissen geht" aber dann mit solchen Aussagen das Mitleid noch weiter aufsich zu ziehn kann ich nicht verstehen. Aber nochmal zu deiner Frage. Ein Christopher Reeve hat 9 Jahre lang an seiner Rehabilitation gearbeitet und hatte dafür sicher die besten Ärzte und Bedingungen die ein Rollifahrer haben kann. Dennoch hat er es bis zu seinem Tod 2004 nicht geschafft auch nur an Krücken zu gehn. Das allein zeigt das nur ein riesiges Wunder Herrn Koch, mich und tausende andere wieder auf die Beine bringen könnte... "

( Zitatende aus: http://www.wer-weiss-was.de/Anfragen/www_de/archiv/733926/neues-ueber-samuel-koch.html)

Bei aller Pietät, die ein gesunder Mensch einem von der Querschnittslähmung betroffenen, dann Schwerbehinderten, bei der Bewertung seines Schicksals entgegen setzen sollte: Fakt ist doch, dass die Aktion, der Stunt, die Wette hoch riskant war, der Verunglückte und seine Mitstreiter dieses wussten und niemand von Koch verlangt hat, sich dieser Gefahr auszusetzen, zumal es dafür keinen müden Euro gab.
http://www.lieblingsserie.de/serien-news/tv-verdienst-wie-viel-geld-kann-man-bei-casting-shows-und-reality-soaps-verdienen/

Hinzu kommt, dass der Wettkandidat wohl kaum eine Risikoversicherung abgeschlossen hat, die er nun in Anspruch nehmen könnte. Da stellt sich sofort die Frage, wer den kostspieligen Reha-Aufenthalt in der Schweiz bezahlt hat? Das ZDF? Thomas Gottschalk? Der einzelne Versicherte über die Solidargemeinschaft?
Wer einen Blick auf die HP von Samuel Koch wirft, erhält denn auch die Information, dass einige Spenedenaktionen für den Verunglückten angelaufen sind. Wohl bisher mit mäßigem Ergebnis. Bei aller Mitleidsheuchelei; beim Geld hört auch hier das Mitgefühl auf.

Deshalb musste eine PR-Aktion für das Buch von Samuel Koch gestartet werden und da schließt sich der Kreis wieder, denn die alten Netzwerkverbindungen funktionieren in einem solchen Fall immer noch glänzend: Tommy ruft beim Günni wegen einer Talksendung zum Thema " Querschnittslähmung " an, der legt bei den ARD-Verantwortlichen ein Konzept vor und schon sind 60 Minuten für 4.458,-- / Minute unter Dach und Fach. Man kennt sich eben!
Der Erkenntniswert für den Zuschauer aus dieser Sendung tendierte indes gen Null. Einzig der frankofreie Werbefeldzug für das Koch´sche Buch könnte den Sinn dieser Sendung gewesen sein.
Was dann noch der Amtsgläubige in der Quasselrunde zu suchen hat, erschliesst sich dem gelangweilten Glotzer ebenso wenig, wie die Tatsache, dass über sonstige so Verunfallte kaum geredet wurde. Einzig Udo Reiter, der Ex-MDR-Intendant aus Bayern, der mit einer illegal erworbenen " Smtih & Wesson " seinem Leben nach dem Autounfall erst ein Ende setzen wollte, kam - ohne Gottesfürchtigkeit zu zeigen - auf den Punkt: " Jeder ist seines Glückes Schmied! " und " Wer Pech hatte, sollte versuchen aus seiner Lebenssiutaion das beste machen. " Wie wahr, wie wahr. Nur auch diese Plattitüden gehören zum Allgemeingut innerhalb der eigenen Lebenserfahrung.

Bei allem Respekt, Herr Koch: Der Glaube soll zwar Berge versetzen; daran aber zu glauben, fällt indes immer schwerer, weil selbst die Gläubigen den irdischen Gelüsten und Privilegien nicht abgeneigt sind. Dass der medial aufgemotzte Unfall bei " Wetten, dass...?" am Ende noch eine Strafe Gottes gewesen sein könnte, dürfte deshalb völlig abwegig sein, denn;

  • "Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um!" - Jesus Sirach 3, 27





Kommentare

Octapolis hat gesagt…
Erstaunlich finde ich immer, dass so etwas jemand kauft. Mal ehrlich, der Mann hatte kein Bewusstsein mehr und wird also von seinem fatalen Salto nicht viel berichten können. Und alles andere, also sein Leben davor und danach ist ja wohl so was von uninteressant. Wenn hier jeder, der mal was an die Bommel bekommen hat, gleich einen Autorenvertrag erhält, dann guts Nächtle, deutscher Wald!
til_o. hat gesagt…
Welcher Spruch geht den Leuten, die Tag für Tag bei »Rot über die Ampel« latschen, so flott von den Lippen? No Risk, no Fun. Und jetzt ist eben Schluß mit Lustig. Irgendwann erwischt es eben jeden.

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