Detlev Deal vor dem Bundesverfassungsgericht.



(C) Fritz Lüdtke für das Bundesministerium der Finanzen und die Deutsche Post AG bei WIKIPEDIA " Bundesverfassungsgericht "


Das höchste deutsche Gericht residiert bekanntlich in Karlsruhe. Die exakte Adresse lautet:

Schloßbezirk 3
76131 Karlsruhe

Hierhin schaffen es nur Spitzenjuristen, die zudem auch noch partei-politisch coloriert sein sollten. Immer wenn eine besondere Entscheidung in einem eher außergewöhnlichen Verfahren ansteht, trifft sich dort regelmäßig die Medienmeute, um lang und breit über jenen Richterspruch zu berichten. Üblicherweise ist es jedoch still um das Gericht mit seinen zwei Senaten, 6 Kammern und 16 Richtern.

Zu Beginn dieser Woche widmeten die Medien jedoch erneut ihre Aufmerksamkeit an einem Verfahren, bei dem es um die sich längst ausweitende Kultur der Absprache in einem Strafprozess geht.
Was in der Strafprozessordnung eher wertfrei als " Verständigung " bezeichnet wird, in der Praxis dann zu einer " Absprache " zwischen den Verfahrensbeteiligten, nämlich dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung/dem Angeklagten mutiert, heisst in der Umgangssprache schlichtweg " Deal ".

Da jene Absprachepraxis seit vielen Jahrzehnten längst im Strafprozess Platz gegriffen hat, reagierte der Gesetzgeber mit einer Ergänzug der Gesetze in der Strafprozessordnung und fügte deshalb und wohl auch folgerichtig ab dem 29.07.2009 mit Wirkung vom 04.08. 2009 durch das
Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren (VerstStVfÄndG) eben auch § 257 c StPO neu ein, der wie folgt lautet:


§ 257c
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.


(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

Damit hat der Gesetzgeber eigentlich einer längst verbreiteten Praxis der Absprachen innerhalb eines Strafverfahrens Rechnung getragen; wenngleich diese "neue" Vorschrift verfassungsrechtlich bedenklich ist. Das sehen denn auch einige Praktiker so und legten Beschwerde in Karlsruhe ein, die am 7. November in Form von 3 Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht exemplarisch verhandelt wurden. So heißt es in der Pressemitteilung aus Karlsruhe:

" Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am

7. November 2012, 10.00 Uhr,

im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts,

Amtssitz „Waldstadt“,

Rintheimer Querallee 11, 76131 Karlsruhe



über drei Verfassungsbeschwerden gegen strafrechtliche Verurteilungen,

denen jeweils eine Verständigung (umgangssprachlich auch als „Deal“

bezeichnet) zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und dem

jeweiligen Beschwerdeführer als Angeklagtem über das Ergebnis des

Strafverfahrens gemäß § 257c StPO vorausging. Die Verfahrensabsprachen

kamen auf Anregung der Gerichte zustande, die den Beschwerdeführern für

den Fall eines Geständnisses jeweils eine bestimmte Strafobergrenze in

Aussicht gestellt hatten. Die Beschwerdeführer stimmten der Absprache zu

und räumten die angeklagten Vorwürfe - teilweise jedoch nur pauschal und

unter Verweigerung weiterer Angaben - ein. Die Gerichte sprachen sodann

Freiheitsstrafen in Höhe der zugesagten Obergrenzen aus.



Die Zulässigkeit und die Grenzen von Absprachen über das Ergebnis eines

Strafverfahrens werden seit rund 30 Jahren kontrovers diskutiert. Die -

von der Pflicht zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs von Amts

wegen geprägte - Strafprozessordnung sah solche Absprachen zunächst

nicht vor. Das in der Praxis entstandene Institut wurde durch eine

Leitentscheidung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 28.

August 1997 - 4 StR 240/97 - (BGHSt 43, 195) erstmals grundlegend

reglementiert. Der später angerufene Große Senat für Strafsachen des

Bundesgerichtshofs präzisierte die vom 4. Strafsenat aufgestellten

Grundsätze weiter (Beschluss vom 3. März 2005 - GSSt 1/04 -, BGHSt 50,

40), appellierte jedoch an den Gesetzgeber, die Zulässigkeit und,

bejahendenfalls, die wesentlichen rechtlichen Voraussetzungen und

Begrenzungen von Urteilsabsprachen gesetzlich zu regeln. Mit dem am 4.

August 2009 in Kraft getretenen Gesetz zur Regelung der Verständigung im

Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2353) ist der Gesetzgeber

dem nachgekommen.



Den Kern des gesetzlichen Regelungskonzepts bildet § 257c StPO, der dem

Gericht ausdrücklich eine Verständigung über den weiteren Fortgang und

das Ergebnis des Verfahrens in der Hauptverhandlung gestattet, aber auch

die Zulassung solcher Absprachen begrenzt. Hiernach bleibt die

gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) von der Absprache

unberührt, eine Absprache über den Schuldspruch ist untersagt und unter

den Voraussetzungen von § 257c Abs. 4 StPO entfällt die Bindung des

Gerichts an eine solche Verständigung. Über die Voraussetzungen und

Folgen einer Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten

Ergebnis ist der Angeklagte gemäß § 257c Abs. 5 StPO zu belehren.

Flankiert wird § 257c StPO durch weitere Vorschriften in der

Strafprozessordnung, die die Verständigung transparent machen und eine

Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht ermöglichen sollen. So muss

das Hauptverhandlungsprotokoll den wesentlichen Ablauf sowie den Inhalt

einer Verfahrensabsprache enthalten; sofern eine Verständigung nicht

stattgefunden hat, ist auch dies im Protokoll zu vermerken (§ 273 Abs.

1a StPO). Die Erklärung eines Rechtsmittelverzichts nach einer Absprache

ist ausgeschlossen (§ 302 Abs. 1 Satz 2 StPO).



Die Beschwerdeführer in den Verfahren 2 BvR 2628/10 und 2 BvR 2883/10

wurden jeweils wegen vielfachen Anlagebetrugs verurteilt. In beiden

Ausgangsverfahren belehrte die Strafkammer die Beschwerdeführer vor dem

Zustandekommen der Absprache entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen

Regelung nicht über die Möglichkeit eines Wegfalls der Bindungswirkung

für das Gericht. Während sich der Beschwerdeführer des Verfahrens 2 BvR

2628/10 umfangreich zur Sache einließ und auch Fragen des Gerichts

beantwortete, räumten die Beschwerdeführer des Verfahrens 2 BvR 2883/10

die Tatvorwürfe zwar ein, verweigerten aber weitere Angaben zum

Sachverhalt. Im Anschluss an die Geständnisse erfolgten - in

unterschiedlichem Umfang - noch weitere Beweiserhebungen. Der

Bundesgerichtshof verwarf die Revisionen der Beschwerdeführer, soweit

sie auf den Belehrungsmangel gestützt wurden, im Wesentlichen mit der

Erwägung, das jeweilige Urteil beruhe nicht auf dem Belehrungsmangel.



Mit ihren Verfassungsbeschwerden rügen diese Beschwerdeführer

Verletzungen der Selbstbelastungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1

Abs. 1 GG), des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 i. V. m.

Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), des Schuldprinzips (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs.

1 und Art. 20 Abs. 3 GG) sowie - durch die Revisionsentscheidung - von

Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Darüber hinaus greifen

sie mit ihren Verfassungsbeschwerden mittelbar die gesetzliche Regelung

der Verständigung in § 257c StPO an, die ihrer Auffassung nach gegen das

verfassungsrechtliche Schuldprinzip und das Rechtsstaatsgebot verstoße.

Gegenstand der Verfassungsbeschwerdeverfahren ist damit auch die

gesetzliche Regelung selbst.



Der Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 2155/11 wurde wegen schweren

Raubs in zwei Fällen und Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe

von zwei Jahren mit Bewährung verurteilt. Die Taten habe er während der

Dienstausübung als Polizeibeamter gemeinschaftlich mit einem Kollegen

begangen. Das von der Strafkammer unterbreitete Verständigungsangebot

sagte für den Fall eines Geständnisses, das eine Beweisaufnahme

überflüssig mache, und des Unterbleibens von Beweisanträgen zur

Schuldfrage eine Strafobergrenze von zwei Jahren unter Strafaussetzung

zur Bewährung zu. Außerdem teilte die Strafkammer mit, dass ansonsten

mit einer Mindeststrafe von drei Jahren je Raubtat gerechnet werden

müsse, sollten sich die Vorwürfe ohne Abgabe eines Geständnisses nach

einer Beweisaufnahme bestätigen, wobei nach dem Vorbringen des

Beschwerdeführers für diesen Fall eine Gesamtfreiheitsstrafe von

mindestens vier Jahren im Raum gestanden habe. Der Beschwerdeführer und

sein mitangeklagter Kollege stimmten der Verständigung zu und erklärten

sodann vorbehaltlos, der Anklagesatz treffe zu (sog.

„Formalgeständnis“). Die Beantwortung von Fragen verweigerten sie, mit

Ausnahme einer Frage zum Mitführen der Dienstwaffen. Eine weitere

Beweiserhebung erfolgte nicht. Nach der Verurteilung widerriefen der

Beschwerdeführer und der Mitangeklagte die Geständnisse, weil sie zuvor

unzulässig unter Druck gesetzt worden seien.



Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer einen Verstoß

gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 i. V. m. Art. 2

Abs. 2 Satz 2 GG). Mit den in Aussicht gestellten Alternativstrafen von

zwei Jahren mit Bewährung bei einem Geständnis und von mindestens vier

Jahren ohne Geständnis sei unzulässig Druck auf ihn ausgeübt worden

(sog. „Sanktionsschere“). Außerdem beanstandet der Beschwerdeführer

einen Verstoß gegen die richterliche Aufklärungspflicht. Die Strafkammer

habe sich nicht mit einem bloßen absprachebedingten Formalgeständnis

zufrieden geben dürfen, da dieses aus sich heraus keinen Aufschluss über

seinen Wahrheitsgehalt zugelassen habe. Bereits diese Verletzung der

richterlichen Aufklärungspflicht begründe den Verfassungsverstoß. In

diesem Zusammenhang rügt er mit Bezug auf die Revisionsentscheidung

ferner einen Verstoß gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes durch

Überspannung der Anforderungen an die Revisionsbegründung.



Der Senat hat Herrn Prof. Dr. Altenhain, Heinrich-Heine-Universität

Düsseldorf, beauftragt, eine empirische Studie zur Praxis der

Verständigung im Strafverfahren durchzuführen. Außerdem hat der Senat

den Präsidenten des Bundesgerichtshofs sowie den Generalbundesanwalt als

Sachverständige zur mündlichen Verhandlung geladen und wird in der

Verhandlung Richtern der Instanzgerichte sowie Vertretern des Deutschen

Richterbundes, der Neuen Richtervereinigung, der

Bundesrechtsanwaltskammer und des Deutschen Anwaltvereins Gelegenheit

zur Äußerung geben. "


- Zitatende - aus: http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg12-071

Nun, für alle Nichtjuristen könnten die Fachtermini wie ein Böhmisches Dorf klingen, wenngleich es aber um ein alltägliches, profanes Reglement geht, dessen sich die Strafjustiz bedient, um nicht den Kollaps zu erleiden, den ihr jene komplizierten und manchmal überlangen Verfahren beifügen könnten: der Absprache in einem Strafprozess. Je komplexer die Sachverhalte, je komplizierter die Rechtsmaterie, desto eher sind viele Gerichte geneigt, einen " Kuhhandel " einzugehen. Wie dieser aussieht, ist oben - sicherlich für den juristischen Laien kaum verständlich - schon beschrieben worden. Wenn der/ die Angeklagte/n ein Geständnis oder Teilgeständnis ablegen, wird das Gericht - natürlich mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft - eine bestimmte Strafe aussprechen oder bereits vorher einen ungefähren Strafrahmen fest legen. Dafür verzichtet die Angeklagtenseite bzw. die Verteidigung auf mögliche Rechtsmittel ( Berufung, Revision, Sprungerevision ).

Diese Verfahrensweise spart Zeit und Geld und kostet den Beteiligten weniger Nerven. Solche " Deals " kommen indes nicht bei sämtlichen Strafprozessen zum Tragen. Wer kriminelle Energie auf dem Gebiet der Wirtschaftsdeliquenz entfaltet, darf eher mit einem Strafrabatt in der Form des " Deals " rechnen, als beispielsweise ein betrunkener LKW - Fahrer, der mit 1,09 Promille BAK abgefasst wird und dessen " Lappen " sowie sein Job in Gefahr ist. Auch Ladendiebe, Schwarzfahrer oder auch " HARTZ IV " - Betrüger partizipieren von jenem Absprachemöglichkeiten kaum oder gar nicht. Sie trifft in der Regel der harte Knüppel des Gesetzes.

Anders verfährt Justitia mit den notorischen Wirtschaftskriminellen, wie Steuerhinterziehern, Subventionsbetrügern oder Deliquenten auf ähnlichen Betätigungsfeldern. Sie können - wenn sie denn ein geschickt agierenden Verteidiger zur Seite stehen haben, der das Gericht mit Anträgen zupflastert - durchaus mit einem milden Urteil rechnen. Sofern sie bereit sind, ihr kriminelles Verhalten einzuräumen. So gilt das " Dealen " vor Gericht vornehmlich der Beschleunigung jener Großverfahren, die sich anderenfalls über viele Monate, ja sogra Jahre hinziehen könnten und deren Ende manchmal einem Lotteriespiel gleich kommt.

Völlig zutreffend kann der kritische Jurist zu diesem Thema fest stellen, dass jene " Einigungsmöglichkeiten ", dieser " handel " mit dem Recht und dem eigentlichen klaren Gesetzes auch einen faden Beigeschmack hat, denn es könnte auch hier nach " Klassenjustiz " aussehen, weil nämlich jene Angeklagten, die ordentlich Kohle in der Tasche haben, sich jene Verteidiger kaufen können, die sich auf das " Dealen " eingespielt haben. Manchmal beglückt aber " Detlev Deal " auf eine " arme Sau " mit Migrationshintergrund; dann nämlich, wenn der Vorsitzende eigentlich auf das Verfahren keinen Bock hat, lieber Tennis spielen möchte oder einfach mit seinem Dezernat abgesoffen ist. Justitia ist in solchen Fällen sogar parteiisch und nicht blind.











Kommentare

til_o. hat gesagt…
Zu den Zeiten des ultraharten DDR-Strafrechts hätten sich zwei Polizisten, denen zwei gemeinsam begangene Straftaten unter Mitführung ihrer Dienstwaffe nachgewiesen worden wären, im finstersten Keller die der Strafvollzug zu bieten hatte wiedergefunden. Minimum 10 Jahre und nach oben offen. Die Verhandlung dazu hätte auch nicht länger als 20 Minuten gedauert.

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