Als das " Minchen " wieder auflebte.



Das Leben in der nicht so platten, weil durch das Weserbergland geprägten, Provinz im süd - westlichen Niedersachsen war einst beschaulich. Nicht nur, dass hier ab 22.00 Uhr die Bürgersteige hoch geklappt wurden, nein, auch die Freizeitmöglichkeiten der dortigen Bewohner hatten einen sehr engen Horizont. Neben diversen Vereinen, diversen Dorf - und Stadtfesten, gab es ohne einen fahrbaren Untersatz nichts, was in akzeptabler Weise irgendwie erreichbar war. Die Verbindungen durch öffentliche Verkehrsmittel in die nächst größere Stadt, wie Minden, Bielefeld oder so gar Hannover, brachten manchmal einen Hauch von Abenteuer mit sich. Zwar gab es regelmäßige Bahnverbindungen - auch an den Wochenenden -, jedoch stellte sich hierbei die unbeantwortete Frage, wie zum Bahnhof nach Bückeburg, Minden oder Stadthagen hin kommen?

Mit diesen, vormals existenziellen Problemen, beschäftigte sich so manche Landpommeranze und viele Jungdorfmänner, deren Bestreben es natürlich - auch - war, sich dem jeweils anderen Geschlecht erfolgreich zu nähern, um eine Partnerschaft aufzubauen. Mangels Möglichkeiten blieb denn nur der elterlich Ersatzfahrdienst, der jedoch nicht ständig präsent sein konnte, da diese an den Wochenenden selbst Abwechselung vom tristen Berufsalltag suchte. Da blieb denn nur noch die Suche nach einer Mitfahrmöglichkeit, wenn denn ein Bekannter über 18 Jahre, der einen Führerschein besaß, seinen Karren voll stopfen wollte. Manchmal fuhren wir zu sechst; die ganz schlanken wurden nach hinten eingepfercht.

Aus dieser, eher öden Zeit, konnte ich mich dann ab Dezember 1972 verabschieden. Nach der absolvierten Führerscheinprüfung legte ich mir von meiner Besoldung beim Barras einen R 4, wein - rot, 26 PS und mit einer 6 Volt - Elektroanlage zu. Ein Unikum, dass leider technische Mängel aufwies. Dennoch: Es war wie ein Befreiungsschlag beim Eishockey; endlich mobil, endlich auf keinen Fahrer angewiesen, endlich freie Fahrt zu den Diskos und Kneipen von einst.

Und zu einer dieser Kneipen, die meine Bekannten und ich vormals aufsuchten, gehörte der einstige Ostbahnhof in Bückeburg. Jenes nach der Stilllegung der Eisenbahnstrecke von Bad Eilsen nach Bückeburg ( Hauptbahnhof, dann weiter bis Minden / Klus ) am 21. 05. 1966 ( 30. 06. 1966 ), zunächst langsam verrottete.

http://de.wikipedia.org/wiki/Bad_Eilsener_Kleinbahn

http://www.52gradnord.de/Eilser_Minchen.html

http://www.eisenbahn-tunnelportale.de/lb/inhalt/tunnelportale/i1402.html

http://www.ahnsen-schaumburg.de/historie/Chronik17h.pdf

Nach der völlig überraschenden Einstellung des Personenverkehrs auf dieser Strecke, verblieb das Bückeburger Ostbahnhofsgebäude noch im Eigentum der Streckenbetreiber, ehe er dann vor mehr als 40 Jahren an einen einstigen Schüler der Privatschulen " Dr. Blindow " in Bückeburg zur Nutzung übergeben wurde.
Der war clever genug und sanierte das verfallene Gebäude, eröffnete am 10. August 1973 eine Gaststätte mit dem sinnlichen Namen " Minchen " als Hommage an den vormals dort verkehrenden Triebwagen, in dem auch ich viele Male von Bad Eilsen nach Bückeburg gezuckelt bin.

So gehörte die Kneipe alsbald zu den regelmäßigen Treffs der Jugend im Landkreis Schaumburg. Dank der vielen " Blindow " - Schüler, die später dort auch regelmäßig verkehrten, musste der Gast dann schon rechtzeitig, dass hieß spätestens ab 20. 00 Uhr dort auftauchen, um noch einen Tisch oder Sitzplatz zu bekommen. Meistens interessierte uns dieses aber nicht, denn wir trafen uns dort eher zu " Kickern " an einem Tischfußball im Nebenraum. Das " Minchen " blieb über mehr als 3 Jahre unser beliebtester Treffpunkt. Vielleicht auch deshalb, weil neben der " Destille ", die von dem angeblichen Konkurrenten des " Minchen " - Betreibers mit dem Spitznamen " Motz " ( ebenfalls einem einstigen " Blindow " - Schüler ) und dem " Treppchen ", einem kleinen Lokal, dass im Keller einer weiteren, darüber liegenden Gaststätte, eingerichtet war, keine großartigen Lokalitäten für Jugendliche und jüngeres Publikum existierten.

Das " Minchen " war an jenen Tagen unser Treffpunkt, an denen wir nicht nach " Kanbach " in Münchehagen fuhren, um dort bessere Musik zu hören. Was nämlich im " Minchen " - mehr oder weniger als Hintergrundbeschallung lief - war eher bieder. Abgesehen von einigen Tresenkräften, die dann im Anflug des Wahnsinns auf die Idee kamen, die LP von Hannes Wader " 7 Lieder " voll durchzuspielen.
Montag, Dienstag, Donnerstag und manchmal Mittwoch wurde im " Minchen " dann gekickert, " Guiness " getrunken oder eine Kleinigkeit gegessen.

Das Kneipenpublikum von damals war gemischt. Neben einigen Mitschülern von mir, besuchten auch viele Gymnasiasten des " Adolfinum " in Bückeburg das Lokal. So liefen bärtige, langhaarige, biedere JUler oder andere Spießer dort auf, verzehrten für einige Mark etwas und fuhren nach spätestens 2 Stunden wieder fort, während wir immer noch am Kicker standen und unser Vergnügen hatten.

Ab Dezember 1976 ließ mein Interesse am " Minchen " nach. Ich studierte in Wilhelmshaven, dann in Bremen BWL und kannte dort andere, wesentlich interessantere Lokale. Als ich viele Jahre später, längst geschieden und als Anwalt praktizierend mit meinem Neffen das Lokal aufsuchte, galt noch kein Rauchverbot. Wir kamen deshalb gegen 21.00 Uhr in ein stickiges, brechend volles Lokal, in dem wir nur an der Theke noch einen Platz ergattern konnten. Es war zudem viel zu laut dort, so dass eine Unterhaltung kaum möglich war.

Nach einer Stunde und zwei alkoholfreien Getränken verließen wir das " Minchen ". Die dortigen Mitarbeiter hatten uns wohl die ganze Zeit über argwöhnisch fixiert und beobachtet. Ich zahlte die Zeche bei einer Tresenkraft und begab mich mit meinem Neffen aus dem verqualmten, lauten, proppe vollen " Minchen ", um zum PKW, den ich gegenüber dem Lokal geparkt hatte, zu gelangen, als plötzlich ein, im schwarzen Outfit mit beschrifteter " Minchen " - Schürze, hinter uns her laufender Mitarbeiter, rief: " Habt ihr eure Getränke bezahlt? "
Langsam drehte ich mich um und blaffte zurück: " Wieso? Ja, natürlich! "
Er antwortete daraufhin: " Bei wem denn? "
" Am Tresen, wo sonst? Ihr solltet lieber mal die Fenster aufmachen, dass hält bei euch keiner aus, bei dem Qualm. ", entgegnete ich ihm sehr ungehalten.

Der Mitarbeiter drehte sich dann um und entschwand ohne sich zu entschuldigen. " So ein A...l...!", dachte ich mir und erinnerte mich an jene Zeit vor nahezu 28 Jahren, als wir dort quasi Stammgäste waren. Nö, das war nicht mehr meine Welt, nicht mehr das " Minchen " von einst.


Wir werden eben alle älter und das ist gut so!






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