" Kommen Sie aus Bremen? "
Als ich vor annähernd 12 Jahren meine erste Fahrt in einem bereits altersschwachen Mazda 626 Kombi Diesel von Bad Eilsen in Richtung Dresden antrat, hatte ich an jedem frühen Nachmittag einen vollen Rank, jedoch ein leeres Portemonnaie. Um es exakt zu beziffern, in der abgewetzten Leder - Gesäßtasche befanden sich noch sage und schreibe, 26, 40 EUR. Zu wenig zum Sterben, zu viel um Zurückzukehren. Nach einer wahren Odyssee auf der A 4 gelangte ich schließlich zu meinem Zielort. Nun, ja, die weitere Entwicklung ist bekannt: Ich wurde Dresdner.
Als ich heute Vormittag bei dem " toom " - Baumarkt an der " Kesselsdorfer Straße in meiner neuen Heimatstadt eine weitere Fuhre von 21 ( ! ) Sack Rindenmulch in das jetzige Gefährt, einen schicken Mazda 6 mit der doppelten PS - Zahl von einst und sonstigem Schnickschnack, im Schnelllauf vor dem Eingangsbereich des Gebäudes einlud, erkannte ich bei Einfahren in den Parkbereich, einen uralten VW Golf mit einem solchen HB - Kennzeichen, wie ich es damals auch erhalten hatte.
Der " Golf " hatte mindestens das Doppelte an Lebensjahren auf dem Buckel, wie es einst mein Mazda 626 Kombi Diesel vorweisen konnte. Der war 9 Jahre alt und zeigte 180.000 Kilometer auf dem Tacho. Der VW Golf mit dem Bremer - Autokennzeichen hatte mindestens 20 Jahre auf der Karosse und bestimmt soviel Kilometer. So fuhr ich in meinem eleganten, styligen Mazda 6 Kombi Diesel an jenem klapprigen VW Golf vorbei und parkte einige Meter weiter.
Dynamischen Schrittes passierte ich den Uralt - VW und auch die beiden älteren Herren, die sich ein Eis schmecken ließen. Sie standen dort, seelenruhig an ihrem Gefährt und lutschten und schleckten an dem Eis herum. Ich wusste ja genau, dass die beiden Alten aus der Freien und Hansestadt Bremen kommen mussten. Doch auch Bremerhaven gehört verwaltungsorganisatorisch zu Bremen. Beide Städte bilden das Bundesland Bremen.
Nachdem ich die Fuhre Rindenmulch an der Kasse bezahlt hatte und dabei von dem Sonderangebot von 3 Sack a´ 40 l zu 5,29 € Nutzen ziehen konnte, verließ ich eiligst den Baumarkt - in der Hoffnung, das meine Bremer Freunde noch vor den Paletten mit der Angebots - Blumenerde und auch dem Rindenmulch an ihren klapprigen VW Golf stehen würden. Tatsächlich: Sie standen noch dort und schleckten ihr Stieleis. Sie " Noggerten ", wie es vormals, als die Wiedervereinigung noch in weiter Ferne war, in der westdeutschen Verblödungswerbung hieß. Wohlan, ich startete meine High Tech - Maschine mittel Knopfdrucks und ließ das schwarze Gefährt lässig steuernd, an dem bedauernswert aussehenden Uralt - Golf vorbei schnurren.
Elegant und in einem lässigem Schwung verließ ich meinen Mazda - High Tech - Packesel und öffnete den Kofferrau,. Die beiden älteren Herren hatten natürlich längst zur Kenntnis genommen, dass an der Heckklappe, eine " Werder " - Raute mit dem weißen " W " prangte. Um aber ganz sicher zu gehen, fragte ich in einem weltmännischen Unterton: " Kommen Sie aus Bremen ". Die Antwort lautete - wie von mir erwartet - natürlich " Ja ".
" Schauen Sie mal! ", bat ich die beiden Herren und ließ die Heckklappe wieder erneut herunter gleiten. Ich pochte auf mein " Werder " - Aufkleber. " Ja, haben wir schon geshen, Werder Bremen, " Dann folgte gleich die mir selbstverständlich geläufige Einschränkung: " Die waren ja mal besser. "
Meine Antwort lautete, wie aus der Pistole geschossen: " Ja, da war ich noch in Bremen. " Die Gesichter der beiden Männer erhellten sich zusehends.
Der Fahrer des Klapper - Golfs erklärte mir sodann: " Ich bin ja nicht der ausgesprochene Fußballfan, aber ich hatte mal einen Arbeitskollegen. Wenn der Montags kam, konnte ich an seinem Gesicht genau erkennen, wie Werder gespielt hatte. " Ich lachte und sagte nur kurz: " Ja, das kann ich mir denken. "
Eigentlich wäre die richtige Antwort gewesen: " Ja, meistens hatte er ein sehr freundlichen Gesichtsausdruck, weil Werder zu Hause immer gewann. ".
Dann aber fragte ich die beiden älteren herren, während ich schwungvoll einen Sack Rindenmulch nach dem anderen in den riesigen Kofferraum meines geliebten Mazda verstaute: " Was machen Sie jetzt hier? Arbeiten Sie hier? "
" Nein, das nicht. ", sagte mir der Golf - Fahrer, während er seinen Mitfahrer zeigte, dass er noch einige Sack Blumenerde aus dem Angebot in den Kofferraum des Golf hinein zu legen hätte. Der Gesprächspartner schien mir ein wenig intelligenter zu sein, als sein Mitfahrer. Dennoch nicht clever genug, um mir den wahren Grund seines Aufenthalts in der sächsischen Landeshauptstadt verschleiern zu können. Beide Männer erkannte ich als Rentner. Sie waren wohl längst an die 70 Jahre und werden wohl - vermutlich - sich durch Gartenarbeiten ein Zubrot zu den - vielleicht - zu geringen Rente verdient haben. Sie luden die Blumenerde - auch so um die 10 Sack - ein, weil sie einen Arbeitsauftrag zu erfüllen hatten. Diese Vermutung verstärkte sich mir, durch das Tragen von hell - brauen Arbeitsanzügen, wie ich sie vor langer Zeit von Klienten her kannte, die bei der Firma " Vitakraft " in Bremen tätig waren.
Die Freie und Hansestadt Bremen ist seit vielen, vielen Jahren eines der ärmsten Bundesländer. das war zwar nicht immer so, doch die wirtschaftliche Entwicklung hat sie zu einem Armenhaus Deutschlands gemacht. Es werden zwar wesentlich höhere Löhne als in Sachsen gezahlt, dennoch gibt es immens viele Bezieher von Sozialtransfers in beiden Städten des Bundeslandes. Arm zu sein ist oft mit Diskriminierung verbunden. Deshalb können sich Arme nicht viel leisten. Keinen Urlaub, keine Wohnung , keine Kultur. Die beiden Bremer Rentner haben in Dresden wohl deshalb einen Zusatzverdienst gesucht, um ihre schmale Rente aufzubessern.
Der " Nicht - Fußball - Fan " wollte es mir jedoch nicht sagen.
Musste er auch nciht, denn mir war es auch so längst bekannt.
" Kommen Sie aus Bremen? ", sol lautete eingangs meine Frage. Die Antwort hätte lauten können: " Ja, um in Dresden meine kleine Rente durch Arbeit aufzubessern. "
Das ist die Realität im Jahr 2016.
Gut´s Nächtle, mit :
Tony Joe White und " Closer To The Truth ":
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