Ödipus auf dem Lande oder: Wenn Männer nicht ausziehen wollen.
Der Film " Die zweite Frau " wurde bereits 2007 gedreht, kam erstmalig am 21.11.2008 bei dem deutsch-französischen Gemeinschaftssender ARTE zur Ausstrahlung und wurde über einen halbes Jahr später, nämlich am 24. 06. 2009 zur Hauptsendezeit ab 20.15 Uhr bei der ARD im Ersten Programm quasi wiederholt.
Warum zwischen der Erstsendung und der Wiederholung im ARD-Hauptprogramm eine derart lange Zeitspanne liegt, wird wohl das Geheimnis der Programmverantwortlichen bleiben. Der Film wäre es alle male wert gewesen, ihn zeitnah nach der Erstausstrahlung einem breiteren Publikum zu zeigen. Wie bei so vielen anderen Ungereimtheiten in der Programmpolitik der Öffentlich Rechtlichen ist auch hier ein Grund für eine verspätete Wiederholung des Films nicht erkennbar.
Egal, ich habe mir den Film ein zweites Mal angesehen.
Es hat sich gelohnt, denn die Hauptakteuere in dem tiefgründigen Beziehungsdrama spielen exzellent.
Als da wären:
Monika Bleibtreu als Mutter
Mathias Brandt als Sohn
Maria Popistasu als Iryna
sowie die weiteren Darsteller:
Sven Pippig, Maia Morgenstern, Nikolaus Paryla
Regie führt:
Hans Steinbichler
Die Handlung spielt sich zunächst in einer abgewirtschafteten Tankstelle mit dem Flair der späten 60er Jahre ab, die von der Mutter, ihrem Sohn und einem Kfz-Schlosser betrieben wird. Tief in der finstersten Pampa irgendwo in der BRD - ich vermute im hessischen, ehemaligen Grenzgebiet zu Thüringen - lebt der knapp über 40 jährige Sohn immer noch mit Mutti zusammen. Er interessiert sich allenfalls für seine Fische in einem großzügig angelegten Aquarium, lässt sich von Mutti bekochen und wird von ihr in der Badewanne von Öl und Benzingeruch mittels Wurzelbürste befreit.
Sein Liebesleben ist gleich Null, zumal in der Walachei keine Frauenbekanntschaften möglich werden.
Obwohl landschaftlich durchaus reizvoll gelegen, befindet sich die antike Tankstelle abseits von einer Bundesstraße und wird nur von zufällig vorbeifahrenden PKW frequentiert. Der Umsatz ist daher mau.
So, wie das Leben von Mutter und Sohn auch.
Eines Tages beschließt der Sohn nach Rumänien zu fliegen, um dort über eine zuvor kontaktierte Partneragentur eine Frau kennenzulernen.
Gesagt, getan. Das Muttersöhnchen trifft sich sehr schnell mit der Vermittlerin und lässt sich einige Aspirantinnen vorstellen. Während die Eine sich ziert, seinen kleinen Präsentkorb anzunehmen ( " Ceausesco ist bereits lange tod! " ), sind die weiteren Kadidatinnen eher mäuschenhaft und bieder. Der umständlich agierende Brautsuchende treibt die Maklerin alsbald zum Wahnsinn. Dann geht er - unverrichteter Dinge, weil die noch in Betracht kommende Iryna zu spät kommt. In der letzten Minute sieht er, wie Iryna sich entschuldigend in das Lokal zu der Partnervermittlerin stürzt. Er geht zurück und es entsteht ein kurzes Gespräch, da die Rumänin sogar deutsch spricht.
Iryna fährt mit ihm in seine provinzielle Heimat nach Deutschland. Es kommt, wie es in einer solchen Beziehungskonstellation fast immer der Fall ist - zu diversen Spannungen zwischen Braut und Schwiegermutter. Iryna wehrt sich gegen das dominante Auftreten der Mutter und siegt mit ihrer Gewitzheit über derer - von Eifersüchteleien - getriebenen Verhalten.
Das Paar heiratet. Er ist bis dato Jungmann geblieben und kann seine sexuelle Verklemmtheit immer noch nicht ablegen.Zwischen den Frischvermählten treten die ersten Beziehungskonflikte auf.
Der Film zeigt sie inmitten der abgelegenen Gegend, weit weg von der eigentlichen Zivilisation und in einem Umfeld aus einer längst untergegangenen Epoche - der Wirtschaftswunderjahren.
Das Paar quält sich, und der Zuschauer wird das dumpfe Gefühl nicht los, dass die Trennung alsbald naht. Bis eines Morgens die Mutter - genial gespielt von der leider viel zu früh verstorbenen Monika Bleibtreu - ohnmächtig auf dem Rasen zwischen die weißen Bettlaken auf der altertümlichen Wäscheleine - liegt. Die Kontrahenten sind geschockt; vor allem dann, als die Diagnose Hirntumor feststeht. Der Mutter bleiben nur noch wenige Wochen bis zu ihrem Tod. Als sie dann im Spätsommer des selben Jahres stirbt, bricht für den Sohn eine Welt zusammen. Der überragend charakterisierend Mathias Brandt - der älteste Sohn des Ex-Bundeskanzlers Willy Brandt und der damaligen Frau Rut - zerfliesst in tiefer Trauer. Doch dann lebt eer - getrieben von seiner rumänischen Gattin - völlig neu auf. Das Paar überspielt den Verlust der einst dominanten Mutter. Der Sohn legt sukzessive den Ödipus-Komplex ab. Er reißt sich die alten Kleider vom Leibe und er geniest die Zweisamkeit mit seiner Lebenspartnerin - bis die eines nachts verschwindet.
Auf der verzweifelten Suche nach ihr in deren Heimatland Rumänien muss er sich mit allen Tricks die Informationen über seine Frau erkaufen - von der er eigentlich nichts weiß. Dass er sie liebt, dass er eifersüchtig über sie wacht, zeigte der Film bereits, als er anlässlich einer Feier in der kleinen Tankstelle fast ausrastet, weil sie etwas freizügig mit einem Landsmann tanzt. Er gräbt sich an ihre Vergangenheit heran und erfährt, dass sie in einer witzigen Plattenbauwohnung in Bukarest wohnt. Er trifft sie allerdings während ihrer Arbeit in einer Geflügelmastfabrik und stellt sie zur Rede. Der Grund für ihre plötzliche Heimkehr kommt dann nicht gerade überraschend zu Tage: sie hatte kein Heimweh, sondern eine minderjährige Tochter aus einer vorherigen Beziehung. Sie stellt sie ihm vor. Er reagiert warmherzig und als beide dann in ihre Wohnung gehen, wird klar, dass der einstige Muttersohn erwachsen geworden ist, denn er akzeptiert die Tochter und übernimmt damit auf gleichzeitig Verantwortung.
Ein Film mit Anspruch und zum Nachdenken, der sich durch drei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, die überragend dargestellt werden, auszeichnet. Sehenswert! Auch in einer dritten Wiederholung.
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