" Help, I'm down! ", und wie sich meine erste Single auf dem Plattenwechsel der Eltern drehte.
Die nicht enden wollenden Lobhudel-Sendungen, die Festivitäten zum 60. Geburtstag der alten BRD, zum 20. Jahrestag der friedlichen Revolution im einstigen Bruder/Schwesterstaat DDR, gehen mir zwar jetzt so langsam auf den Kranz, dennoch habe ich heute - eher zufällig - in die Wiederholung der Maischberg'schen Serie " 60 X Deutschland " herein gesehen und wurde mit den Jahren 1965 und 1966 konfrontiert.
Aus der losen Bildabfolge zu dem Jahr 1965 wurden mir einige Sequenzen in Erinnerung gerufen, die - obwohl schon vielfach in den Medien gezeigt - auch meine Schulzeit betrafen. Da war die erste Sendung des " Beat Club " mit Uschi Nerke. Da war der Auftritt der " Stones " in Berlin, dass in einem Chaos endete und über den die Hetzpresse in der damals geteilten Stadt sich die Finger wund schrieb. Das Pendant der " Rolling Stones ", die Beatmusiker schlechthin, die Übergruppe der späteren Jahre, die " Beatles " zeigten sich - einem Flugzeug entsteigend - dann eher bürgerlich in einem Einheitsanzug. Wenn da nicht diese Pilzkopf-Frisuren gewesen wären, die an einen handelsüblichen Wischmopp der Marke " Vileda " erinnerten. Die " BRAVO " offerierte - natürlich verkaufsfördernd und für 60 Pfennig, nicht immer erschwinglich - ihren " Starschnitt " von jener Formation aus Liverpool, die einst in den frühen 60er im Hamburger " Starclub " aufspielen durften, um dort nicht zu verhungern.
Die Story um jene Beatgruppe ist hinlänglich bekannt. Mich hat sie - ehrlich gesagt - nie so richtig interessiert. Hätten die Medien über viele Jahrzehnte nicht ständig über jeden Pups der einstigen Beatformation bis ins kleinste Detail berichtet, ich hätte mich nicht einmal an die Gründungsmitglieder erinnern können. Auch deren eigentliche Namen wären mir wohl im Verborgenen geblieben. Für mich waren " The Beatles " einfach nur : George Harrison, John Lennon, Paul Mc Cartney und Ringo Starr. Dass zuvor ein Pete Best und Stu Sutcliffe in deren Vorläufergruppen mitspielten, war mir so etwas von egal. Während einige meiner Mitschüler noch heftig darüber diskutierten, ob es deshalb 6 oder nur 4 " Beatles " gab, sich die Haare entsprechend ihren Vorbildern zum berühmten Pilzkopf wachsen ließen, dazu die Slop - oder Shakehosen trugen und sogar - mutig,mutig - schwarze Stiefelletten trugen ( die kosteten bereits über 60 Deutsche Mark; ein Vermögen also ), interessierte ich mich nur für deren Musik.
In der Klasse 5 a der " Herder - Mittelschule " in Bückeburg war die Hälfte männlichen, die andere Hälfte weiblichen Geschlechts. Letztere galten in Bezug auf Musikeinstellungen als nicht relevant, so dass die verbleibende Gruppe nur daran zu messen war, ob es sich um einen " Beatles " - oder einen " Stones " - Fan handelt. Genauso überschaubar aber waren die Musiktitel in der damaligen Zeit. Die beiden hier Genannten gehörten selbstverständlich zu dem absoluten " Muß " eines jeden Beatfan. Ebenso waren dabei: The Who, The Small Faces, The Move, The Hermans Hermits, The Spencer Davis Group, Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich, The Troggs,The Creation, The Monkees, um nur einige Formationen zu nennen. Daneben gab es aber auch Solisten oder Duos, wie Tom Jones, Chris Andrews, Whistling Jack Smith,Ike & Tina Tuner, Michel Polnareff, Sandie Shaw, Ester & Abi Ofrahim,usw. Jene Garde an einstigen Beat-Interpreten wurde alsbald immer größer, das Karussell des Kommerzes drehte sich dabei immer schneller. Die Szene wurde unübersichtlicher.
Nun, es waren etwas mehr als zwei Wochen seit meinem 12. Geburtstag vergangen. Neben einigen Sachgeschenken hatte ich auch 5 ( Fünf ) Deutsche Mark erhalten. Von meinem Cousin Otthard, der bereits über 15 Jahre alt war und sich in der Musikszene auskannte. Hierfür sollte ich mir eine Platte, eine Single eben, kaufen. So fuhr ich eines Samstagsvormittags mit meinem Bruder und meiner Mutter nach Bückeburg zu einem kleinen Radio-und Fernsehfachgeschäft in der Langen Straße, dass genau neben dem Residenz- Kino, seine Verkaufsfläche hatte. Ich musste zwei Steintreppen hoch gehen, dann konnte ich die einfache Ladentür, die mit einer Schelle verbunden war, öffnen. Ein Verkäufer im blauen Kittel gelangte hinter dem Tresen und fragte freundlich: " Bitte schön." Nach einem Herumdrucksen gab ich ihm kleinlaut zu verstehen, dass ich die neue Single der " Beatles kaufen möchte. Er verstand sofort, langte in ein Regal neben dem Tresen und öffnete die Hülle, aus der er die " Odeon "-Vinyl-Scheibe heraus zog. " Möchtest Du sie hören?", war seine weitere Frage. Ich nickte verlegen. Er betätigte eine Musikanalage und den dazu gehörigen Plattenspieler und mir nichts, dir nichts, dröhte es aus zwei Lautsprechern:
" Help! I need somebody! Help! " Stolz, wie Oskar stand ich in der Mitte des Ladens und hörte die neuste Single der " Beatles ". Ich gehörte nun dazu, nach dem ich hierfür 4, 25 DM berappt hatte, eine entsprechende kleine Plastiktüte dafür mit bekam und den Laden wieder verließ. Zu Hause angekommen, konnte ich die Single jedoch nur dann abspielen, wenn meine oder besser unsere Eltern nicht da waren. " Ist das ein Gejaule!", klang es sonst vorwurfsvoll.
Nun, die Jahre vergingen, aus der " Beatles "-Single wurden fast 150 weitere Vinyl-Scheiben mit 45 Umdrehungen je Minute. Die Musikszene boomte, die Industrie verdiente, die Platten wurden allerdings nicht billiger, sondern, das Gegenteil war der Fall. Die 45er-Scheiben steigen auf 4,75 DM, die LPs auf 23 DM. Wahnsinnspreise für ein wenig Freiheit, ein bißchen Abwechselung und das winzige Ausleben des Dazugehörigkeitsgefühls. Dennoch: " Help! " und die fetzige B-Seite " I'm down " brannten sich für einige Zeit in meine Freizeit- und Parallellwelt hinein. Die " Beatles " ließen die erste Beatplatte auf der Nordmende-Musiktruhe meiner Eltern abspielen, zwar nur indirekt, aber ich war ja im tiefsten Herzen eher " Stones "-Fan. Eben deshalb, auch " Help! "
Kommentare
2. So schön, wie es ist, dieser Hype um 20 Jahre Wende ist schon leicht überzogen. Da geht so sachte auch eine gewisse Mythenbildung los. Hoffentlich verhört Guido "ich kannte den Führer persönlich und habe mit Eva Braun rumgeschweinert" Knopp noch rechtzeitig alle Zeitzeugen... ;-)
3. In deinem Profil steht Dresden, bist du aber Original Niedersachse? (wenn man das indiskreterweise fragen darf)
4. Schönen Restsonntag noch!
Für viele "Oldtimer " stellten sie die Musikgruppe schlechthin dar.
Allerdings haben die " Stones " sie nicht nur musikalisch längst überholt.
Zu Deiner Frage: In der Tat, ich bin Zugereister aus dem Weserbergland stammend, in Bremen fast 25 Jahre lang wohnend, lebend, arbeitend, hatś mich an die Elbe verschlagen.