Tarragona: Wenn der Sommerurlaub in einem Albtraum endet.
Das Privat-Fernsehen kann getrost als ein nicht unbedingt notwendiger Bestandteil der Medienfreiheit, wie er unter Artikel 5 des Grundgesetzes ( GG ) zu erfassen wäre, betrachtet werden. Neben unerträglichen Gedöns, wie den Daily Soaps, den Gerichtsshows oder den nicht enden wollenden
Kochshows,gelingt es den privaten TV-Anstalten um RTL, SAT 1, Pro 7 oder wie sie alle noch heißen mögen, dennoch hin und wieder einen programmlichen Volltreffer zu landen.
" Das Wunder von Legende " war so einer, auch " Die Flut " konnte sich in die Reihe der gelungenen Eigenproduktionen einfügen.
Gleiches gilt auch für den 2-Teiler " Tarragona ", den RT L vor einigen Wochen wiederholt hat und der dennoch sehenswert war.
Der Fernsehfilm basiert auf einer wahren Begebenheit, die mittlerweile 31 Jahre zurück liegt und sich am 11. Juli des Jahres 1978 in Spanien ereignet hat. Damals galt die spanische Mittelmeerküste bereits als touristisches Zugpferd. Nicht nur einige Millionen Westdeutsche, sondern auch ungezählte Niederländer, Franzosen, Belgier, Dänen, Schweden, Norweger, Finnen, Engländer, besuchten während der Hauptreisezeit in den Monaten Juni bis Ende August die Küsten Spaniens. Eine nicht enden wollende Blechlawine wälzte sich dann durch Deutschland, Frankreich und Spanien.
Neben den PKW- Kolonnen, waren es vor allem die weiße Flotte, also Wohnanhänger oder Wohnmobile, die dann die dortigen Campingplätze bevölkerten. Der westdeutsche Michel schleppte hierbei regelmäßig sein heiß geliebten Wohnzimmerkitsch via Automobil etwa 2.000 Kilometer südlich, entlud den Tinnef dort und ließ es sich anschließend drei Wochen bei mit gebrachten Bier, Grillwürstchen und Kartoffelsalt so richtig gut gehen. Als Ausgeburt des teutonischen Spießerlebens war der Versuch, den einheimischen Radiosender - damals noch nicht so exakt formatiert - auf dem Kofferradio mittels Tesa-Klebeband so zu markieren, dass die Frequenz sofort wieder gefunden werden konnte. Leider waren die Gerdas, Annemaries und Ruths technisch icht so beschlagen, dass sie es hätten erahnen können, was jene Heimatfunklokalisierung in Wahrheit einbringen würde: Nichts!
Kaum dass auf dem seit einigen Jahren ständig wieder besuchte Campingplatz die Utensilien ausgepackt waren, mussten denn die Nur - und Teilzeithausfrauen entsetzt feststellen,dass auf der Sendefrequenz plötzlich eine spanische Stimme in endlosem Gebrabbel, quasi ohne Luft zu holen, die Königs, Meiers und Bergmanns, die Koslowskis, Mindermanns oder Schulzes, mit dann auch noch völlig unbekannter Musik unterhielt. Welch Enttäuschung, zumal sich trotzt mehrstündiger Versuche, keine bundesdeutsche Radiostation finden ließ.
In jenem Umfeld aus heimeliger Grundspießigkeit, germanischer Campinidylle und bräsigem die-Seele-baumeln-lassen, platzte dann am 11. Juli 1978 gegen 14.35 Uhr eine Katastrophe nicht gekannten, unfassbaren und nicht vorher sehbaren Ausmaßes herein. Der Campingplatz " Los Alfaques ", der direkt an der Nationalstraße N 340 liegt, entpuppte sich als tödliche Falle. Er wurde das Grab für 217 Menschen und die bleibende leibliche Erinnerung für mehr als 300 einstige Besucher.
Ein mit 23 Tonnen Flüssiggas beladener Tanklastzug ergoß seinen Inhalt direkt vor der Begrezungsmauer zum Campingplatz, als dessen Tank wegen Überladung platzte. Die hoch entzündbare Flüssigeit fing sofort Feuer und zerstörte dabei etwas mehr als 1/3 der mit mehreren hundert Menschen belegten Platz. Die meisten, von der heran nahenden Feuerwalze erfassten Besucher verbrannten dabei bis zur Unkenntlichkeit. Die weiteren über 300 Verletzten konnte erst nach mehr als 45 Minuten durch Rettungskräfte versorgt werden. Ein Katastrophenszenario in dieser Größenordnung war in den Sicherheitsplänen der betroffenen Region Katalonien überhaupt nicht vorgesehen.
In dem Film werden aber insbesondere jene zwischenmenschlichen Befindlichkeiten und Schwächen, jene Attribute, wie Raffgier, Ignoranz und Selbstüberschätzung fein säuberlich aufgeschlüsselt. Fast schonungslos decken die einzelnen Handlungsstränge jenes Lebensgefühl von einst auf. Eine Mixtur, bestehend aus klein-bürgerlichen Lebensinhalten, aus monogamen Eheleben oder offener Heterosexualität, aus männlichem Imponiergehabe und Gockeltum und aus intoleranten Einstellungen gegenüber Menschen mit abweichenden Lebensphilosophien. Genau jene Bandbreite, die sich auch heute ständig wieder kehrend in sämtlichen Facetten über die Medien ergießt.
Tarragona ist als Film nicht nur deshalb zu einem winzigen Stück Zeitgeschichte mutiert, weil es den unfertigen Menschen in seiner gesamten Bandbreite darstellt, sondern wohl auch, weil eine derartige Katastrophe sich zuvor und aber auch danach, in allen nur erdenklichen Variationen wiederholt hat. Damit bleibt aber auch die Erkenntnis, dass es einen effektiven Schutz des Menschen vor dem Menschen nie geben wird.
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