Ein Grund zum Feiern? Die " Antibabypille " wird 50!


Es gibt auch in diesem Jahr einige triftige Gründe, um eine Entwicklung zurück zu blenden. Manches Ereignis kann dabei allerdings schnell in Vergessenheit geraten. So hat ab 1960 eine pharmazeutische Entdeckung in den USA ihre weltweite Verbreitung begonnen,die reißerisch als " sexuelle Revolution " tituliert wurde. Die Antibabypille, kurz " die Pille " genannt, wurde in jenem Jahr auf dem amerikanischen Markt gebracht. Die Erfinder - natürlich Männer oder besser Forscher - hatten hierfür mehr als nur einen plausiblen Grund. In dem - heute noch - prüden Amerika wuchs die Zahl der ungewollten Schwangerschaften rapide an. Was jenseits der staatlich verordneten Prüderie dazu führte, dass die Männer auf Abhilfe sinnten. Denn mit jedem ungewollten Kind wurde ein ganzes soziales Gefüge in Frage gestellt.

Das Jahr 1960 brachte dann als Ergebnis jener Bemühungen die ersten erwerbbaren Ovulationshemmer auf den Markt.Die Pille war zwar frei verkäuflich, allerdings war deren Verkauf an bestimmte Bedingungen geknüpft. Unter 21 Jahren durfte keine Frau sie verschrieben bekommen, noch erwerben.
Ein Jahr später brachte die westdeutsche Firma Schering die Antibabypille auf den BRD-Markt. Da die von den reaktionär eingestimmten Medien initiierte Kampagne gegen " die Pille ", vor allem durch die römisch - katholische Kirche massiv unterstützt wurde, deklarierte Schering das Produkt " Anovlar ", das zunächst Probe halber in Australien eingeführt wurde, als Mittel gegen Menstruationsstörungen. Die Antibabypille durfte zunächst nur verheirateten Paaren verschrieben werden. Ein Gang nach Canossa für viele Frauen. Zumal der Ehemann der Einnahme des Präparats zustimmen musste.

Die Moralvorstellungen änderten sich - auch bedingt durch die aufmüpfigen 68er - im Verlaufe der Jahre. Mit der Herabsetzung der Volljährigkeit von 21 auf 18 Jahren und der durch die Folgegenerationen propagierten " freien Liebe " galt es bald als " in " und " chic ", die dann in Unmengen hergestellte Antibabypille zu nehmen. Die in der Öffentlichkeit breit getretene " Aufklärungswelle " zu Beginn der 70er tat ein Übriges. So galt schon die Standardfrage " Du nimmst doch sicherlich die Pille " als rituelles Vorspiel des eigentlichen Geschlechtsakts oder als gewollte Unterbrechung der partnerschaftlichen Fummelei. Wie ein Damoklesschwert schwebte diese existenzielle Frage zum Sein oder Nichtsein eines sich gefundenen und zum Sex bereiten Paares. Wehe der, die jene schicksalschwere Frage mit Nein " beantwortete,

Nach den wilden Endsechzigern und den mit wüsten Orgien einher gehenden 70er Jahren normalisierte sich das Paarungsverhalten der Genration 18 Plus, denn eine Geißel des Todes mit Namen AIDS hielt Einzug in die Etablissements der Liebeskunst. Es gab da kein Wenn und Aber. Ob mit oder ohne " die Pille ", die Ansteckungsgefahr war gleich groß. Was mit der Antibabypille als Befreiung von der permanenten Angst durch ungeeignete Verhütungsmethoden eine Schwangerschaft zu riskieren, einher ging, reduzierte sich durch die Weltseuche AIDS auf die Angst überhaupt die fleischliche Lust ausleben zu dürfen.

Das nächste Jahrzehnt war dann eher geprägt von dem medialen Aufmacher zu Teenager-Schwangerschaften. Wenn eine 13jährige ein Kind bekam war das für das Vernebelungsorgan der gesamtdeutschen Befindlichkeit, die " BLÖD " - Zeitung immer eine dicke Schlagzeile wert. Was allerdings hinter einem derartigen Fall steht, konnte auch dieses Vereinfachungskampfblatt nicht erklären. Die Unfähigkeit der Eltern, das eigene Kind aufzuklären und die Dummheit der Kinder, in der Schule das theoretische Wissen im Fach Sexualkunde nicht gleich in die Praxis umsetzen zu müssen. Die Pubertät ist für das Kind, dessen Körper sich biologisch zu dem eines Erwachsenen verändert, wahrlich keine einfache Lebensphase. Für die Eltern oder den Elternteil allerdings auch nicht. Oft kapseln sich beide beteiligten Parteien voneinander ab. Die Erwachsenen verwalten nur noch, der Jugendlich geht auf Konfrontation.

Wenn überhaupt, dann wird über die Sexualität nur noch am Rande gesprochen. Das sich verändernde Kind bleibt mit seinen Problemen allein. Kommt zu dem Halbwissen über die Veränderungen im Körper auch noch eine gewisse Ignoranz hinzu, wird das Chaos perfekt. Obwohl die Öffentlichkeit das Thema Sex - nicht, wie es in den 60er und 70er Jahren geschah - in einem erheblichen Umfang behandelt, die Medien in allen erdenklichen Variationen hierüber berichten und die Schule sogar ein entsprechendes Unterrichtsfach anbietet, ist der Kenntnisstand der pubertierenden Jugendlichen darüber erschreckend dürftig.

Ob jene Zeit ab der Markteinführung der Antibabypille so grundlegend anders war, muss deshalb bezweifelt werden. Die angebliche sexuelle Revolution hat sich längst überholt. Revolutionär war " die Pille " schon damals nicht. Sie hatte den einwehenden Zeitgeist zur elementaren Basis auf der Habenseite zu verbuchen. Negative Auswirkungen jenes Präparats wurden damals geflissentlich verschwiegen.Die Pharmaindustrie, auf ihrem auf hier eingeschlagenen Weg der Profitmaximierung, wollte die so genannte " Revolution im Schlafzimmer " nicht durch eine wahrheitsgemäße Berichterstattung zu den Nebenwirkungen und Folgen keine Halt machen. Denn es gab schon durch das propagandistische Trommelfeuer aus den Reihen der römisch-katholischen Kirche mehr als nur eine, die Pille ablehnende gesellschaftliche Gruppe. Mit der Veränderung der herrschenden Moralvorstellungen wurde aber dennoch der Ovulationshemmer zum ständigen Begleiter der Frau im Alter von 14 bis Ende Vierzig.

Nun, nämlich fast 50 Jahre später, hat sich die Normalität im Bereich der menschlichen Sexualität zwar breit gemacht, die Verantwortlichkeit auf die Gebiet der Empfängnisverhütung obliegt immer noch der Frau.Die muss sich im Falle einer nicht beabsichtigten Schwangerschaft neben diversen Vorwürfen, warum sie nicht verhütet, sich auf einen Partner dann überhaupt eingelassen habe, auch noch üble Beschimpfungen aus dem Bereich der Gossensprache und dumme Witze gefallen lassen, so wie sie einst der Dampfplauderer, CDU-Hansel und inzwischen silber gelockte Ex-NDR-Moderator Carlo von Tiedemann in einer der bräsigen NDR-Vormittagssendungen über den Äther ließ:
" Da treffe ich doch an einem Samstagabend in einer hamburger Diskothek eine richtig flotte Biene. Sagt die dann zu mir: " Hallo, mein Name ist Doris. Ich bin 20 Jahre alt und die Pille nehme ich am Wochenende auch!"

Dummschwätzer gab es zu allen Zeiten, auch schon in den 80er Jahren in Gestalt des guten Carlo von " Schniedewurz ", da war Dieter Bohlen noch kein Thema, die Antibabypille in vielen normierten Arznei - oder Nachttischschränkchen und die geistig - moralische Wende im vollen Gange.

Kommentare

Octapolis hat gesagt…
Und dabei warst eher du als Werder-Fan derjenige, der gestern dringend Pillen gebraucht hätte, hehe...
Das hamse versaut...
Lobster53 hat gesagt…
Nun, mein kleines Einmaleins der Fußballhistorie hat mir bereits vor dem Spiel eine klare Vorgabe aufgezeigt: Wir müssen ein Tor mehr schießen als der Gegner! Leider reichen dann 4 erzielte Treffer nicht aus, wenn die andere Mannschaft auch die gleiche Anzahl vorzuweisen hat.
Somit auf den Nenner gebracht: Es hat nicht gereicht! Schade, aber kein Grund um Beruhigungspillen zu nehmen, mein lieber Herr Nachbar!
Octapolis hat gesagt…
Hochdramatisch und gut anzusehen, war es aber allemal. Der HSV hat es besser hinbekommen.
Kommt Bayern an ManU vorbei, dann stehen sie für mich schon im Finale, aber da müssen sie erstmal vorbei.
Man kann ja nicht überall selbst mitspielen. ;o)

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