T-T-T= Thilo,Türken.Tam Tam!


Der ohnehin nicht gerade ereignislose August 2010, in dem bei der Love Parade in Duisburg 21 Menschen starben, weil dort Organisationschaos pur herrschte, in dem Unwetter in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und in Hessen für Millionenschäden sorgten und in dem unser aller Guido in Berlin für einige Minuten den Kanzlerin-Vertreter mimen durfte, erschien - wie aus dem politischen Nichts - eine alt bekannte Fratze des Grauens. Ein Trommler der öden Klänge von der islamischen Unterwanderung durch Migranten in der BRD. Ein großer Hetzer, kleiner Denker und Anhänger der deutschen Leitkultur: Thilo Sarrazin.

Er hat ein Buch veröffentlicht. Ein über 450 Seiten starkes Traktat, in dem er seine Sicht zur Lage dieses, unseres nicht gemeinsamen Landes darlegt. Er, der öffentliche Mahner vor der Migrationsfalle, in die wir - so seine nicht Hypothese, seine Anti-These von der gelungenen Einwanderungspolitik und seine Synthese zwischen Spalten und Versöhnen mit dem Ausländern - längst hinein getappt sein sollen.
Oho, Thilo, Genosse Sarrazin, das wäre mir jetzt neu, dass ein Ausländerüberschuss und eine schädliche islamische Unterwanderung bereits jetzt zu einer Überfremdung geführt haben soll. Sarrazin kapriziert dabei seine Behauptungen auf den türkischen Migrationsanteil in der BRD.

Nun, richtig ist, dass dieser Bevölkerungsanteil seit vielen Jahrzehnten deutlich gestiegen ist. Wobei die nominale Veränderung in der Anzahl von türkisch stämmigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern sich nicht so rapide verändert hat, weil die Nivellierung des Einbürgerungsrechts die Schranken hierfür niedriger setzen ließ. Fakt ist aber dennoch, dass bei einer schrumpfenden und immer älter werdenden Gesamtbevölkerung eben jene prozentualen Anteile an türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern angestiegen ist.

Was Sarrazin im Zusammenhang mit den vermeintlichen Überfremdungstendenzen ausdrücken möchte, bleibt zwar nicht so nebulös, wie es ihm von Kritikern seiner Behauptungen vorgeworfen wird, weil er - bezogen auf seinem einstigen Wirkungskreis - der Bundeshauptstadt Berlin, eben jene Ghettoisierung rund um Kreuzberg und anderen Stadtteilen mit einer höheren Migrationsdichte, anprangert, dennoch sind seine jüngsten Ergüsse in dem Buch " Deutschland schafft sich ab ", völlig inakzeptabel.
Der gute Thilo wirft hier einmal mehr mit Statistiken herum,die ein Gesamtbild der bundesdeutschen Bevölkerung darstellen sollen, das es so nicht gibt. Ein Zerrbild entsteht, ohne das damit wirklich etwas aussagefähiges über den Realzustand der Gesellschaft zu Stande kommt.

Sarrazin behauptet nämlich:

"
  1. Deutschland werde aufgrund des Geburtenrückganges „kleiner und dümmer“, während die „sozialen Belastungen einer ungesteuerten Migration… politisch korrekt“ totgeschwiegen würden.
  2. Muslimische Migranten seien in den Arbeitsmarkt unterdurchschnittlich integriert und abhängig von Sozialtransfers. Sie würden sich nicht hinreichend um Bildungsbeteiligung kümmern, hätten eine hohe Geburtenrate und zeigten eine Tendenz zur Bildung von Parallelgesellschaften. Von Integrationsbeauftragten und Islamforschern, Soziologen und Politologen, sowie von naiven Politikern würden diese Probleme totgeschwiegen.
  3. Sarrazin kritisiert „niedrige Bildungsstandards“ und tritt deswegen für eine Ganztagsschule ein, die Wiedereinführung der Schuluniform und spricht Computerspielen (Negativbeispiel World of Warcraft) jegliche Pädagogik ab.
  4. Die „islamische Immigration“ sei geprägt durch „fordernde, den Sozialstaat in Anspruch nehmende, kriminelle, andersartige, frauenfeindliche Einstellungen… mit fließenden Übergängen zum Terrorismus. "
- Zitatende -

Sicherlich gibt es ungezählte Beispiele dafür, dass eine enorme Kluft zwischen Migranten, Bildung und sozialem Status in diesem, unserem Lande besteht. Dieses ist weder neu, noch allgemein auf jede Person mit Migrationshintergrund anwendbar.
Der Grad der Bildung nimmt vorallem in den Familien und Haushalten ab, die bereits seit einem sehr langen Zeitraum von öffentlichen Sozialtransfers leben. Das Prekariat definiert sich aber nicht als türkisch stämmig, sondern setzt sich aus überwiegend deutschen Personen zusammen, deren sozialer Besitzstand eher als minimal einzuordnen ist. Es sind jene Gesellschaftsgruppen, deren Einkünfte und Lebensstandards im unteren Bereich einer Skala liegend, dazu führen, dass für Bildung, Ausbildung und Weiterbildung keine finanziellen Möglichkeiten bestehen und auch nicht als notwendig erachtet werden.

Dieses soziologische Faktum ist kein rein spezifisch türkisches. Es ist auch kein ausschließlich ausländische. Es ist eher ein zum größten Teil deutsches Problem, dass es allerdings seit vielen Jahrzehnten gibt.

Wer die Historie ab 1945 genauer betrachtet, wird erkennen müssen, dass nach den ersten Hungerjahren, dem langsam, aber stetigen Aufschwung, eine Zeit des so genannten Wirtschaftswunders begann, dass ab Mitte der 50er bis Mitte der 60er Jahre dazu führte, dass Arbeitskräfte rar waren. Gebraucht wurde fast jeder Bürger, der einigermaßen gesund und damit arbeitsfähig war. Nachdem die Wirtschaft in ihren kapitalistischen Grundzügen erkannte, dass die einheimischen Arbeitskräfte nicht ausreichten, wurden massenhaft die als " Gastarbeiter " titulierten ausländischen Arbeitskräfte, vornehmlich aus Italien, Spanien, Griechenland, Portugal und dem einstigen Jugoslawien geordert.

Das damalige Ausländerrecht wurde deshalb sehr liberal ausgelegt. Dann kamen ab Mitte der 60er die ersten Krisen, die Montankrise, die Ölkrise, die Werftenkrise. Es wurden hunderttausende von Arbeitskräften ausgespuckt, die einst ihren Job in den Schlüsselbranchen der exportorientierten deutschen Wirtschaft versahen. Die Anteile an ausländischen Kräften waren - zumal oft geringer qualifizierte Tätigkeiten hierunter fielen - überproportional hoch. Inzwischen hatten sich die vormaligen " Gastarbeiter " jedoch familiär eingerichtet. Deren Nachkommen drängten auf den Arbeitsmarkt und konnten - weil ebenfalls sehr oft schlechter ausgebildet - nicht untergebracht werden.

Seit mehr als 20 Jahren gibt es nun jene Arbeitsplätze nicht mehr, die überwiegend von Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund ausgeübt wurden. Es entstand eine Spirale von Arbeitslosigkeit, Dauerarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit, die nur durch die auf Ausnutzung sämtlicher Möglichkeiten von Arbeitskräfterekrutierung fixierten Wirtschaft und Gesellschaft verursacht wurde.

Aus den ehemaligen Arbeitern aus jenen Zuzugsländern, deren Zusammensetzung sich ab den 80er Jahren völlig veränderte und durch die türkische Majorität geprägt ist, wurden Sozialtransfersempfänger. Mit de Konsequenz, dass deren Kinder häufig keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten, weil sie durchschnittlich schlechter ausgebildet sind.

Was Sarrazin in seinem jüngsten Buch kritisiert, hat er als BRDler der älteren Jahrgänge ( er ist 1945 in Gera geboren worden ) selbst mit verursacht. Staat und Gesellschaft haben sich blind und konzeptlos eine Bevölkerungsgruppe heran gezogen, die nun als sozialer Bodensatz und ohne Lobby das Büßerhemd übergezogen erhält. Sarrazin irrt, wenn er behauptet, die HARTZ IV-Gruppe sei nur ein türkisches Phänomen. Sie ist vornehmlich ein deutsches Problem, weil die Mehrzahl Deutsche sind, die hier von Sozialleistungen und damit vom Staat leben.

Der große Trommler, der in diesem Buch gegen die Türken vom Leder zieht verkennt, dass durch die unsinnige Sozialpolitik der Regierung Schröder/Fischer ein Sofortabstieg von der Berufstätigkeit über die Arbeitslosigkeit bis zur Dauerarbeitslosigkeit vollzogen wird, wenn der Betroffene nicht gegen steuert. Die türkisch Stämmigen sind hierbei nur zu oft völlig überfordert. Wer beim Kampf um eine Lehrstelle mehr als 250 Bewerbungen geschrieben hat, wer die gleiche Anzahl bei der Suche nach einem Arbeitsplatz - oft ungeöffnet oder gar nicht zurück gesandt - erhalten hat, der richtet sich schon bald auf ein leben im Schatten von HARTZ IV ein.
Der sucht nicht nur Seinesgleichen, der sucht Halt in der Familie oder unter seinen Landleuten.

Wenn der gute Thilo statt seiner markigen und populistischen Sprüche mehr Resthirnmasse verbraten hätte, um diese Entwicklung so zu erklären, wie sie nun einmal erklärt werden muss, würde er selbst erkennen, dass die Gesellschaft nicht so funktioniert, wie er es gerne sieht.

ach seinem neuerliche Ausfällen prüft die SPD, ob ein Parteiausschlussverfahren gegen Thilo Sarrazin eingeleitet werden muss. Auch wenn eine Partei, wie es die SPD nun immer noch ist, von den vielen politischen Strömungen, Meinungen und Auffassungen lebt, weil sie sich hiermit im Diskussionprozess auseinander zu setzen hat, bedeutet dieses nicht, dass jedwede Meinungsäußerung - wenn auch von Art. 5 GG gedeckt - von ihr hinzunehmen ist.

Sarrazin ist ein politischer Brandstifter, so wie es einst der drogenabhängige Ex-Innensenator Schill in Hamburg war, so wie es Rechtspopulisten, wie Dregger, Strauß oder Clement waren oder noch sind. Sie haben zwar auch hier ihre Existenzberechtigung, jedoch nicht in einer Partei, wie die der SPD. Ein Rausschmiss des Rabulistikers wäre deshalb für sie kein Verlust.

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