Das gibt es noch?



Der Winter hat Europa, die mitteldeutschen Gebiete, hat uns, nun fest im Griff. Da friert so mancher Mitbürger, so manche Mitbürgerin zieht sich zwei paar Wollstrümpfe über, wenn es in den eigenen vier Wänden nicht mehr richtig warm wird. Und weil die Heizkosten in den letzten Jahren nahezu explodiert sind, musste der Mieter oder Eigentümer zu Sparmaßnahmen übergehen. Da ist oft guter Rat teuer. Einige dieser Empfehlungen grenzen manchmal sogar an Sarkasmus, wenn von dem Herunterregeln der Raumtemperaturen die Rede ist, dem Einbau von modernen Thermostaten oder dem Austausch von technisch überholter Kessel.
Dieser Aktionismus ist immer mit Geld verbunden. Moneten, die eben viele Bewohner erst gar nicht haben.
Häufig sind es aber auch die falschen Ratschläge, die da unterbreitete werden, denn es gibt eine erkleckliche Zahl von Behausungen, in denen nicht einmal eine zentrale Heizungsanlage vorhanden ist. 

Das stehen oft die vor vielen Dekaden üblichen Allbrandöfen in den einzelnen Zimmern. Jene Ungetüme aus Gußeisen, Blech und Schamotten, die - sind erst in Gang gekommen - noch für eine angenehme, eine wohlige Wärme garantieren. Zwar ist hier die Befeuerung mühselig, dafür verursacht die abgesonderte Wärme keine Augenreizungen. Aber auch diese Ungetüme müssen befeuert werden. Entweder mit Kohle oder mit Holz. Wenn der Winter vor der Tür steht sollte deshalb ein Vorrat bereits angelegt sein.


Die guten, die alten Holzsammelberechtigungsscheine haben dann wieder Hochkonjunktur. So manche Investition - für eine einmalige Bearbeitungsgebühr von 10 bis 30 € pro Zeitabschnitt - amortisiert sich bei den nun wirklich winterlichen Temperaturen doch.


Gerade in den ländlichen Regionen, dieses unseres Bundeslandes - aber nicht nur bei uns - schwirren sie dann aus, die Holzsammler. Ob mit einem Anhänger hinter dem PKW, einem Kombi als Transportfahrzeug oder mit Zweiräder und Weidenkörben von anno Tobak bestückt, wird dann auf die Pirsch gegangen. Natürlich nur in dem Waldstück, was noch erreichbar ist.

Die Holzsammler sind aber nicht nur auf dem Land im Vormarsch. Auch in den urbanen Bereichen steigt die Zahl der Haushalte, die sich auf das Befeuern von Öfen mit Holz zurück besonnen haben, beinahe jährlich an.
So liest sich ein Bericht hierzu, wie folgt:

Zwischen 2005 und 2010 ist in Deutschland die Zahl der Heizgeräte, die mit festen Brennstoffen wie Holz oder Braunkohlenbriketts betrieben werden können, weiter gestiegen: Während sich der Bestand traditioneller Kohleöfen von 5,2 Mio. auf 4,1 Mio. deutlich reduzierte, wurden im gleichen Zeitraum mehr als 1,7 Mio. moderne Kaminöfen, Kachelöfen und Heizkamine in Betrieb genommen. Daraus ergibt sich im Saldo ein Zuwachs von insgesamt 680.000 Feuerstätten auf aktuell knapp 15 Mio. Geräte. "

- Zitatende - aus: http://www.baulinks.de/webplugin/2011/0628.php4


Als ich vor einigen Tagen auf Schuster´s Rappen über die verschneiten, aber abgestreuten und beräumten Gehwege ging, stand ein altes Auto mit geöffneten Türen am Straßenrand. Ein neugieriger Blick in das Innere des Gefährts machte mich sofort stutzig. Da lagen doch - akkurat aufgeschichtet - gespaltene Holzscheite auf den Sitzen, die mit einer Folie abgedeckt waren. Ein jüngerer Mann transportierte diese Ladung mittels eines Drahtkorbes in das gegenüber liegende Haus. Und während ich beim Vorübergehen mich noch einmal vergewisserte, ob es nun auch wirklich echtes Holz war, das dort im Auto lag, kam dessen Fahrer schon wieder aus dem Haus zurück. Zügig entfernte ich mich von dem Tatort, nicht ohne ein mildes, ja mitleidiges Lächeln aufzusetzen, denn mir kamen sofort die Gedanken an jene Zeit ab 1976, als ich ein Zimmer zur Untermiete in der Wilhelmshavener Waagestraße im dortigen Stadtteil Rüstersiel behauste.


Das Loch war auch mit einem - schon damals längst nicht mehr zeitgemäßen - Ölofen ausgestattet. Diesen Kanonenofen musste ich mittels einer Ölkanne, die 10 Liter des Brennstoffs fasste auftanken.Der Ölofen selbst war mit einer gewöhnungsbedürftigen Technik ausgerüstet. Zunächst musste ein roter aus Eklit hergestellter Druckknopf gedrückt werden, dadurch löste sich die manuelle Sperre zu einem, aus dem gleichen Material gefertigten, jedoch schwarzfarbenden Drehknopf, der dann durch Herumdrehen betätigt werden konnte und wiederum zu einem Ventil gehörte, dass den Zulauf vom Tank zur Brennkammer regelte. Hierbei war äußerste Vorsicht geboten, denn wenn der rote Knopf nicht lange genug gedrückt blieb, tat sich nichts, weil die mechanische Zulaufsperre regelmäßig klemmte. So wartete ich denn öfters vergeblich, dass sich der Brennkammerboden mit Öl füllte. Erst dann war es möglich, den Kanonenofen in den Gang zu bekommen. War ausreichend Öl in den Brennraum geflossen, musste ich die Ofenplatte aus Gußeisen anheben. Zwei Scharniere hielten das Monstrum, so dass es nicht abrutschen konnte. War die Ofenplatte aufgeklappt, stand das nächste Lotteriespiel an. Mit so genannten Ölofenanzündern, die aussahen wie kleine Wachsstreifen, konnte das Öl im Inneren angezündet werden. Hierzu nahm ich von meinen Rauchutensilien die Streichhölzer, zündete den Streifen an und warf ihn in den dunklen Innenraum des schweren Ofens. Dabei war es ratsam, sofort den Kopf zurückzuziehen, denn es kam vor, dass eine Stichflamme nach oben schoß und meine einst getragene " Matte " auf dem Kopf ansengte.

Wenn der Kanonenofen bockig war - . dieses kam regelmäßig dann vor, sofern feucht - kaltes oder typischen Küstennebelwetter vorherrschte -, brauchte es mehrerer Anläufe, um den alten Zossen zum Brennen zu bewegen. Fluchend war ich einen Anzünder nach dem anderen in das Ofeninnere, bis die Krücke dann ein lautes " Wumm " von sich gab und ich durch eine auf der Gußeisenplatte installiertes, verschiebbares Guckloch, eine gelb - bläuliche Flamme lodern sah. Endlich, der Ofen brannte. Nach kurzer Zeit sollte das der schwarze Eklitdrehkonpf auf eine andere Position bewegt werden, denn sonst brannte der Tankvorrat im Ofen zu schnell herunter und es waren wieder 3 Deutsche Märker für eine neue 10 Liter - Füllung fällig.
Ein besonderes Bonbon hatte der " olle " Prügel dann bereit, wenn ich - Dr. Alzheimer ließ schon vor 47 Jahren herzlichst grüßen - vergessen hatte, den Ölofen anzuzünden und die teuere Brühe immer noch in die Brennkammer lief. Kam er dann plötzlich, der Geistesblitz, war es meistens schon zu spät, denn der Brennraum hatte sich mit reichlich - viel zu viel - Öl gefüllt. Da war das Improvisationstalent eines armen, jedoch mit viel Zeit versehenen, Studenten gefragt.

Ich holte eine Rolle Toilettenpapier - natürlich billig bei dem in der Nähe liegenden Discounter eingekauft -, rollte davon einige Blatt ab und warf das übereinander gelegte Papier in das Ofeninnere. Dort sog sich die Masse mit Öl voll und konnte mit spitzen Fingern wieder heraus gezogen werden. Zuvor hatte ich auf dem Tank weitere Blatt Papier gelegt, um zu verhindern, dass das Öl aus dem, wie ein Schwamm voll gesogenen Papiergebilde heraus tropft. Dieser Vorgang musste im Extremfall - dem Super - Gau - mehrere Male wiederholt werden. War das Öl auf einen ausreichenden und deshalb ungefährlichen Pegel in der Kammer des Ofens reduziert, konnte ich den alten Schinken endlich gefahrlos anzünden. Nachdem eine Flamme im Inneren zu sehen war, öffnete ich rasch die Gußeisenplatte und warf das ölgetränkte Papier hinein. Auch hier war Vorsicht geboten, denn es konnte dabei gleichfalls zu einer Verpuffung kommen; mit den fatalen Folgen, dass das gußeiserne Deckel hoch gehoben wurde und eine Stichflamme in Richtung Decke schoss. Ein beißender Gestank und sich auf das spärliche Inventar hernieder lassende Rußpartikel waren die Folge. gestunken hat es aber auch - und zwar nach Heizöl - wenn beim Einfüllen ein " Dropje " daneben ging. Da half meistens nur sofortiges Lüften und " Ata " - Scheuermittel sowie der bereit stehende " Rexona " -, " 8 x 4 " ( Tabak -  Duft ) - oder " Bac " - Deodorant.

Da ich einst im dreiwöchigen Turnus von Wilhelmshaven in das elterliche Schaumburg fuhr, wurde die Butze natürlich an den Wochenenden nicht beheizt. So kam es denn schon mal vor, dass bei der Rückkehr in das Studentendomizil die Fensterscheiben mit einer dicken Eisschicht belegt waren, das Oberbett an der Wand anfror und der Fußboden - da die Bruchbude nicht unterkellert war - Temperaturen unter dem Gefrierpunkt aufwiesen.
Aber: Hach, war war das schön romantisch, wenn draußen zweistellige Minusgrade herrschten, ich meinen Kanonenofen anzündete, der dann los bollerte und die Fensterscheiben zu langsam abtauten, die Füße warm wurden, womit die mit einem dicken Innenfutter gekaufte Jacke dann auch wieder ausgezogen werden konnte. So behielt die ersehnte, die gelebte und eisern verteidigte Selbständigkeit und der Drang, sich möglichst weit weg vom Elternhaus, ein eigenes Leben aufbauen zu können, ohne Rundum - Sorglos - Garantie und der nervigen Gängelung,auch hier ihre Gültigkeit. Trotz Kanonenofen, Eisfüssen und alledem.

So knartschte ich dem Verlauf der Fußwege gehorchend in Richtung Kesselsdorfer Straße, eine innerliche Genugtuung mit mir tragend, dass ich selbst nach 47 Jahren wohl nie der Einzige gewesen war, der, jene materiellen Entbehrung auf sich nehmend, das Erwachsen werden versuchend und dabei eben auch viel Lebenserfahrung sammelnd, erlernen musste, dass eine voller Bauch, ein warmes Zimmer und eine Perspektive auch heute nicht selbstverständlich ist. Der junge Nachbar und sein Holztransport haben es mir einmal mehr gezeigt: Das gibt es noch!
So, wie es auch der Hannes in seinem Lied vorträgt:


Das Loch unter´m Dach

Ich friste in einem Loch unterm Dach
Als armer Hund mein Dasein
Hab' wenig zu essen, drum lieg' ich oft wach
Und hung're bei Wasser mit Wein
Und starrt die nackte Wand mich auch an –
Was macht das schon, jetzt hängt ja daran
Ein Bild von ihr –
Sie schenkte es mir!

Meine Bücher, die letzten Habseligkeiten
Ich werde mit ihnen ins Pfandhaus geh'n
Dort vermach ich sie den Leuten
Die doch nicht zu lesen versteh'n
Auch wenn sie sie mir nicht viel dafür geben –
Was macht das schon, dann lese ich eben
Die Briefe von ihr –
Sie schickte sie mir!

Ich glaube mein Fenster habe ich mal
Des Nachts im Suff zerschlagen
Mein Wirt will, dass ich den Schaden zahl' –
Einen Streit mit ihm darf ich nicht wagen!
Ich geb ihm den Schein, und ist's auch mein letzter –
Was macht das schon, jetzt hängt vor dem Fenster
Ein Mantel von ihr –
Sie schenkte ihn mir!

Ich friste in einem Loch unterm Dach
Als armer Hund mein Dasein
Doch sie denkt an mich in ihrem Prunkgemach
Denn ihr Mann ist alt und gemein
Ein Sonntagsjäger und Herrenreiter –
Was macht das schon, ich brauch' ja nichts weiter
Als das Herz von ihr –
Sie schenkte es mir.


Oder viele Jahre später auch noch feststellt: " So was gibt es noch!"



Das ist doch ewig lange her,
ist vergessen, das war mal,
das gibt's heut nicht mehr.
So sollte man meinen und doch:
So was gibt es noch.
So was gibt es noch.

Kommentare

til_o. hat gesagt…
Vor zehn Jahren wechselte ich vom Kachelofen zur Gas-Etagenheizung. Mir war es leid früh im Kalten zu sitzen. Jetzt sitze ich früh meist auch im Kaltem, besonders im Herbst, weil die Heizkosten zu hoch sind. Toll.

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