" Fließbandbabys " von den Politrockern " Floh de Cologne ".


Die bewegten 60er Jahre brachten nicht nur Durchzug in den " guten " Stuben, den Schlafzimmern und - falls überhaupt vorhanden - den Kinderzimmern, nein, sie veränderten auch die Musiklandschaft nachhaltig. So entwickelte sich neben der Beat - und Popmusikszene, das vielschichtige Rockgenre und hieraus eine besondere Richtung: der Politrock.
Zu dessen namhaften Vertreter Gruppen, wie " Ton, Steine, Scherben " mit dem unvergessenen und leider viel zu früh von uns gegangenen Rio Reiser, " Lokomotive Kreuzberg ", " Ihre Kinder ", " Schmetterlinge " oder " Oktober ", aber insbesondere auch " Floh de Cologne ".

http://de.wikipedia.org/wiki/Politrock

Die " Flöhe " wurden am 20 Januar 1966 von Kölner Studenten zunächst als politisches Kabarett gegründet. Die erste Musikformation bestand danach aus:


Jürgen Alleff bis 1968
Udo Weinberger bis 1968
Britta Baltruschat bis 1968
Markus Schmid bis 1974
Gerd Wollschon bis 1976

Später gesellten sich die Musiker:

Hansi Frank ab 1966
Dieter Klemm ab 1967
Dick Städtler ab 1969
Theo König ab 1972
Vridolin 


hinzu und waren an den eingespielten Alben beteiligt.

Nun, die " Flöhe " aus Köln tourten dann in der westdeutschen Republik herum und durften auch auf einigen größeren Musikfestivals bestaunt werden. Legendär war wohl ihr Auftritt 1970, als sie auf der Insel Fehrman nach dem Gitarren - " Gott " Jimi Hendrix die Bühne betraten. Der US - Amerikaner gab hier nämlich sein letztes Konzert vor seinem Tod.

Dass die " Flöhe " sich politisch der DKP hingezogen fühlten, tat ihrer textlichen sowie musikalischen Qualität keinen Abbruch. Im Gegenteil: Durch ihre provozierenden, Kapitalismus kritischen und oft mittels Fäkalsprache dargebotenen Meinungen, wurden ihre Lieder erst interessant.

Bis zu ihrer Auflösung spielte die Truppe diese LPs bzw. CDs ein:


  • Vor Gebrauch Kopf schütteln 1966
  • Tra-Ri-Tra-Ra, die Pest ist da 1966
  • SimSAlabimbambaSAladUSAladim 1967
  • Zwingt Mensch raus 1968
  • 7.Programm 1969
  • Fließbandbabys Beat-Show 1969
  • Rockoper Profitgeier 1970
  • Rock-Jazz-Rakete Lucky Streik 1972
  • Geier-Symphony in Rock-Dur 1973
  • Mumien, Kantate für Rockband 1974
  • Rock-Show TILT 1975
  • Rock-Revue Profitgeier &; Co. 1976
  • Prima Freiheit 1978
  • Koslowsky Rockoper 1980
  • Faaterland 1982



.http://de.wikipedia.org/wiki/Floh_de_Cologne

Dass die Kölner Rockgruppe zum einen in deutscher Sprache verfasste und vorgetragene Texte bevorzugte und zum anderen sich darin  politisch agitierend zeigte, machte sie eher bei einem intellektuellen, genauer gesagt, einem links - intellektuellen Publikum bekannt. Die breite Masse, zumal dem musikalischen Mainstream hinterher laufend, konnte mit den beißenden, gesellschaftskritischen Liedern kaum etwas anfangen.
Da " Floh de Cologne " somit als Politrocker klare Kante zeigten, kam es nicht von ungefähr, dass ich über meinen Nachbar " Fuchs " Diederich, der sich als bekennender Kommunist outete, eines Tages ein Album der Kölner Formation vorgelegt erhielt. Es war die Rockoper " Profitgeier ", die sich sodann auf meinem Plattenteller im Beatkeller des elterlichen Hauses drehte.

Zugegebenermaßen konnte ich den dort enthaltenen Stücken:


A1He, Hallo Stift1:21
A2Die Einen Kommen Erster Klasse Zur Welt2:32
A3Wir Stehen Am Rande4:54
A4Bekenntnis Der Unpolitischen Väter1:35
A5Auf Dem Arbeitsmarkt5:28
A6Der Kapitalismus Stinkt3:13
B1Wir Brauchen Keine Millionäre7:37
B2Die Luft Gehört Denen, Die Sie Atmen1:46
B3Profitgeier7:05
B4Wir Werden Immer Mehr2:24

Credits


nicht sonderlich viel Sympathie abgewinnen. Für mich waren die Lieder, als " Stift ", also " Azubi " im zarten Alter von 17 Jahren ohne Wert. Was wusste ich schon von Kapitalismus, geschweige denn die Kritik am Selbigen? Marx, Engels, Lenin, waren für mich eher nichtssagende Namen, denn im westdeutschen Geschichtsunterricht an einer westdeutschen Volksschule in der westdeutschen Provinz, kamen eben jene erst gar nicht vor. Genauso wenig, wie das Dritte Reich, die Judenvernichtung und der zweite Deutsche Staat mit der Bezeichnung DDR. Und wenn, dann nur im negativen Kontext. Da das Springer´sche Latrinenblatt seit der Gründung der DDR diesen Namen nur in An - und Abführungsstrichen schrieb,  dagegen ständig hetzte, war auch klar  was die verblödete Masse von den " Ostdeutschen " in der " SBZ " oder in der " Ostzone " und ihrem sozialistischen Staat zu halten hatte: Nichts!
Die Truppe aus Köln sah das natürlich völlig anders und behauptete deshalb in ihren Liedern schlankweg, dass nur der westdeutsche Staat, der Kapitalismus " scheiße " sei. Nur, es konnten leider zu wenige der eher kritisch eingestellten Jugendlichen mit jener - wohl etwas plumpen - Agitation zugunsten einer anderen Wirtschafts - und Gesellschaftsordnung tatsächlich etwas anfangen. So dümpelte denn " Floh de Cologne " eher auf dem weiten Meer , der sich mehr oder weniger  längst etablierten Jugendmusik herum. 

Auch mein Interesse an jener " Rockoper " mit dem schönen Titel " Profitgeier " hielt sich in sehr engen Grenzen.  So dudelte ich die Vinylscheibe denn nur ab, wenn mein Nachbar und Musikfreund " Fuchs " sich angesagt hatte. Er bemerkte wohl mein Desinteresse und zog die Platte alsbald wieder aus dem LP-Schuber, um sie zu sich nach Hause zu nehmen. " Floh de Cologne " blieben dann bei mir und auch in meinem Freundeskreis die Paradiesvögel im Rock - Urwald, dessen daraus aufspielende Musikgruppen unisono von der Elterngeneration mit " Hotten - Totten - Krach ", " Negermusik " oder " Gejaule " abgetan wurden.

Etwa vier Jahre später lag eine weitere Scheibe der " Flöhe " aus Köln auf meinen Knien, als ich nämlich bei einer der ungezählten Feten in jener Zeit, zufällig in die Plattenbox des Gastgebers herum stöberte, zog ich das Album " Fließbandbabys " der Politrocker heraus.
Irgendwie kam mir " Fuchs ", die Rockoper Profitgeier " und dessen einstiger Musikgeschmack wieder in den Sinn. Eher unwissend, bat ich den Fetenveranstalter, mir die LP auszuleihen, damit ich sie auf meinem " Grundig TK " - Tonbandgerät aufnehmen konnte. Der gute, wie auch finanziell wesentlich besser betuchte Hans Dieter Göbel aus Stadthagen tat mir dann den Gefallen. So entführte ich das Vinylalbum mit in mein Zimmer, legte es auf den dortigen Plattenteller und nahm folgende Stücke hiervon auf:


1Fließband
2Fließbandbaby, Manchmal Träum Ich
3Komm Mit Mir Ins Wegschmeißwunderland
4Sei Ruhig, Fließbandbabys
5Ford Capri
6Hey Johnny
7Arbeit Macht Freitag
8Wenn Springer Mal Rülpst
9Armer Junger Krupp
10Die Oberen Zehntausend
11Fließbandbaby, Wir Sind Wieder Wer
12Mäddchen, Mach Die Beine Breit
13Fließbandbaby, Du Sitzt Im Gefängnis




Die Gruppe bestand damals aus:


Und so blieb die LP noch einige Tage in meinen Händen, ehe der Sohn eines einstigen Möbelkaufhaus - Eigentümers sie wieder mit nahm. Die Aufnahmen lagen in der Folgezeit als Tonband in meinem Schrank, ehe ich sie eines Tages einem Schulkollegen aus der BAS vorspielte. Der war begeistert und wollte sie auf sein Tonband - Monstrum überspielen. Da saßen wir denn eines Nachmittags nach der Schule in meiner Bude, tranken Tee und rauchten selbst gedrehte Zigaretten der Marke " Drum " und hörten den " Flöhen " beim Agitieren zu. Insbesondere das " Springer " - Lied, mit dem die Domstädter die Altfaschisten und Adolf H. - Steigbügelhalter von einst durch den Kakao zogen, gefiel uns. 


Die Kölner produzierten zwei Jahre später die Scheibe " Rock Jazz Rakete Lucky Streik ".
Auf dem Vinyl - Doppelalbum, dass während ihres Auftritts in der Kölner Stadthalle live mit geschnitten wurde, sind folgende Stücke zu hören:

 01. Countdown 6:15 
 02. Schön Ist Ein Jugendtraum 3:39 
 03. Sozialpartner-Blues 1:41 
 04. Streikposten 0:45 
 05. Kalte Wut 2:43 
 06. Wenn Ich Einmal Reich Bin 2:25 
 07. Streikposten 0:31 
 08. Gonzales 3:10 
 09. Karl Liest Ein Flugblatt 1:39 
 10. Die Wirtschaft Ist Jetzt In Gefahr 2:11 
 11. Der Imker 1:49 
 12. Streikposten 0:35 
 13. Deine Freiheit 4:27 
 14. Vergleiche 3:53 
 15. Der Löwenthatler 4:43 iesen Track herunterladen bei musicload.de
 16. Was Ein Kommunist Trinken Darf 2:49 
 17. Streikposten 0:26 
 18. Wenn Es Brennt 7:04 
 19. Streikposten 0:44 
 20. Lüge Zum Abschied 2:46 
 21. Freie Marktwirtschaft 3:51 
 22. Wenn Dich Jemand Fragt 1:09 
 23. Für Die Zukunft Sehen Wir Rot 1:35 
 24. Unternehmerrätsel 1:51 
 25. Saurier 3:21 
 26. Aktionseinheit 4:17 
 27. Wir Sind Millionenmal So Stark 3:11



Es folgte ein Jahr darauf die " Gei(y)er Symphonie "
Auf dem bei " Ohr " veröffentlichten Album sind zwar nur drei Stücke zu hören. Diese haben es allerdings in sich:

01 1. Satz: La Grande Tristesse (Requiem) (Floh de Cologne) 7.10
02 2. Satz: Danse Macabre (Totentanz) (Floh de Cologne) 13.02
03 3. Satz: Sérénade des vautours (Leichenschmaus) (Floh de Cologne) 23.30


http://ausdeutschenlanden.blogspot.de/2013/01/floh-de-cologne-geier-symphonie-in-rock.html

http://mutant-sounds.blogspot.de/2007/02/floh-de-cologne-geyer.html

Dass es die " Flöhe " geschafft haben, sich jenseits der meist englisch - sprachigen Politrock - Szene zu etablieren, war damals vor allem ein Verdienst ihres exzellenten Texters Gerd Wollschon.
Der stieg nach vier weiteren Platten 1978 bei der Gruppe aus und produzierte fortan neben Texten für Hanns Dieter Hüsch, auch sein eigenes Programm. Bereits ab 1970 veröffentlichte der in Polen geborene Künstler zusammen mit seiner Ehefrau eine satirische Reihe unter dem Titel " Sudelbücher ". Er zog sich in den 80er Jahren allerdings mehr und mehr aus dem Genre zurück und lebte zuletzt an der Costa Brava in Spanien, wo er leider am 9. September 2012 im Alter von 68 Jahren verstarb.

  http://de.wikipedia.org/wiki/Gerd_Wollschon

Die " Flöhe " veröffentlichten nach dem Ausstieg des Vordenkers Gerd Wollschon zwei Jahre später das Album " Koslowsky  -  eine "  Rockoper " - , das sich thematisch mit dem Schicksal eines Stahlhüttenarbeiters aus dem Ruhrgebiet auseinandersetzt, der wegen der Schließung des Werks in Nordrhein - Westfalen, bei der bayrischen Maxhütte anfängt. Das letzte Album " Faaterland " wurde 1982 heraus gegeben, ehe sich die Polit - Rockband ein Jahr später auflöste.

Am 17. Mai 1983 gaben die " Flöhe " in der Kölner Sporthalle vor 6.000 Besuchern ihr letztes Konzert. Mit ihnen traten Gruppen und Einzelinterpreten wie BAP, Hannes Wader und Dieter Süverkrüp sowie die unvergessenen Hanns Dieter Hüsch und Franz Josef Degenhardt  auf.

http://de.wikipedia.org/wiki/Floh_de_Cologne#Das_Ende

Die " Flöhe " tourten natürlich regelmäßig in der Provinz. Anderenfalls wären kaum über 3.000 Konzerte zusammen gekommen. So durfte ich sie Mitte der 70er Jahre in Minden / Westfalen bestaunen.Ein besonderes Ereignis war allerdings der Solo - Auftritt von Gerd Wollschon 1979 im " Pumpwerk " von Wilhelmshaven. Sein Programm " Solokabaretts für Staatsfeinde “, mit dem er einst schonungslos mit den gesellschaftlichen Verwerfungen in der BRD, aber auch mit dem " Funktionärskaste im real existierenden  Sozialismus " der DDR abrechnete, war beeindruckend, weshalb er minutenlange, stehende Ovationen erhielt. 


Kommentare

Octapolis hat gesagt…
du hast in der überschrift Cloh, statt Floh geschrieben...
...aber das nur am rande...
brillianter stoff! drogen waren sicher keine im spiel, neiiin. heutzutage unvorstellbar, aber oder gerade deswegen: brilliant! ;o)
Lobster53 hat gesagt…
Stimmte! Danke! Klar doch, waren damals Halluzinogene hoch im Kurs.

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