Buß - und Bettag oder Bus - und Betttag?
Er galt lange Zeit als der Albtraum der feierwütigen und notorischen Diskogänger: der Buß - und Bettag. Der zunächst gesetzliche, religiöse Feiertag, der in dem Zeitraum vom 16. bis 22. November bundeseinheitlich verordnet worden war, führte einst, nämlich bis zur Wiedervereinigung ( in der DDR wurde der vormalige Feiertag dann im Zuge der Einführung der 5 - Tage - Woche bereits vorher abgeschafft ) in Westdeutschland dazu, dass nicht nur keine Geschäfte geöffnet werden durften, sondern es waren sämtliche Tanzveranstaltungen untersagt, Diskotheken blieben bis 22.00 Uhr geschlossen oder es durfte zumindest bis dahin keine Musik abgespielt werden. Das gleiche galt für die übrigen Gastronomieeinrichtungen.
Ab 1994 wurde der Feiertag dann abgeschafft. Dieses gilt allerdings nicht für den Freistaat Sachsen, der durch einen höheren Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Pflegeversicherung von 0,5 % diesen Feiertag bei behielt.
Einst, zu meiner Schulzeit und insbesondere während des zweijährigen Konfirmantenunterrichts, war der Tag zum Kirchenbesuch verpflichtend. Angetan waren wir damals davon genauso wenig, wie von dem Tanz - und Musikverbot.
Deshalb verhohnepiepelten wir den Namen des religiösen Feiertags als Bus - und Betttag.
Bustag deshalb, weil viele dem familiären Zwängen mittels Fahrten zu privaten Treffs bei Freunden, wo dann sehr wohl laute Musik gespielt werden konnte, entfliehen wollten.
Und Bettag deshalb, weil dieser Feiertag in der Mitte des trüben Novembers lag, womit das naßkalte, trübe und dunstige Wetter dem Zuhausegebliebenen nur dazu verleiten konnte, diesem im Bett zu verbringen, zumal das Rundfunk - und Fernsehprogramm genauso trübe und voller religiösem Brimborium war.
So entschloss ich mich heute, am Buß - und Bettag den Annenfriedhof an der Kesslesdorferstraße aufzusuchen, um das dortige Grab der verstorbenen Schwiegereltern herzurichten. Auf dem Weg dorthin kamen mir bereits einige Gleichgesinnte mit gekauften Gestecken entgegen. Und während ich meine Tannenzweige und den Grabschmuck aus dem Garten auf das Urnengrab plazierte, sah ich mich ab und zu um. Ringsherum herrschte hektische Betriebsamkeit.
" Da sage doch noch Einer, der atheistische Osten habe keine Grabkultur! ", dachte ich so bei mir. Immerhin hatte ich die Digitalkamera eingesteckt und einige Eindrücke des hässlich trüben Regennovembertags fest gehalten.
Nicht so eindrucksvoll und gekonnt geknipst , wie es der Blogger - Kollege Octapolis vermag, sind diese Fotos geworden, aber immerhin für einen Post durchaus geeignet.
Buß - und Bettag 2013: Die Schwiegereltern leben seit etwa 8 Jahren nicht mehr. So, wie jene Menschen, die zu den abfotografierten Grabsteinen gehören, auch nicht.
Das Leben ist endlich, wie ein Fluss zwar, jedoch mit einem Endpunkt, an dem der Lebensfluss in das Meer über geht und damit auch seinen Namen verliert.
Buß - und Bettag auf dem Friedhof; vorbei an dem vergangenen Leben der Anderen. Auf dem Rückweg kommt mir eine junge Mutter mit Kinderwagen entgegen. Der Gehsteig vor der Feuerwache an der Klara - Zetkin - Straße wurde durch jeweils zwei versetzte Abschrankungungselemente unterbrochen. Die Mutter mit dem Kinderwagen umfährt diese mit etwas Mühe. Ich weiche auf die Straße aus, um ihr den Vortritt zu lassen. Sie bedankt sich lächelnd. Jugend und Kinder gehen bei mir in diesen Fällen längst vor. So, wie es unser eigener biologischer Ablauf eigentlich vorsieht: Der einen Generation folgt die nächste; der nächsten, die übernächste...
Buß - und Bettag 2013. Es war ein naßkalter Novembertag, ein Mittwoch, als ich wieder einmal am Grab stand.
" Guns´ N´ Roses " und " November Rain " aus der CD " Use Your Illusion Part I " 1991:
Kommentare
ansonsten: eindeutig betttag! ;o)