Oury Jalloh, war das Mord?

Es ist schon eine Krux mit dem bundesdeutschen Strafrecht. Viele halten es für zu mild und sprechen von einem Täterrecht. Andere wiederum mäkeln an der manchmal unverhältnismäßigen Ausführung der dortigen Gesetze herum. Die Mehrzahl der Bundesdeutschen indes " Bildet " sich ihre Meinung nur dann, wenn die " BLÖD " - Zeitung wieder einen Skandal auswälzt, einen vermeintlichen Täter an den Pranger stellt oder von Paradies im BRD - Strafvollzug vom Leder zieht.
Die meisten Michel haben indes von der benannten Rechtsmaterie so viel Kenntnisse, wie die Kuh vom Eislaufen.

Deshalb gibt es ja auch genügend Fachleute, meistens Juristen, die sich dieser Materie annehmen oder besser: annehmen müssen.
Ob nun als Strafrichter, Strafverteidiger oder Staatsanwalt, sie alle sollten sich im Umfeld der drei Heiligen Säulen, die da heißen: Strafprozessordnung, Strafgesetzbuch und Strafvollstreckungsvorschriften gut genug auskennen, um dem um Sicherheit und Ordnung besorgten Bundesmichel - zumindest auf dem Papier - das Gefühl zu geben, dass sie/er in einem Rechtsstaat lebt.

Das dachte möglicher Weise auch der im Juni 1968 geborene Sierra Leoner mit dem Namen Oury Jalloh, der 2001 in die Bundesrepublik Deutschland einreiste und hier einen Antrag auf Anerkennung als politischer Flüchtling stellte.
Sierra Leone war zu diesem Zeitpunkt immer noch ein Bürgerkriegsland.Auch wenn nach offizieller Lesart die Kämpfe zum Teil ab 2000 eingestellt wurden und das Land mit dem Wiederaufbau begann.

http://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCrgerkrieg_in_Sierra_Leone

Der blutige Krieg, innerhalb dessen einige Hunderttausend ermordet wurden, erbrachte ab 1991 einen wahren Flüchtlingsstrom in die Nachbarländer, aber auch nach Europa und hier insbesondere in das Wohlstandsland Bundesrepublik Deutschland.
Die Chancen auf Anerkennung als politischer Flüchtling waren indes äußerst gering. Die Verwaltungsgerichte bügelten regelmäßig sämtliche Klagen gegen Ablehnungsbescheide der aus dem afrikanischen Land einreisenden Menschen ab.
Viele von ihnen erhielten deshalb nur einen so genannten Duldungsstatus, der sie faktisch rechtlos stellte, denn die angedrohte und festgesetzte Abschiebung nach Sierra Leone konnte jederzeit, ohne weitere Ausreiseaufforderung eben, vollzogen werden.

Mit einer Duldung durfte der rechtskräftig abgelehnte Asylantragsteller weder einer Arbeit nachgehen, noch erheilt er reguläre Sozialhilfeleistungen ( das Asylbewerberleistungsgesetz sah hier Sachleistungen, Gutscheine und gekürzte Regelsätze vor ) und er/sie durfte sich nicht außerhalb des im Dokument, dass eine Passersatzfunktion besitzt, benannten Landkreis/die Stadt aufhalten ( so genannte Residenzpflicht ).

Wer dennoch gegen die gesetzlichen Beschränkungen verstieß, bekam es mit der Staatsgewalt zu tun. Die Strafjustiz war bereits damals nie untätig, um jene " Asylanten " auch mit dem repressiven Knüppel zu verfolgen.

Einst war das Asylrecht und hier das damalige Asylverfahrensrecht sowie auch das Ausländerrecht ein dankbares Betätigungsfeld für so manchen - sonst brotlosen - Advokaten, denn es stellten in den Hochzeiten der 80er und bis in die 90er Jahre mehr als 400.000 Menschen Asylanträge in der BRD.
Dann brannten nicht nur in Hoyerswerda und Rostock - Lichtenhagen oder in anderen Orten sowie Städten  von Asylbewerber bewohnte Gemeinschaftsunterkünfte. Die von Neofaschisten, Rechtskonservativen und Teilen der CDU/CSU angeheizte öffentliche Debatte führte schließlich zu einer faktischen Abschaffung des Asylrecht, indem der Artikel 16a in das Grundgesetz aufgenommen wurde.

http://de.wikipedia.org/wiki/Asylrecht_(Deutschland)

Damit sanken die Asylbewerberzahlen von Jahr zu Jahr rapide und die Anerkennugsquote beträgt seitdem etwa 2 %, also unter 500 Menschen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Asylkompromiss#Asylrecht_und_Fl.C3.BCchtlingszahlen

Eine Anerkennung als politischer Flüchtling ist seit Juli 1993 de facto gar nicht möglich, denn durch die geographische Lage der Bundesrepublik Deutschland, die rundherum von so genannten sicheren Drittstaaten umgeben ist, können Asylbewerber nur über die Nord - und Ostsee einreisen, ohne einen sicheren Drittstaat betreten zu haben, in dem sie verpflichtet wären, einen Asylantrag zu stellen.
Kohl und seine Truppen, aber auch die SPD - Mehrheit haben damit ganze Arbeit geleistet, dem Druck der rechtslastigen Medien sowie der faschistoiden Parteien und Bürgerinitiativen wurde nachgegeben; das Asylrecht als Grundrecht aus dem Grundgesetz ausradiert.

In diesem Umfeld also reiste der Sierra Leoner Oury Jalloh vor mehr als 12 Jahren in eines der reichsten Länder dieser Erde ein. Vielleicht hatte er die Hoffnung im Gepäck, dass er hier ein friedlicheres Leben führen kann. Ohne marodierende Soldateska, die ihren eigenen Landsleuten mit Macheten die Gliedmaßen abtrennen, sie enthaupten oder ihnen die noch nicht geborenen Kinder aus dem Mutterleib reißen, um sie dann ebenfalls zu massakrieren. Einer der damals ärmsten Staaten der Welt ruinierte sich noch zusätzlich durch einen mehr als eine Dekade andauernden Bürgerkrieg. Da ist es nur allzu verständlich, wenn Menschen aus diesem lebensfeindlichen Umfeld fliehen. Wenn sie - ob nun tatsächlich verfolgt oder auch nicht - ihr Glück in einer friedlicheren Welt suchen wollen.

Das dachte wohl auch Oury Jalloh, als er 2011 in dieses äußerlich friedliche, dieses materiell so reiche, dieses nach den vielen Gesetzen, so demokratische Land, einreiste.
Doch der Rechtsstaat, die rechtschaffenden Bürger dieses rechten Landes haben für " Asylanten " nicht viel übrig. " Asylant ", dass ist in der Wertigkeitsskala, in diesem, unserem Land, der Bodensatz, das ist " ganz unten ", dass ist der soziale " Abschaum ", in den Köpfen jener, die meistens auch " unten " sind.
Dieses Gefühl wird auch Oury Jalloh gehabt haben, nachdem er sich einige Monate nach der Einreise in Dessau befand. Er ist der Stadt in Sachsen - Anhalt nach einem Verteilerschlüssel, der sich aus dem Asylverfahrensgesetz ergibt zugewiesen und dort in eine Gemeinschaftsunterkunft eingewiesen worden.

Der dunkle Mann aus dem afrikanischen Staat wird wohl schon zu diesem Zeitpunkt ein Exot gewesen sein. Einer, der hier nicht hinein passt. Schon allein wegen der Hautfarbe. Einer, der zunächst kein deutsch spricht. Und einer, der selbst wenn er der Sprache hinreichend mächtig gewesen sein sollte, als " Sozialschmarotzer " stigmatisiert worden ist. Einer, der dem Staat, also dem angeblichen Steuerzahler, auf den Taschen liegt. Einer, der nicht arbeit, weil er ja nicht arbeiten darf. Einer, der versucht, die Bürger in Dessau zu verstehen, aber erkennen muss, dass diese Menschen ihm feindselig gegenüber stehen, weil sie zum Teil selbst Außenseiter in dieser Gesellschaft sind, die nur schwarz und weiß, Sieger und Verlierer sowie Reich und Arm kennt.

Oury Jalloh wird dann wohl, er war ja noch sehr jung, irgendwann, irgendwo eine auch junge Frau kennen gelernt haben, die dann von ihm schwanger wird. Warum das Kind, also auch sein Kind, zur Adoption frei gegeben wird ( ein schlimmer Begriff eigentlich ) konnte ich nicht recherchieren. Wohl deshalb, weil auch hier Frau und Mann nicht zusammen passten oder, weil die Kindesmutter, die ja die Entscheidung. sofern sie das ihr alleinig zustehende Sorgerecht erhalten hat, alleine treffen darf.

Das Kind wäre eine Chance gewesen, um den Aufenthaltstatus des Sierra Leoner aufzuwerten. Wenn er mit einer deutschen Staatsangehörigen ein gemeinsames Kind hat, hatte ihm einst eine Aufenthaltserlaubnis zugestanden.      
Er hätte damit die Möglichkeit erhalten, einer Berufstätigkeit nachzugehen. Sein eigenes Geld zu verdienen und sich dann ein selbst bestimmtes Leben einzurichten. So aber erhält er weder einen besseren Aufenthaltstatus, noch Kontakt zu seinem Kind und er wird auch die Kindesmutter nicht heiraten können.

Oury Jalloh wird auch kein berühmter oder zumindest bekannter Sportler werden können, kein Fußballer aus Afrika, wie sie seit vielen Jahren von hiesigen Vereinen gekauft und verheizt werden, kein Basketballer, wie sie von deutschen Top - Vereinen mehrheitlich in die Mannschaften integriert werden. Er wird auch nicht bei der so hoch gejubelten Fußballweltmeisterschaft 2006 seine Vertreter aus Afrika im Fernsehen beschauen können, denn Oury Jalloh stirbt 2005 in einer Polizeizelle in Dessau. Er verbrennt am lebendigen Leibe.

Zuvor ist Oury Jalloh wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Haftstrafe von 3 1/2 Jahren verurteilt worden. Er wird wohl - und das ist kein Ausnahmefall - seinen Lebensunterhalt und seinen Drogenkonsum darüber finanziert haben. Das Verkaufen von illegalen Drogen ist verboten. Wer es dennoch tut, muss mit einer Verurteilung rechnen. Da unterschiedet das Gesetz nicht zwischen schwarz oder weiß.
Doch bei den Ermittlungen wird oft sehr wohl zwischen der Ethnie unterschieden. Die Polizei ist da nicht gerade wertfrei eingestellt.

Das war sie wohl auch nicht, als Beamte am 7. Januar 2005, als Oury Jalloh von einer gerufenen Polizeistreife vorläufig festgenommen wurde.Er soll mit einer Blut - Alkoholkonzentration von 2,98 Promille und nachgewiesenen Kokain - Konsum angetroffen worden sein.
Anschließend habe die Polizei Oury Jalloh körperlich durchsucht. Bei ihm seien lediglich Papiertaschentücher aufgefunden worden. In einer ergänzenden Asservatenliste wurde dann ein Feuerzeug aufgeführt, das hierbei Oury Jalloh zugeordnet worden ist.

Im Verlaufe des gegen zwei verantwortliche Polizeibeamte, darunter den Dienstgruppenleiter, geführten Strafverfahrens vor dem Landgericht Magdeburg wurden beide Beamte zunächst freigesprochen. Später, nämlich nach dem der Bundesgerichtshof das Urteil gegen den Letztgenannten kassierte, wurde dieser 2013 zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 90 Euro verurteilt.

Inzwischen haben die Eltern des verstorbenen Oury Jalloh ein Zivilrechtsstreit bei dem Landgericht  Dessau - Roßlau eingeleitet. Sie fordern von dem Land Sachsen - Anhalt Schadenersatz in Höhe von 70.000 Euro.

 http://de.wikipedia.org/wiki/Oury_Jalloh

Der gesamte Strafprozess weist so einige Merkwürdigkeiten auf. Warum nicht näher untersucht worden ist, wie ein Feuerzeug plötzlich in den Besitz des Toten gekommen sein soll, wenn kurze Zeit zuvor über eine Leibesvisitation lediglich Papiertaschentücher aufgefunden wurden, bleibt ebenso ungeklärt, wie die Frage, wie es sein kann, dass ein volltrunkener Mann in einem an sich bewachten und überwachten Raum selbst Feuer legen kann. Und vor allem, warum Oury Jalloh, der an Beinen und Händen fixiert, also geknebelt war, die Möglichkeit hatte, im Vollrausch die Matratze der Liege anzuzünden?
Diese Widersprüche sind wohl jetzt geklärt worden.

Ein beauftragter irischer Brandsachverständiger mit dem Namen Maksim Smirnou kommt in seiner Expertise zu dem Ergebnis, dass der Verstorbene nicht selbst das Feuer in der Zelle bzw. auf der Liege entzündet haben kann, sondern, dass die Ursache dafür ein Übergießen mit Benzin und ein Anzünden des Oury Jalloh durch eine andere Person, die Ursache sein muss.

 http://www.mdr.de/sachsen-anhalt/gutachten-oury-jalloh-nicht-selbst-angezuendet100.html

Das der Afrikaner zuvor auch misshandelt, also durch Schläge verletzt wurde, könnte ebenso wahrscheinlich sein, wie die gutachterliche Feststellung, dass er, auf der Liege gefesselt, durch Fremdeinwirkung in der im Gutachten benannten Weise " ermordet " wurde.
Sollte dieses zutreffen, muss sich die Polizei und auch die Staatsanwaltschaft den Vorwurf gefallen lassen, einmal mehr in derartigen Fällen schlampig ermittelt zu haben.

" Oury Jalloh, das war Mord! ", skandierten die Mitglieder einer Interessengemeinschaft einst nicht nur vor dem Gerichtsgebäude. Dass könnte durchaus so sein.


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