Mein Freund, der Baum.
Der große Friedrich Schiller ließ in seinem Werk " Wilhelm Tell " so manche, heute noch geltende Lebensweisheit von den dortigen Protagonisten daher sagen. So stellt denn der Feldschütze Stüssi im vierten Aufzug, dritter Akt fest: " Es kann der Frömmste nicht im Frieden bleiben, / Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt. "
In die heutige Sprachform umgewandelt, wurde daraus:
Es kann der Frömmste
nicht in Frieden leben, Es kann der Frömmste
wenn es dem Nachbarn nicht gefällt!
Andere Abarten lauten deshalb auch:
Es kann der Bravste nicht in Frieden leben...
Es kann der Böseste nicht in Frieden ruhen ( Der Titel eines Computerspiels ) und, da schlägt´s mir glatt den Draht aus der Mütze:
Ein Schlager des einstigen Jungbrunns Roland Kaiser heißt doch tatsächlich:
Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben
( Wenn ihn die schöne Nachbarin gefällt ).
So hat denn des großen Schiller´s Lebensweisheit bis zum heutigen Tage einen hohen Grad an Aktualität. Nachbarschaftsstreitigkeiten sind immer noch häufig. So stellte unlängst " DER SPIEGEL " fest, dass es in der Bundesrepublik jährlich zwischen 9.000 bis 10.000 Rechtsfälle jener Güte gibt, wo sich selbst der hart gesottene Volljurist ernsthaft fragen muss: " Haben die nicht alle Tassen im Schrank? "
Und weil des " SPIEGEL "´s solide recherchierter Artikel
( http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/die-ruepel-republik-zunahme-von-nachbarschaftsstreitigk )
mich beim erneuten Lesen gleich ins Grübeln brachte, plaudere ich mal so lax daher und gebe einige Brüller aus der eigenen Berufspraxis zum Abschuss frei:
Fall A: Der kläffende Hund in Nachbar´s Garten
Die ersten Nachwendejahre erbrachten für die längst darnieder liegenden oder kriselnden Wirtschaftssäulen der so genannten Alten Bundesländer einen phänomenalen Aufschwung. So blühte die Automobilindustrie richtig auf und mit ihr die abhängigen Teilbereiche. In Westdeutschland war der Gebrauchtwagenmarkt wie leer gefegt; selbst die aller letzte Klapperkiste fand noch einen Abnehmer im Osten. Mit dem Wirtschaftsboom wurden auch kleine Klitschen hoch gespült, die als Ein - Mann - oder Familienbetrieb längst am Hungertuch genagt hätten.
Um der steigenden Nachfrage Herr zu werden, musste so mancher Einzelkämpfer Überstunden ohne Ende schrubben. Time is Money - eben!
Aus diesem Umfeld heraus kommend, schilderte mir eines Tages eine Freizeitreiterin, die ihren Zossen ebenfalls bei einem Privathof untergestellt hatte, dass ihr Mann und sie seit einigen Wochen von dem ständig bellenden Hund des Nachbarn um ihren Schlaf geraubt würden. Die Hobby - Amazone, die de facto zum einen deshalb keine war, weil sie mehr Zeit auf dem Hof mit ihrem Gaul verbrachte, als zuhause bei ihrem Mann und zum anderen, weil sie - dank der Heirat und dem damit entfallenen Konkurrenzdruck auf dem Fleischbeschauungsmarkt - die Figur einer Litfaßsäule angenommen hatte und somit bereits physiognomische Defizite aufwies, die sie allenfalls über eine Radikal - Schrot - und Kleie - Diätkur hätte kompensieren können, klagte mir zwischen " SPIEGEL " - Studium ( in der Freizeit ), Windeln wechseln ( bei meiner Tochter ) und SV Werder - Fachgespräch ( mit dem Hofeigentümer ) ihr Leid.
Sie mache sich ernsthafte Sorgen um die Gesundheit ihres Gatten, schließlich müsse dieser jeden Tag um 3 Uhr morgens aus den Feder, um zum Blumengroßmarkt nach Bremen zu fahren. Die Geschäfte brummten und bevor die Konkurrenz aus Ostdeutschland ihm die gute Ware vor der Nase wegkauft, wollte er früher vor Ort sein, und zwar ausgeruht und fit.
Nach langem Geseiere kam denn die " Litfaß " - Hobby - Reiterin auf den Punkt: Ob ich denn so etwas auch mache und: Sie habe eine Rechtsschutzversicherung.
Hoi, eine Rechtsschutzversicherung! Da glänzen die Augen eines der vielen hungrigen Rechtsanwaltes, unter den nunmehr 163.000 zugelassenen, auch heute noch. So tat ich denn zunächst - aus taktischen Erwägungen heraus - leicht uninteressiert; hatte aber in Wahrheit längst die Blankovollmacht und den mitzubringenden Kugelschreiber im Hinterkopf.
Einen Tag später unterschrieb Frau L. - H. ( für Litfaß - Hobby - Reiterin ) zusammen mit ihrem arbeitenden Ehemann mir jeweils eine vorgedruckte Prozessvollmacht. Um die an sich simple Sache ein wenig zu entkrampfen, kalauerte ich, dass sie - also die Eheleute - bei mir nun keinen Waschvollautomaten gekauft hätten.
So schilderte mir der Ehemann denn in epischer Breite, warum er des nächtens nicht mehr zur Ruhe käme. Der Mischlingsrüde des vor ihnen belegenen Grundstücks würde nach 22.00 Uhr jeden Tag laut kläffen, weil er dort frei herum liefe und auf jede Bewegung hin anschlage.
Aha, so ist das also. Nach 22.00 Uhr bellt die Töle also noch, gab ich hoch wichtig an. Das geht nicht; das ist eindeutig Ruhestörung; das sind jeweils Verstöße gegen das niedersächsische Nachbarschaftsgesetz. Weil die Eheleute natürlich wussten, dass ein Anwalt Geld kostet, übergaben sie mir zum Schluss des Gesprächs eine Kopie ihrer Rechtsschutzversicherungspolice. Aja, die DEBEKA also. Da gibt es meistens keine Probleme mit dem Erteilen des Kostenschutzes. Nur: Mal sehen, ob dort auch Streitigkeiten zwischen dem Versicherungsnehmer und Nachbarn in dem Vertragsumfang aufgeführt sind. Ja, sie waren es. So bliebe denn nur noch die Frage nach der berüchtigen " Selbstbeteiligung " oder dem " Selbstbehalt ", wie es im dortigen Fach-Chinesisch heißt?
Aja, also 150,-- Deutsche Mark hätten die Streitwilligen selbst zu berappen.
Weil ein junger, unter Konkurrenzdruck tätiger und zudem hungernder Anwalt nicht gleich mit dem Unwort " Selbstbehalt " oder " Selbstbeteiligung ", vielleicht noch " Eigenanteil " herum fingert, nahm ich die beiden Vollmachten an mich, legte die Versicherungsvertragskopie hinzu und verabschiedete mich.
Es vergingen einige Tage, dann erhielt ich Post von der DEBEKA - Rechtsschutzversicherung aus dem schönen Städtchen Koblenz an der Mosel und dem Rhein. Jawoll, ja, sie übernehmen den Kostenschutz in der Streitsache und noch schöner, sie weisen einen Vorschuss ( Grundsatz: Ohne Schuss, kein Jus! ) an.
So rödelte ich denn los und schrieb den noch ahnungslosen Nachbarn der Litfaß - Mandantin einen bösen Brief. Sie hätten einen Hund. Dieses sei ein Rüde. Dieser würde des Nächtens immer laut bellen. Da er dieses täte, sei es eben Ruhestörung oder ruhestörender Lärm. Und dieses sei ein rechtswidriges Verhalten. Das wiederum führe zu der Konsequenz, dass der Hund, der bellende Rüde also, in den allgemeinen Ruhezeiten von 22.00 Uhr abends bis 06.00 Uhr morgens und von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr tagsüber nicht mehr laut kläffen dürfe. Die Hundebellerei müsse ab sofort, spätestens bis zu einem in dem Schreiben benannten Termin, eingestellt werden. Gleichzeitig solle sich die Nachbarschaft der Hobby - Reiterin und ihres arbeitenden Ehemannes dazu verpflichten, es künftig zu unterlassen, den Hund bellend auf dem eigenen Grundstück zu lassen oder im Umkehrschluss, diesen so zu halten, dass er in den Nacht - und Ruhezeiten nun nicht bellt ( wegsperren; und zwar nicht für immer, aber immer öfter ).
Der Tag des erwarteten Antwortschreibens jener, dieser bösen Nachbarn, verstrich. Keine Reaktion! Kein gekünsteltes Antwortschreiben eines ebenfalls darbenden Kollegen, einer gleichfalls brotlosen Kollegin in Teilzeit oder in einer Haus eigenen Kanzlei mit Schlafplatz hinter dem Schreibtisch. Nichts dergleichen!
Ich informierte die Reiterin nebst Ehemann und besprach auf dem Hof mit dem Ehepaar die Sach - und Rechtslage. Nö, klagen wollten sie eigentlich nicht, aber irgendwie sehe es jetzt so aus, es würden sie auf dem Rückmarsch, auf dem Rückzug sein und nun klein beigeben. Das aber wolle Frau und Mann dann doch nicht. So empfahl ich ihnen, ab sofort ein Protokoll zu führen, in dem das Datum, die Uhrzeit und die Art der Ruhestörung vermerkt worden sind.
Zufrieden zogen sie von dannen.
Es vergingen einige Wochen. Die Vorweihnachtszeit rückte heran. Die Gesichter wurden per se fröhlicher, die Geldbeutel dafür leerer und die Kaufhäuser und Geschäfte voller. Der Stress zwischen der Hobby - Reiterin und ihrem angetrauten Blumenhändler schien beigelegt. Doch, einige Tage vor Weihnachten, bei einer jener unzähligen, dafür öden Weihnachtsfeiern im trauten Kreis aller Hobby - Reiter/innen, deren das Freizeitvergnügen zahlende Gatten, Freunde oder Verhältnisse und den Hofeigentümern, stürzte die jene Litfaßsäulen - Hobby - Amazone auf mich zu und zeterte los.
Nein, es gehe nun wirklich nicht mehr. Der Hund belle wieder. Lauter, denn je zuvor. Auch am frühen Morgen. Auch Sonntagsabends - immer, eigentlich. Ein Dauerkläffer, dieser Köter, diese Töle, dieses Mistvieh!
Ein Becher mit selbst zubereiteten Glühwein in der rechten Hand und mehreren Spekulatius in der linken, konnte ich mich dieses Frontalangriffs der gewichtigen jungen Dame nicht mehr erwehren. Sie schnatterte weiter, ohne Luft zu holen, ohne Punkt, Komma und Ausrufezeichen. Nach einigen Minuten war der Anfall vorbei. Sie sah mich flehend an. Was machen wir jetzt?
Ich stellte die Frage nach dem " Lärmprotokoll ". Ja, habe sie dabei. Gut, lautete meine kurze und knappe Bemerkung.
Ich sah auf die drei Seiten DIN A4 - Blatt, rautiert und überflog die Daten und handschriftlichen Bemerkungen dazu.
Ein wahrer Berserker, dieser " Köötaaa ", nicht? Bellt, kläfft jault einen Tag, eine Nacht und mehr; rund um die Uhr - fast, aber nur? Das geht so nicht. Der arbeitende Ehemann, der Blumenhändler in der Vorweihnachtszeit, sehr gut beschäftigt, das Wirtstier, das den Gaul, das Haus, das Auto bezahlt - nein, der muss seine Ruhe, seinen Schlaf haben.
Am nächsten Tag legte ich nun auftragsgemäß los. " An das Amtsgericht...- Zivilabteilung -..... ) und dann stand da zu lesen: Klage, In Sachen, der ..., Klägerin zu 1.) und des... Kläger zu 2.), gegen...., wegen, vorläufiger Streitwert:..., Namens und in Vollmacht der Klägerin zu 1.) und des Klägers zu 2.) erhebe ich Klage und beantrage, wie folgt zu erkennen: Die Beklagten zu 1.) und 2.) werden als Gesamtschuldner verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgelds bis zu 50.000,-- DM, für jeden Fall der Zuwiderhandlung, zukünftig zu unterlassen, den von Mischlingsrüde, schwarz, auf ihrem Grundstück.... so zu halten, dass dieser in der Zeit von .. bis.., nicht laut bellt. "
Usw., usf.
Weihnachten war längst vorbei, als dann irgendwann im Februar des folgenden Jahres Post von dem zuständigen Amtsgericht in D. kam. Die Gegenseite hatte sich auch anwaltlichen Beistand besorgt und dieser Kollege bestritt nun fast alles, was in der Klage von unserer Seite behauptet wurde. So regte sich die Reiterin denn furchtbar auf und wetterte, das die Nachbarn schlicht und einfach lügen würden. Nun, das ist eine der häufigen und erfolgreichen Übungen vor Gericht. So entschloss ich mich, den Mandanten einen Besuch abzustatten und erschien auf einem Sonntag zum Kaffee im dortigen schnuckeligen Einfamilienhaus. Auf dem Nachbargrundstück lief kurz nach Eintritt der Dämmerung der besagte " Köötaa" herum. Aber: Er kläffte nicht! Die Reiter - Dame benannte mir dann endlich einige Zeugen aus der Nachbarschaft, die das ständige Hundegebell ebenfalls gehört hätten und dieses als störend und belästigend empfanden. " Du musst noch ein ärztliches Attest beibringen, das bestätigt, dass Du seit geraumer Zeit unter Schlafstörungen und / oder psycho - vegetativen Beeinträchtigungen leidest. ", sagte ich Kaffee trinkend und ein Stück Torte hinein mampfend zu dem Mandaten, den Blumenhändler. " Ja, machen wir sofort. ", antwortete mir die Litfaß - förmige Reiterin, die längst ihr zweites Tortenstück herunter geschlungen hatte. Eine Stunde später, wir hatten eigentlich alles besprochen, verabschiedete ich mich aus dem etwas schlichten Einfamilienhaus in D.
Von Zweifeln geplagt, ob denn der beschrittene Weg zum Gericht, auch der richtige sei, formulierte ich eine so bezeichnete Klagereplik für die gepeinigten Mandanten, benannte dort die entsprechenden Zeugen, legte das ärztliche Attest bei und wartete danach auf einen Termin.
Der kam dann wohl im Frühjahr. Es waren zwei Zeugen geladen, für die zuvor noch ein Vorschuss an das Gericht eingezahlt werden musste. Die gesamten Kosten des Rechtsstreits beliefen sich bereits auf über 2000,-- DM.
Der Tag der Entscheidung nahte. Wir trafen uns eine halbe Stunde vor dem Termin im Amtsgericht von D. Einem typischen Backsteinbau, mit dem obligatorischen Eingangsportal und hohen Räumen. Für einen " fliegenden " Rechtsanwalt, einem also, der damals nur bei den Amtsgerichten von Flensburg, Niebüll oder Husum, von Amberg, Neu - Ulm bis Würzburg, von Aachen über Lemgo nach Wuppertal marodieren musste, ein durchaus vertrauter Anblick. Der Sitzungssaal war ein schmuckloser Raum, weiß gestrichen, mit einfachen Mobiliar ausgestattet. Kein Kreuz, wie in Bayern oder anderen Katholiken - Hochburgen, an der Wand.
Der Richter erschien pünktlich und flog, wie ein schwarzer Rabe, mit wehender Robe, dem Arbeitskittel eben, durch die Tür hinein.
Ein kurzes, knappes " Guten Morgen! ", dann saß er schon auf seinem Stuhl hinter dem Holztisch. Das Amtsgericht gehörte zu jenen Gerichten, die sich Jahre zuvor an einer Initiative des Landesjustizministeriums in Hannover beteiligten, die in etwa so hieß: " Mehr Bürgernähe in der Justiz ". Es herrschte hier - bis auf Strafsachen - kein Robenzwang für Anwälte. So sollte der formale Muff, das Abgehobene,die latente Angst des Durchschnittsbürgers vor der Justiz, ein wenig kaschiert werden.
Unser Richter indes trug die Robe.
" Sie sind Frau X, nicht wahr? " Die Hobby - Reiterin neben mir antwortete mit einem leisen " Ja ". Und sie sind Herr X , richtig? " fuhr der Richter fort. " Der Blumenhändler X antwortete klar und deutlich mit " Jaa!"
Dann wandte sich unser Richter der, von ihm aus gesehenen, linken Seite zu und stellte die Fragen erneut, nur mit einem anderen Familiennamen, den ich hier mit " Y " bezeichne.
Dann erhob der Richter ein verkabeltes Mikrophon eines antiquierten, Tonband ähnlichen Aufzeichnungsgeräts und sagte, in die Mitte des Raums stierend: " Nur kurz für das Protokoll. " Das bedeutete, keiner der Anwesenden durfte sich bemerkbar machen, geschweige denn sprechen.
" Protokoll in der Sache X gegen Y. Aktenzeichen... . Es folgte eine schier endlose Aneinanderreihung von Zahlen und einem Buchstaben " C" ( für Zivilrechtsstreit ). Anwesend Richter Z, unter Hinzuziehung eines Bandaufzeichnungsgeräts. Es sind erschienen: Für die Klägerpartei: Die Klägerin zu 1.), persönlich; der Kläger zu 2.), persönlich mit Herrn Rechtsanwalt W...; Für die Beklagtenpartei: Die Beklagte zu1.) persönlich; der Beklagte zu 2.), persönlich; mit Herrn Rechtsanwalt.Dr. S...
" Dann wollen wir mal eben die Anträge aufnehmen. Sie, Herr Rechtsanwalt W. stellen den Antrag aus der Klageschrift vom ...., Blatt 3. der Akte, nicht wahr? "
Nickend gab ich ein " Ja " zurück.
" Und Sie Herr Rechtsanwalt Dr. S. beantragen Klagabweisung, nicht, gemäß Ihren Schriftsatz vom..., Blatt 16 der Akte. "
" Richtig! ", antwortete der Kollege.
Der Richter drückte den Mikrophonknopf erneut:
" Rechtsanwalt W. stellt für die Kläger zu 1.) und 2. ) den Antrag aus der Klageschrift vom..., Blatt 2 der Akte. Rechtsanwalt Dr. S. beantragt Klagabweisung.
Die Sach - und Rechtslage wurde mit den Parteien erörtert. "( Das war nur für die Rechtsanwälte wichtig, denn nach dem damaligen Gebührenrecht wurde eine " Erörterungsgebühr " fällig, die gegenüber der Rechtsschutzversicherung oder den Mandanten aufgeführt werden konnte.
Der Richter drehte sein Haupt leicht zu unserer Seite herum. " Sie machen ja einen Unterlassungsanspruch geltend, nicht wahr? " Es folgte meinerseits ein heftiges Nicken und ein halblautes " Ja ". " Woher weiß ich, dass der Hund, um den es hier geht, laut gebellt hat? Oder, anders gefragt: Ist der bellende Hund immer noch da? "
Die Reiterin legte los:
" Ja, also, wir haben das immer aufgeschrieben, wann der Hund im Garten war und bellte. Es war so laut, dass wir nicht schlafen konnten. Mein Mann muss um 3.00 Uhr morgens aufstehen. Er war immer völlig übermüdet. Er fühlte sich wie gerädert. Der Hund bellt jetzt immer noch. "
" Gut, aber können sie nicht das Fenster schließen? ", wandte der Richter ein.
" Schon, aber dann geht das mit dem Schlafen gar nicht. Mein Mann schnarcht dann so laut. Dann finden wir überhaupt keine Ruhe mehr. "
Leichtes Grinsen bei den beiden Rechtsverdreher folgte. Doch das verging dem Kollegen Dr. S. schon bei der vom Richter an seine Partei gestellten Frage.
" Stimmt das, bellt ihr Hund immer abends oder nachts, Frau Y und Herr Y.? "
Das Ehepaar bekam zunächst kein Wort heraus. Ein kurzes Herumdrucksen, dann übernahm Dr. S. die Wortführung:
" Das haben wir bestritten. Das stimmt so nicht. Der Hund ist ruhig. Der bellt nicht. Das muss ein anderer Hund sein. ", antwortete Dr. S. in stakkato - artigen Sätzen.
Der Richter beendete die Ausführungen des Kollegen Dr. S. abrupt. " Für das Protokoll ", sagte er dabei. Er betätigte den winzigen Kippschalter am Mikrophon und formulierte:
" Auf Befragen, erklärte die Klägerin zu 1.)............ " Es folgte eine knappe Zusammenfassung des Redeschwalls der Hobby - Amazone.
" Auf Befragen, entgegneten die Beklagten hierauf, dass es nicht ihr Hund sei, der laut belle. "
" Nun, gut, ich habe ja Zeugen geladen. Dann werden wir die wohl hören müssen. "
" Beschlossen und verkündet: Es soll der Zeuge A. zu der Behauptung der Klägerpartei, dass der gehaltene Hund der Beklagten ständig laut belle, gehört werden " Dann legte der Richter das Mikrophon zur Seite und betätige ein zweites, dass unmittelbar vor ihm auf dem Tisch fest installiert war. " Der Zeuge A. bitte in den Sitzungssaal 1 eintreten; der Zeuge A. bitte! "
Der Richter drückte den schwarzen Knopf am Mikrophonfuss wieder herunter. Die Tür öffnete sich einen wenig. Dann stand ein jüngerer Mann, mittelgroß mit Jenas und Regenjacke vor der Tür.
" Sie sind Herr A.? ", fragte der Richter sofort.
" Ja. ", antwortete er respektvoll.
" Herr A. Sie sollen hier heute als Zeuge angehört werden. Hierzu müssen Sie die Wahrheit sagen. Wenn Sie dieses nicht tun, können Sie dafür bestraft werden. Sie wissen ja, worum es geht? "
Wieder folgte ein zaghaftes " Ja. "
" Gut, dann nehmen Sie bitte da vorne auf dem Stuhl Platz. ", bat der Richter ihn.
A. schritt etwas unsicher zu einem Tisch und setzte sich frontal zu dem Richter auf den einfachen Stuhl. Dann legte der Richter wieder los: " Herr A., wie alt sind Sie? ".
" Ich bin am .... geboren. "
" Ja, dann also... Jahre alt? ", unterbrach ihn der Richter
" Ja, richtig. ", bestätigte der Zeuge A.
" Herr A. sind Sie mit den Parteien hier verwandt oder verschwägert? "
" Nein. ", entgegnete ihm A.
" Gut, Sie sollen hier ja als Zeuge gehört werden. Es geht um einen Hund. Einen schwarzen Hund. Der soll den Beklagten hier, also den Eheleuten Y. gehören und auf deren Grundstück bellen: auch nachts oder abends. Erzahlen Sie mal bitte.", bat ihn der Richter und kräuselte dabei ein wenig die Stirn.
" Richtig, den schwarzen Hund sehe ich immer bei den Nachbar, der Familie Y. Der läuft da immer so rum. Der ist dann im Garten und wenn einer am Zaun vorbei geht, dann bellt der laut los. Egal, wann das ist, der bellt sofort. Wir haben das ständig gehört und uns darüber tüchtig geärgert, weil das auch nachts war. Wir haben dann unsere Fenster zugemacht, damit wir das Bellen nicht mehr hören. Hören konnten wir es trotzdem noch, weil es war laut. Nach einer Zeit hat der Hund dann aufgehört mit Bellen. Er lief dann wieder im Garten herum. Der Hund bellte auch Sonntags oder morgens, wenn er draußen war. Sobald sich was auf der Straße bewegte, bellte der. Das Hundegebell ging uns auf die Nerven. Meine Frau hat dann paar Mal was gesagt. Die Nachbarn interessierte das aber nicht. Die ließen ihren Hund weiter auf dem Grundstück laufen. "
" Ja, Herr A., konnten Sie nachts schlafen, oder störte Sie das Gebelle? ", wollte der Richter nun wissen.
" Also schlafen konnte ich, aber gehört haben wir das Bellen schon, aber nicht mehr so laut, weil, wir haben das Schlafzimmer zur anderen Seite der Straße, wissen Sie. "
" Können Sie mir einen genauen Tag sagen und die Uhrzeit, als sie Hundegebell gehört haben? ", wollte der Richter noch wissen.
" Also, so ganz genau weiß ich das nicht mehr, wann der Hund gebellt hat, aber letzten Mittwoch habe ich noch spät Fußball im Fernsehen geschaut, das war nach halb elf, da habe ich das Bellen gehört. Es war nicht sehr lange. "
" Ich protokolliere ihre Aussage jetzt mal, Herr A. Wenn Sie etwas dazu verbessern möchten, sagen Sie es mir bitte, ja. "
Der Richter betätigte den Mikrophonknopf und brabbelte los:
" Ich heiße... A. Bin... Jahre alt. Mit den Parteien nicht verwandt oder verschwägert. "
Dann formulierte er in kurzen, knappen Sätzen die Aussage des Zeugen.
" So richtig? ", wollte er dann noch von A. wissen.
" Ja. ", gab dieser zur Antwort.
" Haben Sie noch Fragen an den Zeugen? ", wollte der Richter nun von uns wissen und schaute mich dabei erwartungsvoll an. " Nein, danke, keine Fragen mehr. ", gab ich ihm zurück.
" Und Sie? Haben Sie noch Fragen an den Zeugen? ", sagte der Richter, den Kopf zur anderen Raumseite gedreht.
" Wir haben auch keine Fragen mehr. ", entgegnete ihm der Kollege Dr. S.
" Soll ich Ihre Aussage Ihnen noch mal vorspielen? Oder ist das hier so alles richtig? ", fragte der Richter den Zeugen nun.
" Nein, alles richtig. ", antwortete der ihm.
" Gut, verzichten Sie auf das Abspielen der Tonbandaufzeichnung der Aussage? ", wollte der Richter nun wissen.
" Wir verzichten. ", gab ich ihm zurück.
" Ja, wir auch. ", schloss sich Kollege Dr. S. an.
" Dann danke ich Ihnen für ihr Erscheinen hier. Zeugenentschädigung gibt es in Zimmer.... Auf Wiedersehen!"
" Der Zeuge A. wurde um ... Uhr entlassen. ", gab der Richter in das Mikrophon.
" Sie haben hier noch eine weitere Zeugin, die Ehefrau des Zeugen A. benannt. Sollen wir die auch noch hören? Ich meine, die wird in etwa das Selbe aussagen, wie Herr A. Aber, dass ist Ihre Entscheidung. " Der Richter wogte seinen Kopf mal nach rechts zu uns, dann nach links zu dem Tisch der Prozessgegner. Kurzes Gemurmel, dann sagte ich: " Wir würden verzichten. "
" Wir verzichten auch. ", erklärte Kollege Dr. S., der wohl längst wusste, dass die Sache so klar, wie Kloßbrühe war und er den Prozess vergeigen würde.
Der Richter drückte den Knopf des anderen Mikrophons und betete seinen Satz: " Die Zeugin A., bitte in den Sitzungssaal ... eintreten. " routiniert herunter.
Die Tür öffnete sich sofort und eine etwas rundliche, kleine Frau mit kurzen, blondierten haaren betrat das Zimmer.
" Frau A. wir brauchen Sie jetzt nicht mehr. Vielen dank, dass Sie gekommen sind. Wenn Sie Aufwendungen hatte, können Sie in Zimmer ... die Ladung vorlegen und ein Formular ausfüllen. Danke, nochmals. "
Kaum hatte der Richter seine Ausführungen beendet, grummelte die kleine blonde Frau irgendetwas vor sich hin und gab einen bösen Blick in Richtung der Prozessgegner ab.
Der Richter sah dieses natürlich auch, ließ sich aber nichts anmerken.
Stattdessen blätterte er hoch wichtig in einem dicken Kalender herum. Nach wenigen Sekunden hielt er inne. Dann nahm er das Mikrophon des Aufzeichnungsgeräts und brabbelte hinein: " Die Parteien verhandelten unter Berücksichtigung der eingangs gestellten Anträge. Beschlossen und verkündet: Termin zur Verkündung einer Entscheidung, Dienstag, den... 9.00 Uhr in Sitzungssaal .. "
" Dazu müssen Sie nicht mehr kommen. Sie erhalten dann vom Gericht Bescheid, nicht wahr Damit ist die Sitzung geschlossen. "
Wir standen auf und verließen freundlich zum Richter lächelnd den Sitzungssaal. Die Gegenseite wirkte indes ein wenig zerknirscht, denn sie ahnte wohl schon, was das Ergebnis dieser Verhandlung sein wird.
Es vergingen einige Wochen, dann erhielt ich Post vom Amtsgericht D. Ein dicker, grau - blauer DIN A 5 - Umschlag lag im Briefstapel auf dem Schreibtisch meiner Auszubildenden. Später legte sie mir die Akte dazu vor. Ich las den Tenor des Urteils und die Begründung. Wir hatten den Prozess gewonnen.
" So das, war´s! ", dachte ich. Ich stellte nachdem das Urteil rechtskräftig geworden war, einen Kostenfestsetzungsantrag an das Amtsgericht D. und wartete ab, bis der dortige Rechtspfleger einen Kostenfestsetzungsbeschluss erließ. Und der sollte es in sich haben, denn es wurden 3 Gebühren, Auslagenpauschale, Mehrwersteuer und die Zeugenauslagen fällig. Insgesamt 1.184,-- DM. Dazu kamen noch die drei Gerichstgebühren von 415,-- DM. Somit hatte die Gegenseite 1.599,-- DM zu zahlen.
Damit aber noch nicht genug, dieser Betrag war noch mit 4 % ab Antragstellung zu verzinsen. So wartete ich auf die Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses an den Prozessbevollmächtigten der Beklagtenseite und forderte über diesen die Hundehalter zur Zahlung auf. Nach Ablauf der gesetzten Frist geschah nichts. Keine Zahlung, kein Schreiben der Beklagtenseite, Schweigen im Walde. Ich ließ von einer Auszubildenen einen Zwangsvollstreckungsauftrag ausfüllen und jagte einen Gerichtsvollzieher in D. los. Wochen danach erhielt ich per Nachnahme ein so genanntes Pfändungsprotokoll. Darin teilte mir der Gerichtsvollzieher mit, dass bei den Hundehaltern nichts zu holen gewesen wäre. In dem vorgefertigten Pfändungsprotokoll stand zu lesen, dass der Pfändungsversuch " fruchtlos " verlaufen sei. Also keine Früchte zu ernten seien, kein Gemälde von Picasso, keine " Rolex " - Uhr mit Diamantensplittern, kein wertvolles Farb -TV - Gerät, dass damals noch durch eine Austauschpfändung mit einem Schwarz - Weiß - Fernseher hätte mit einem Pfandsiegel " Kuckuck " einkassiert werden können. Nichts, also: die Hundehalter waren arm, pleite, arbeitslos.
So ließ ich denn den Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sausen. Was soll´s, der Hund bellte nicht mehr, die Rechtsschutzversicherung der Mandanten hatte eh alles gezahlt und so vermied ich, dass die Hundehalter wegen eines negativen Schufa - Eintrags noch zusätzlich bestraft worden wären, weil es nicht einen lumpigen Kredit oder später eine Versandhauskatalogbestellung und viele Jahre danach einen der beliebten Handy - Verträge gegeben hätte.
Monate danach erzählte mir die Litfaß - Hobby - Amazone, dass die Nachbarn mit Hund ausgezogen wären. Nun sei endgültig Ruhe im Umfeld. Ihr Mann könne längst wieder gut schlafen, die Geschäfte liefen immer noch gut und sie sei jetzt mit ihrem Klepper auf einem Turnier gewesen. Aja, nach der Platzierung habe ich sie lieber nicht gefragt, denn die hat sicherlich " unter ferner starteten " gehiessen. Auf die 150,-- DM Selbstbehalt habe ich auch verzichtet, des lieben Friedens Willen.
Fall B: Der vom Balkon pinkelnde Nachbar
Die Freie und Hansestadt Bremen zeichnete sich bereits in den 80er und 90er Jahren durch eine sehr laxe Handhabung des einstigen Ausländergesetzes aus. So strömten damals viele Mitbürger/innen aus der Türkei in die Stadtgemeinde, um hier ihr Glück zu suchen. Meistens waren es zunächst Männern, die damals noch einen Job im Schiffbau, der Stahlherstellung oder in den Häfen fanden. Ungelernte Arbeiter eben, die dann Jahre später ihre Familien nachziehen lassen wollten. Da aber sperrte sich oft die Ausländerbehörde beim Stadt - und Polizeiamt, so dass die gut verdienenden Hilfsmalocher aus der Türkei sich einen Anwalt nahmen, um zu ihrem Recht zu kommen. So erheilt ich eines Tages - unangemeldet - Besuch eines verzweifelten türkisches Schweißers, der seine Ehefrau nebst zwei Kindern aus Anatolien in die BRD holen wollte. " Familienzusammenführung "nannte sich das Zauberwort.
Das Ausländeramt hatte seinen, in einem schlimmen Deutsch verfassten Antrag, sofort abgebügelt.
Da saß der, dass BIP - steigernde Malocher auf einer Werft vor mir und zeterte im türkisch - deutschen Kauderwelsch über die Ungerechtigkeiten in dieser, unserer Welt, über die Politiker in Bonn, über die schlechten Gesetze. Nachdem ich ihn beruhigen konnte, versuchte ich ihm zu erklären, warum die Ausländerbehörde seinen Antrag abgelehnt habe. Seine Wohnung, ein Ein - Zimmer - Loch in Gröpelingen, sei zu klein und deshalb könne er seine gesamte Familie dort nicht unterbringen. Außerdem müsse er nachweisen, dass die zuziehenden Familienangehörigen keine Sozialhilfe beantragen würden, weshalb er sich dazu verpflichten müsse, eine so genannte Verpflichtungserklärung zu unterzeichnen.
Gesagt, getan. Der Schweißer, mit dem Namen Y., brachte mir - nachdem er eine Vollmacht unterschrieben und einen Vorschuss gelöhnt hatte - einige Zeit später einen neuen Mietvertrag über eine Vierzimmer - Wohnung in Tenever, einem Trabanten - Viertel an der Autobahn, und mehrer Lohnbescheinigungen sowie eine unterschriebene Verpflichtungserklärung mit.
Ich stellte für den Schweißer Y. erneut den Antrag und einige Wochen später durfte seine Familie einreisen. Er hätte mir aus lauter Dankbarkeit fast die Füße geküsst.
Monate vergingen, als irgendwann im Winter des Jahres jener Schweißer Y. wieder - immer noch unangemeldet - im Büro auftauchte.
Jetzt klagte er mir sein Leid über die bösen Nachbarn. Es seien mindestens zwei Männer, die ständig Lärm verursachen würden.
Es stinke im Treppenhaus nach Urin. Einer der Kerle würde zudem auf seinem Balkon dauernd Saufgelage veranstalten, die bis in die frühen Morgenstunden andauerten.
Er und seine Frau könne nicht mehr schlafen. Die beiden Kinder würden zudem ständig wach. Es sei unerträglich.
So hörte ich mir seine Klageorgie an und notierte fleißig auf einem Schmierblock, was Herr Y. noch zu sagen hatte. Am schlimmsten wäre der Nachbar. R., ein Alkoholiker sei der. Ständig würde der mit " Aldi " - Tüten voller Dosenbier und Bierflaschen durch das Treppenhaus laufen. Dann erzählte mir Herr Y. noch, dass R. ab und an von seinem Balkon ( einem vielleicht 2,5 m ² großen Anhängsel zur Wohnung im 6. Stock ) herunter pinkeln würde. Immer in das vor dem Haus angelegte Rosenbeet oder auf den eigenen Balkon.
Nee, das konnte ich kaum glauben.
Ich bat Herrn Y. . dieses genauer zu schildern. Er legte gleich los.
Also, R. sei ein Säufer und wenn er sturzbetrunken sei, könne er die Toilette in seiner Wohnung nicht mehr rechtzeitig aufsuchen. Dann verrichte er seine Notdurft über der Balkonbrüstung.
Interessant, dachte ich wohl und notierte dieses sofort. Einen pinkelnden Nachbarn hatte ich bis dato noch nicht. Dann waren da noch die ständigen Lärmbelästigungen. Laute Musik, Gegröle, Flaschengeklirre, laute Unterhaltungen usw.
Nun, ich sagte Herrn Y. auch hier, er solle ein Protokoll fertigen. Datum, Uhrzeit und Art des Lärm notieren und mir dieses später zusenden.
Nun unterschrieb Herr Y. wieder eine Vollmacht und sagte mir, dass er auch eine Rechtsschutzversicherung habe.
Wie schon im Fall 1. begannen meine Augen zu glänzen. Die Gebühren sind fast sicher. Also, los gelegt.
So schrieb ich daraufhin die beiden Trunkenbolde an und forderte sie auf, ihre Lärmbelästigungen zu unterlassen. Viele Wochen später erschien Herr Y. wieder im Büro. Wieder unangemeldet und legte mir mehrere Seiten eines Protokolls vor, das seine Söhne und er angefertigt hätten. Wieso können den die Söhne deutsch, wenn sie in der Türkei gelebt haben? Ganz einfach, sie waren einige Jahre zuvor in eine deutsche Schule gegangen und dann nachdem ihre Mutter in die Türkei zurück gekehrt war, zu dieser gezogen.
Das Protokoll sah perfekt aus. Lärmbelästigungen in den Ruhezeiten, so weit mein Auge reichte. So legte ich, nachdem ich von der Rechtsschutzversicherung für das Klageverfahren die Kostenzusage erhalten hatte, richtig los. Wieder verlangte ich von den Ruhestörern, dass sie dieses zu unterlassen haben. Nach einigen Wochen, die Klage gegen die beiden Trunkenbolde war längst beim Amtsgericht eingereicht, erhielt ich jeweils ein so genanntes Versäumnisurteil. Die beiden Ruhestörer hatten sich nicht gewehrt. Nachdem das Urteil auch noch rechtskräftig geworden war, erschien eines Tages der Sohn des Herrn Y. im Büro.
Er erzählte mir, er habe großen Ärger mit dem Nachbarn R. gehabt, nachdem dieser im Treppenhaus herum randaliert und bei ihm Sturm geklingelt habe, sei er aus der Tür gekommen und habe dem R. einen gezielten Faustschlag ins Gesicht verpasst.
Der R. sei dann rückwärts gegen das Geländer geflogen und habe aus der Nase geblutet. R. habe daraufhin die Polizei geholt und eine Anzeige erstattet.
" Auha, das gibt richtigen Ärger ", sagte ich zu Y. junior Nummer 1. Ich ließ mir eine Vollmacht unterschreiben und wartete ab, bis irgendwann Y. junior 1. mit einem Schreiben der Polizeidienststelle im Büro erschien. Nun, das Ermittlungsverfahren gegen Y. junior 1. wurde später eingestellt. Die Justiz hatte andere Strafrechtsfälle, die gravierender waren. Dennoch gab R. keine Ruhe und erhob über einen Kollegen Klage bei dem Amtsgericht. Der begehrte jetzt ein Schmerzensgeld wegen des Faustschlags von Y. junior 1.
Er verlangte 1.000 .-- DM. Lächerlich, bei den mickrigen Tarifen damals in der BRD.
Im Frühsommer des Folgejahres erhielt ich eine Ladung für die mündliche Verhandlung in jener Zivilsache. Beklagter war dieses Mal der Sohn, Herr Y. junior 1. So erschienen wir gemeinsam vor dem Amtsrichter. Einen bärtigen, von sich selbst eingenommenen Mittvierziger, der gleich auf den Punkt kam. Es gehe nicht an, hier, in diesem unseren Lande, Selbstjustiz zu üben, wenn ein anderer Mitbewohner ständig die Gesetze missachten würde. Dazu seien die Gerichte zuständig. Wer diesen Weg nicht gehen möchte, sei nicht berechtigt, einen Ruhestörer körperlich zu misshandeln. Auf unseren Einwand hin, dass gegen den Kläger R. längst ein Urteil vorläge, reagiert der Richter noch ungehaltener. Gerade dann müsse doch klar sein, dass gegen die behaupteten Ruhestörungen vorgegangen werden könne. Das Urteil könne ja schließlich über die Zwangsvollstreckung umgesetzt werden.
" Wie denn, du Schlaumeier? Bei denen ist doch eh nichts zu holen ", dachte ich bei mir. Dass müsse ich doch wissen, wie das gehe, wetterte der Richter weiter los. Klar doch, wenn der Säufer R. und sein Zechkumpan nicht zahlt, gibt es ersatzweise Zwangshaft. Wem nutzt das dann eigentlich? Der bärtige Richter wollte nun wissen, wie stark die Verletzung bei dem Nachbarn R. gewesen sei und las dazu das bekannte ärztliche Attest vor.
" Hmmh,", sagte er und schob dabei sein bärtiges Kinn leicht nach vorn, dafür gibt es nicht viel Schmerzensgeld.
" Und dann ist hier von der Beklagtenseite vorgetragen worden, dass Sie, Herr R. öfters ihre Notdurft vom Balkon aus erledigen? Stimmt das wirklich? " Der Mitmieter R. druckste herum, er stammelte mit noch immer hoch rotem Kopf, etwas von einer Blasenkrankheit. " Also, das nehme ich Ihnen hier nicht ab. ", sagte der bärtige Richter.
" Trotzdem, auch wenn hier mehrere unerlaubte Handlungen vorliegen sollten, rechtfertigt dieses nicht, das Sie, Herrn Y. ( junior 1. ) den Kläger in dessen körperlich Integrität verletzten.
" Mensch, was für ein hoch gestochener Quatsch ", dachte ich noch. Dann wollte der Richter von beiden Parteien wissen, ob eine vergleichsweise Einigung möglich sei. " Die faule Suppe, will doch bloß kein Urteil schreiben. ", waren meine Gedanken.
Wir berieten uns kurz und stimmten dann zu. So sollte der Mandat, Herr Y. junior 1. einen Schmerzensgeldbetrag von 150,-- DM an Nachbar R. zahlen. Die Kosten wurden - im Fachchinesisch gesagt " gequotelt ". Ein Sechstel musste der Mandant zahlen, fünf Sechstel die Gegenseite. So blieb es unter dem Strich besehen, für den Mitmieter, Säufer und Balkon - Pinkler R., ein Zusatzgeschäft, denn die Anwalts - und Gerichtskosten waren weit aus höher, als das erstrittene Schmerzensgeld.
Wir leben doch nicht in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, gelle!
Fall C: Ein Wallnussbaum im Garten stand.
Des Hauseigentümer´s liebstes Pläsier war einst ein mit vielen Obst - oder Nutzbäumen bestückter Garten. Denn dort konnte er sich - autark von den spärlichen und teuren Angeboten von einst - so richtig freuen, wenn im Sommer bis zum Herbst die Früchte reiften und die Ernte begann. Körbe weise wurden dann Äpfel, Pflaumen, Kirschen, Birnen und andere Obstsorten verarbeitet und damit ein Wintervorrat angelegt. Die Zeiten waren meist schlecht und deshalb erfreute sich der Gartenbesitzer einer wachsenden Beliebtheit.
Inzwischen hat sich das im Laufe der Dekaden radikal geändert. Selbstanbau, eigene Ernte und Verarbeitung der Früchte des Gartens sind längst nicht mehr en vogue. So holzte so mancher Eigentümer, Pächter oder Mitnutzer die schönen Obstbäume ab und ersetzte sie durch peppiges Ziergehölz statt Nutzhölzer zu pflanzen. Das macht weniger Arbeit und bedeutet auch weniger Stress oder Ärger mit den Nachbarn. Denn: Zu jener Herbstenzeit, dann, wenn die Blätter welk werden, das Laub sich verfärbt und die Winde das einst grüne Kleid herunter rieseln lässt, beginnt die Maloche. Dann heißt es: Laub fegen, Blätter aufsammeln oder die High - Tech - Gerätschaften, wie den Motor - oder Elektrolaubsauger in Gang bringen.
Dann wird geblasen, gehäckselt und gekübelt. Was das Zeug hält!
Eine besondere Spezies in der Kategorie der Nutzhölzer ist der Nussbaum. Ob nun Haselnussbaum oder Wallnussbaum, sie beide bieten im Sommer einen prima Sonnenschutz dank ihres dichten Blattkleids. Steht jedoch der Herbst vor der Tür, lassen sie dieses sukzessive nach unten, auf den Boden fallen. Deses wäre nichts außergewöhnliches, wäre, ja, wäre da nicht des Bundesmichels Ehrgeiz, jene alsbald zu Humus verrotenden Blätter, entsorgen zu wollen.
Da werden dann Massen an Plastesäcken gefüllt und auf die Deponie - natürlich gebührenpflichtig - gekarrt. Bestenfalls ist ein Komposthaufen im Garten angelegt, der diese Mengen aufnehmen kann. Alles in Allem verursachen diese Nussbäume viel Gartenarbeit, die dann noch extrem zunimmt, wenn der Eigentümer den Anspruch erhebt, eine geleckte, Laub freie Fläche auch im Herbst vorzufinden.
Des einen Nachbarn seinen Anspruch, ist des anderen Nachbarn sein Leid. So gab es hierzu bereits jede Menge Rechtsstreite, die sich mit Fragen des herunter fallenden Laubs aus des Nachbarns Bäumen in des Nachbarn Grundstücks zu befassen hatten. Die Quintessenz aus den Streitigkeiten lautet: Der Eine hat das Andere zu dulden. Weht es oder stürmt es draußen, fliegen die Blätter auf den eigenen, den hoch gezüchteten Englischen Rasen, muss der Rasen - Fetischist diese selbst beseitigen. Basta!
So komme ich denn zum Schluss meiner Erzählungen auf den eigentlichen Punkt jener unsäglichen Streitereien zwischen Hinz und Kunz, Adolf und Zacharias oder Alt und Jung: Statt das ehrliche Gespräch zu suchen, wird lieber prozessiert.
Daraus entwickelt sich denn so manche Schrulle.
Ein pensionierter Richter am Landgericht in Lübeck verklagte seinen Nachbarn, weil dieser eine Außenbeleuchtung mit Bewegungsmelder wohl nicht korrekt eingestellt hatte, so dass diese bei Dunkelheit und Wind ständig in sein Arbeits - und Wohnzimmer hinein strahlte.
Er verlor den Prozess.
Ein weiterer Nachbar verlangte, dass die Koniferen, die seit mehr als 20 Jahren in die Höhe wuchsen, nun beseitigt werden sollten, obwohl sie im zulässigen Abstand zur Grundstücksgrenze gesetzt worden waren, weil dieser nunmehr Sonnenkollektoren auf sein Dach installiert hatte, deren Nutzungsgrad dadurch beeinträchtigt werden könnte.
Er verlor den Prozess.
Ein anderer Nachbar verlangte, dass ein Zierteich, in dem in den Sommermonaten nächtens Frösche laut quakten, beseitigt wird.
Er verlor seinen Prozess.
Ein weiterer Nachbar mäkelte über Jahre lang wegen herab fallender Blätter eines Wallnussbaums, der auf dem Nachbargrundstücks steht herum. Es kam zu keinem Prozess, den der Klügere gibt nach und stutzte die Äste des Baums herunter.
Na, so kalauere ich denn:
Herr von Spießer aus Spießingen im Spießerland,
ein Wallnussbaum in des Nachbar´s Garten stand.
Und kam die goldene Herbstenzeit
und die Blätter leuchteten weit und breit.
Des Nachbarn Arbeit nahm kein End´
er nahm die Eimer, sammelte behänd´.
Blatt für Blatt dort hinein
und dachte, das darf nicht sein.
Nörgelte ständig hinterrücks immer herum.
Dachte, die vorderen Nachbarn sind so dumm
und sägen des Baumes Krone ab,
damit ich keine Blätter mehr schnapp.
Doch das Resultat aus der Geschicht´,
jetzt ist der Baum plötzlich ganz licht.
Wenn dann die Sonne richtig brennt,
der Schweiß oben und unten in Strömen rennt.
So hat´das Nörgeln das Gegenteil gebracht,
einen heißen Arsch auch in der Nacht.
Und die Moral von der Geschicht:´ Traue niemanden, vor allem auch den eigenen Nachbarn nicht!
In diesem Sinne: Gut´s Nächtle mit John Mayall und " The Law Must Change ":
Kommentare