" Kein Entkommen "? Doch: Lieber abschalten!
Das Fernsehprogramm gibt so manchen klugen Ratschlag an die Zuschauer weiter, wenn es darum geht, das eigene, ständig von unsinnigen Information belastete Dasein, ein wenig übersichtlicher zu gestalten. Damit sind natürlich nicht die " Schweine " - Sendungen im Nachmittags - und Abendprogramm der Privaten gemeint, deren Existenzberechtigung schon allein deshalb in Frage gestellt werden muss, weil die aufgesetzten, stümperhaften Dialoge der ungezählten Laiendarsteller eine Zumutung sind, nein, es sind die vielen Magazine und Dokumentation der Öffentlich - Rechtlichen, die dann und wann auch auf eine ausreichende Zuschauerresonanz stoßen. Meistens fristen sie jedoch ein Schattendasein und fahren Mini - Quoten ein. Das wahre Leben möchte die breite Mehrzahl der Glotzer eben nicht sehen.
Und so wird denn auch die inflationär anmutende Zahl an Krimis so gestaltete, dass bei Mord, Totschlag und Raub, tatsächlich jene gut betuchten Bevölkerungsschichten überproportional häufig vertreten sind.
Diese Kapitaldelikte finden gerade in jenen Kreisen statt, die sich eigentlich keine Sorgen machen müssten, wenn es um den Fortbestand der eigenen Existenz geht. Doch, weit gefehlt!
Schwerstkriminalität findet gerade hier statt. Ob nun in Luxusvillen, in opulenten Penthauswohnungen oder in Wochenendhäuschen irgendwo zwischen Ostsee und Alpen: Mord, Mord, Mord!
Da zeigte denn das ZDF, der Rentner - Kanal, am letzten Montag, den 24. März ab 20.15 Uhr einen selbst gedrehten " Psychothriller " mit dem viel sagenden Titel " Kein Entkommen ". In den Rollen waren Benno Führmann, Anja Kling und Stefanie Stappenbeck zu sehen. Kling spielte eine treu sorgende Hausfrau, zweifache Mutter und Gattin in einem bürgerlichen Umfeld. Sie wird Opfer von drei Jugendlichen, die sie beinahe zu Tode prügeln. Anna Lehmann, gespielt von Anja Kling verlässt vier Wochen nach der Gewalttat das Krankenhaus. Trotz der vielen Bemühungen gelingt es ihr nicht in das Alltagsleben zurückzufinden. Sie ist schwersttraumatisiert.
Was danach folgt, ist ein filmischen Martyrium des Opfers, dass zwischen Rache, Selbstmitleid, einem Lügengebilde und der Justiz sich selbst abarbeitet.
Zunächst gibt sie vor, einen Unfall erlitten zu haben, damit die Kinder nicht belastet werden.
Wieso das?
Wer dem eigenen Nachwuchs eine Scheinwelt aufbaut, in der es keinerlei Konflikte gibt, hat vom eigenen Leben nichts verstanden.
Dann sinnt sie nach Rache, um die jugendlichen Täter zu bestrafen, weil diese von der Justiz nicht konsequent belangt werden.
Eine Unsinn, wie er nur in Filmen vorkommt. Das Rechtssystem sieht vor, dass Jugendliche bei derartigen, schweren Verfehlungen nicht gleich mit dem harten Knüppel der U - Haft geprügelt werden.
Danach folgt das Gerichtsverfahren. Sie sieht ihre Peiniger wieder. " Ich erwarte, dass dieser Abschaum hier hart bestraft wird! ", bellt sie heraus. Die Pflichtverteidiger der angeklagten Jugendlichen maßreln sie daraufhin.
Das Gericht, wie eh und je in diesen Fernseh -Fällen, völlig passiv, verhängt unterschiedliche Strafen. Ein Mittäter erhält gar nur Sozialstunden.
Für einen Außenstehenden nur schwer verdaulich. Für das Opfer Anna ebenso.
Sie sinnt auf Rache. Nachdem ihr ältester Sohn auch noch auf die schiefe Bahn abzudriften droht. Sie kauft sich ein Messer und möchte damit zeigen, dass sie in dem Rechtsstaat kein Vertrauen mehr hat. Ein sinnloses Unterfangen, dass zudem völlig unglaubwürdig dargestellt wird.
Das Ghetto - Milieu wird nicht von einer Mittelschichtsfamilie, wie sie Kling und Führmann spielen wollen, so adaptiert.
Fazit: Wichtiges Thema, flach herüber gebracht!
Anschließend durfte sich der ZDF - Gefrustete noch Maybritt Illner´s " Spezial " zu diesem Thema zu Gemüte führen. Eine auf Effekthascherei aufgebaute Veranstaltung, in der versucht wurde, das bundesdeutsche Strafrecht als Täterschutzrecht abzuqualifizieren. Geladen war - neben zwei Frauen, die Angehörige von Gewaltopfern wurden - auch der Jugendrichter Andreas Müller, der von den Krawallblättern ( natürlich auch dem Latrinenblatt mit den vier Buchstaben ) zum " härtesten Richter hoch stilisiert wurde und der sich in der Illner - Sendung dagegen zur Wehr setzte.
Das milde Lächeln bei den Fragestellungen, das Illner sonst immer aufsetzt, war neben dem Vortragen völlig veralterter Statistiken zu der Jugenddeliquenz, eher peinlich. Die Laberunde brachte denn auch nichts Neues. Vorurteile wurden durch sinnfreie Behauptungen, wie: Jugendstrafrecht gleich Täterrecht und der Feststellung, dass im JGG - Verfahren keine Nebenklage der Geschädigten möglich ist, was nicht einer Waffengleichheit entspräche betoniert. Quatsch mit Soße aus der Boulevard - Küche.
Es gilt nämlich, wie es aus § 80 Jugendgerichtsgesetz ergibt, folgendes:
§ 80
Privatklage und Nebenklage
(1) Gegen einen Jugendlichen kann Privatklage nicht erhoben werden. Eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften durch Privatklage verfolgt werden kann, verfolgt der Staatsanwalt auch dann, wenn Gründe der Erziehung oder ein berechtigtes Interesse des Verletzten, das dem Erziehungszweck nicht entgegensteht, es erfordern.
(2) Gegen einen jugendlichen Privatkläger ist Widerklage zulässig. Auf Jugendstrafe darf nicht erkannt werden.
(3) Der erhobenen öffentlichen Klage kann sich als Nebenkläger nur anschließen, wer durch ein Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder nach § 239 Abs. 3, § 239a oder § 239b des Strafgesetzbuchs, durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, oder durch ein Verbrechen nach § 251 des Strafgesetzbuchs, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255des Strafgesetzbuchs, verletzt worden ist. Im Übrigen gelten § 395 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 4 und 5 und §§ 396 bis 402 der Strafprozessordnung entsprechend.
Ferner steht das Opfer einer - wie gezeigten - Straftat nicht völlig recht -und schutzlos da und wird damit allein gelassen. So gibt es die Opferhilfe, wie etwa durch den " Weißen Ring ", einer bundesweit agierenden Institution, die sich als eingetragener, gemeinnütziger Verein um die Belange von Verletzten und Betroffenen einer Straftat bemüht.
Der " Weiße Ring " vermittelt auch Rechtsanwälte, Psychologen und berät die Opfer selbst.
Schließlich wurde durch den Gesetzgeber ab 1994 der Täter - Opfer - Ausgleich ( TOA ) mit Einfügung der §§ 155 a, 155b StPO sowie § 46a StGB normiert. Unter dem Leitfaden " Versöhnen statt strafen " versuchen die Vorschriften bei gewissen Delikten, einen Gesprächsfaden durch einen Mediator zwischen den Beteiligten aufzunehmen, um einer Wiedergutmachung durch den/die Täter zu erreichen.
Außerdem besteht die Möglichkeit im Wege des Zivilrechts eine Schadenersatzklage zu erheben. Die/der Geschädigte kann hierbei den materiellen und immateriellen ( Schmerzensgeld, Rente ) Schaden geltend machen.
http://www.die-bruecke-dortmund.de/mediation/taeter-opfer-ausgleich/toa-fuer-jugendliche.html
Summa summarum stehen dem Opfer eine Vielzahl von rechtlichen Möglichkeiten zur Seite, um das erlittene Unrecht abzumildern.
Dieses kam in der Illner´schen Quasselrunde nicht oder nur ansatzweise zur Diskussion. Stattdessen holte Illner den Alten Hut des " Täterrechts " aus dem Schrank und verstrickte sich in Nebenproblemen, wie das Gefühl der Ohnmacht des Opfers in einem solchen Strafverfahren.
Für eine hoch bezahlte Moderatorin ( Illner verdient immerhin rund 1.000.000 Euro pro Jahr ) ist eine bessere Vorbereitung auf eine solche Gesprächsrunde die Grundvoraussetzung, um nicht nur plakativ und populistisch zu fragen oder zu antworten.
Traurig, was der Sender aus Mainz den Glotzern in diesen knapp 3 Stunden anbot.
" Kein Entkommen" ? - Doch: Lieber Abschalten!
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