Sabbelsack
" Denn auch wenn man überhaupt nicht versteht, was der sich in den Wahn labernde Sabbelsack da eigentlich für einen dummen Quark daherfusselt, freiwillig hört er damit nicht auf. Und so bleibt einem nichts anderes übrig, als den alten Brabbelbären mit verzweifeltem Schmunzeln zu betrachten, bis vielleicht das Akku alle ist oder er einfach einschläft, weil es ja schon spät ist. Gute Nacht. "
Als die 1970er Jahre sich langsam dem Ende zubewegten, als ich mein BWL - Studium an der Hochschule für Wirtschaft in Bremen fort setzte und als ich - nach zirka einem Jahr Wartezeit - ein Zimmer im Studentenwohnheim der Universität Bremen angeboten bekam, lernte ich dort eine Vielzahl von ausländischen Kommilitoninnen, Kommilitonen und - dann illegal lebenden - Mitbewohnern kennen. Sie kamen aus der Türkei, aus dem Irak,Afghanistan, aus Malaysia, Frankreich, England und zunehmend auch dem Iran, dem ehemaligen Königreich Persien. Zu dieser Zeit herrschte dort noch Schah Reza Pahlewi, der dann später von dem selbst ernannten Revolutionsführer und Mörder Ajatollah Khomeini aus dem Land gejagt wurde.
Da zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Iran aufgrund eines bilateralen Abkommens eine besondere diplomatische Beziehung bestand, die beide Staaten natürlich auch wirtschaftlich nutzbringend anwandten, gab es erleichterte Aufnahmebedingungen für Studenten dieser beiden Länder. Für iranische Hochschulbewerber, deren dortige Abschlüsse, den hiesigen gleichgestellt wurden, bestand allerdings die Pflicht, einen zweijährigen Deutschsprachlehrgang zu belegen und mit einer Prüfung abzuschließen.
Weil ausländische Studenten - auch im vermeintlich " roten " - Bremen auf dem privaten Wohnungsmarkt kaum Unterkünfte erhielten, versuchte die senatorische Behörde sie in Wohnheim zu pferchen. Dieses barg natürlich die große Gefahr der Ghettoisierung. Deshalb existierte dort eine Quotierung für Wohnheimplätze, die an Ausländer vergeben wurden.
Wohnraumnot gab es indes auch in den Jahren nach der Gründung der Universität. Vor allem eben für ausländische Studierende. Und deshalb ballten sich im Mensa - Wohnheim viele Bewohner aus dem Ausland.
Eines Tages lernte ich einen angehenden Studenten der Elektrotechnik kennen, der mir von einigen iranischen Kommilitonen vorgestellt wurde. Davoud S. - genannt " Am... ", wohnte damals in einer Straße in Bremen - Findorff. Er war bereits verheiratet und hatte einen Sohn. " Am,.. " war neben dem Studium als Taxifahrer tätig und erschien deshalb nur selten zu unseren Treffen. Später erhielt er jedoch auch ein Zimmer im Wohnheim, obwohl er eigentlich mit seiner Familie eine Unterkunft besaß.
Wir freundeten uns bald an. Da er eine Vielzahl iranischer Landsleute in Norddeutschland kannte, war er über die politische Situation in seinem Heimatland bestens informiert. Es stand für ihn schon zu Beginn der 1980er Jahre fest, dass er dorthin nicht zurückkehren wird.
Nach einigen Jahren, das Khomeini - Regime hatte sich im Iran fest etabliert - gelang es " Am... " seinen jüngeren Bruder nach Deutschland zu holen. Er lud ihn zunächst zu einem Besuch ein, erhielt deshalb eine Zustimmung der Ausländerbehörde bei dem einstigen Stadt - und Polizeiamt in Bremen und bezahlte für diesen den Hin - und Rückflug. Zusätzlich musste er eine notarielle Verpflichtungserklärung bei der Behörde vorlegen, die vorsah, dass er für sämtliche Kosten aufzukommen hat, sofern sein Bruder die BRD nicht verlässt oder hier staatliche Hilfe in Anspruch nimmt. Das erteilte Visum wurde später für weitere zwei Monate verlängert.
Als auch diese Zeit abgelaufen war, stellte der Bruder einen Asylantrag. Wir begründeten diesen und Monate später wurde der Aufenthalt des Bruders gestattet. Die Zeit verging und der Bruder lernte fleißig deutsch. Er sah mit seinem fast kahl rasierten Schädel eher wie ein Orang - Utan aus,denn als ein attraktiver, junger Mann. M., so hieß der Bruder des " Am..." hatte deshalb nur iranische Freunde, mit denen er in die Kneipen zog, zu den Werder - Spielen ging und auf Partys regelmäßig Haschisch rauchte. M. war genau das Gegenteil von " Am... ".
Doch M. lernte besser die deutsche Sprache als sein größerer Bruder.
An einem Samstagabend lud mich " Am... " in seinem Wohnheimzimmer zum persischen Essen ein. Er konnte sehr gut kochen. Die orientalischen Gerichte schmeckten zudem exzellent.So saß ich an dem kleinen Tisch in " Am..."´s 19,4 m² - Zimmer und wartete auf das Abendmahl. Zwischenzeitlich klingelte dauernd das Telefon, so dass die Kochkünste meines Bekannten immer wieder unterbrochen wurden. Einer dieser vielen Anrufe erschien mir eher als unerfreulich zu sein, denn " Am..." redtete in einem sehr lauten Ton und ohne dabei Luft zu holen. Nachdem er aufgelegt hatte, fragte ich ihn höflich, wieso er sich denn so echauffiert hätte. Seine Antwort kam prompt. Er hatte in seinem Monolog, der einem nicht enden wollenden, Wasserfall artigen Vortrag ähnelte, seinen Bruder zusammen gestaucht, weil dieser wohl Stress mit der Polizei zu haben schien. Es ging dabei - wie nicht anders zu erwarten war - um das Haschisch rauchen.
Ich gab seinem Bruder deshalb einige rechtliche Ratschläge, wie er sich gegenüber der Polizei verhalten solle. Die Geschichte verlief für M. glimpflich; das Strafverfahren gegen ihn und andere Beteiligte wurde von der Staatsanwaltschaft Bremen wegen Geringfügigkeit eingestellt.
Dieses war M.´s Glück. Viele Jahre später versuchte nämlich M. ebenfalls einen Einbürgerungsantrag zu stellen. Und gerade dieses strafrechtliche Ermittlungsverfahren wäre ihm wieder vorgehalten worden, hätte es die Staatsanwaltschaft nicht zuvor eingestellt.
Auch " Am..." hatte ab Mitte der 1980er Jahre einen Einbürgerungsantrag gestellt. Damals waren die Hürden hierfür sehr hoch. Der Ausländer musste mindestens 15 Jahre einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet nachweisen, musste seine vorherige Staatsangehörigkeit abgelegt haben und hatte vorzuweisen, dass er mindestens 5 Jahre sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten ausgeübt hat. Für Ausländer, die mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet waren und die mindestens 8 Jahre einen darauf lautetenden, rechtmäßigen Aufenthalt nachweisen konnten, galten erleichterte Einbürgerungsbedingungen. Zudem wurde eine saftige Bearbeitungsgebühr von einigen Tausend DM fällig.
Das Verfahren zog sich elendig lange hin, weil die iranische Seite sich gegen die Ausbürgerung stemmte. " Am..." war inzwischen kurz vor seinem Studienabschluss und war deshalb für sein Geburtsland als akademisch Ausgebildeter sehr interessant.
Irgendwann, nachdem mich " Am... " in meiner Kanzlei ständig wegen seines Antrags belöffelte, kam die Einbürgerungsurkunde. Sehr viel Geld habe ich damit nicht verdienen können. Ich erhielt einen Freundschaftspreis auf Raten. Die ständige Sabbelei des " Am... " nervte jedoch ungemein.
Vor einigen Jahren erzählte ich meiner besseren Hälfte, die Geschichte mit " Am...". Sie lachte ständig und nannte dabei " Am..." einen " alten Sabbelsack ". Und just diesen lernte sie später bei einem Kurzbesuch bei uns persönlich kennen. Als er sich mit seiner zweiten Frau, einer gebürtigen Ukrainerin verabschiedet hatte, wir die Haustür schlossen, kam ihr ein Stossseufzer der Erleichterung über die Lippen. " Puh, jetzt verstehe ich, warum Du dem öfters die Tür nicht aufgemacht hast, als er Dich besuchen wollte - das ist vielleicht ein " alter Sabbelsack! "
Nun, ja, es liegt eben auch manchmal an der Mentalität des Einzelnen. Nicht jeder Iraner sabbelt wie ein Basarhändler; aber: Ich kannte hiervon genug! Weshalb ich ständig nach dem Titel " Zabadak " von Dave Dee und Co., hierfür " Sabbelsack " und den Namen des einstigen iranischen Bekannten einsetzte:
Als die 1970er Jahre sich langsam dem Ende zubewegten, als ich mein BWL - Studium an der Hochschule für Wirtschaft in Bremen fort setzte und als ich - nach zirka einem Jahr Wartezeit - ein Zimmer im Studentenwohnheim der Universität Bremen angeboten bekam, lernte ich dort eine Vielzahl von ausländischen Kommilitoninnen, Kommilitonen und - dann illegal lebenden - Mitbewohnern kennen. Sie kamen aus der Türkei, aus dem Irak,Afghanistan, aus Malaysia, Frankreich, England und zunehmend auch dem Iran, dem ehemaligen Königreich Persien. Zu dieser Zeit herrschte dort noch Schah Reza Pahlewi, der dann später von dem selbst ernannten Revolutionsführer und Mörder Ajatollah Khomeini aus dem Land gejagt wurde.
Da zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Iran aufgrund eines bilateralen Abkommens eine besondere diplomatische Beziehung bestand, die beide Staaten natürlich auch wirtschaftlich nutzbringend anwandten, gab es erleichterte Aufnahmebedingungen für Studenten dieser beiden Länder. Für iranische Hochschulbewerber, deren dortige Abschlüsse, den hiesigen gleichgestellt wurden, bestand allerdings die Pflicht, einen zweijährigen Deutschsprachlehrgang zu belegen und mit einer Prüfung abzuschließen.
Weil ausländische Studenten - auch im vermeintlich " roten " - Bremen auf dem privaten Wohnungsmarkt kaum Unterkünfte erhielten, versuchte die senatorische Behörde sie in Wohnheim zu pferchen. Dieses barg natürlich die große Gefahr der Ghettoisierung. Deshalb existierte dort eine Quotierung für Wohnheimplätze, die an Ausländer vergeben wurden.
Wohnraumnot gab es indes auch in den Jahren nach der Gründung der Universität. Vor allem eben für ausländische Studierende. Und deshalb ballten sich im Mensa - Wohnheim viele Bewohner aus dem Ausland.
Eines Tages lernte ich einen angehenden Studenten der Elektrotechnik kennen, der mir von einigen iranischen Kommilitonen vorgestellt wurde. Davoud S. - genannt " Am... ", wohnte damals in einer Straße in Bremen - Findorff. Er war bereits verheiratet und hatte einen Sohn. " Am,.. " war neben dem Studium als Taxifahrer tätig und erschien deshalb nur selten zu unseren Treffen. Später erhielt er jedoch auch ein Zimmer im Wohnheim, obwohl er eigentlich mit seiner Familie eine Unterkunft besaß.
Wir freundeten uns bald an. Da er eine Vielzahl iranischer Landsleute in Norddeutschland kannte, war er über die politische Situation in seinem Heimatland bestens informiert. Es stand für ihn schon zu Beginn der 1980er Jahre fest, dass er dorthin nicht zurückkehren wird.
Nach einigen Jahren, das Khomeini - Regime hatte sich im Iran fest etabliert - gelang es " Am... " seinen jüngeren Bruder nach Deutschland zu holen. Er lud ihn zunächst zu einem Besuch ein, erhielt deshalb eine Zustimmung der Ausländerbehörde bei dem einstigen Stadt - und Polizeiamt in Bremen und bezahlte für diesen den Hin - und Rückflug. Zusätzlich musste er eine notarielle Verpflichtungserklärung bei der Behörde vorlegen, die vorsah, dass er für sämtliche Kosten aufzukommen hat, sofern sein Bruder die BRD nicht verlässt oder hier staatliche Hilfe in Anspruch nimmt. Das erteilte Visum wurde später für weitere zwei Monate verlängert.
Als auch diese Zeit abgelaufen war, stellte der Bruder einen Asylantrag. Wir begründeten diesen und Monate später wurde der Aufenthalt des Bruders gestattet. Die Zeit verging und der Bruder lernte fleißig deutsch. Er sah mit seinem fast kahl rasierten Schädel eher wie ein Orang - Utan aus,denn als ein attraktiver, junger Mann. M., so hieß der Bruder des " Am..." hatte deshalb nur iranische Freunde, mit denen er in die Kneipen zog, zu den Werder - Spielen ging und auf Partys regelmäßig Haschisch rauchte. M. war genau das Gegenteil von " Am... ".
Doch M. lernte besser die deutsche Sprache als sein größerer Bruder.
An einem Samstagabend lud mich " Am... " in seinem Wohnheimzimmer zum persischen Essen ein. Er konnte sehr gut kochen. Die orientalischen Gerichte schmeckten zudem exzellent.So saß ich an dem kleinen Tisch in " Am..."´s 19,4 m² - Zimmer und wartete auf das Abendmahl. Zwischenzeitlich klingelte dauernd das Telefon, so dass die Kochkünste meines Bekannten immer wieder unterbrochen wurden. Einer dieser vielen Anrufe erschien mir eher als unerfreulich zu sein, denn " Am..." redtete in einem sehr lauten Ton und ohne dabei Luft zu holen. Nachdem er aufgelegt hatte, fragte ich ihn höflich, wieso er sich denn so echauffiert hätte. Seine Antwort kam prompt. Er hatte in seinem Monolog, der einem nicht enden wollenden, Wasserfall artigen Vortrag ähnelte, seinen Bruder zusammen gestaucht, weil dieser wohl Stress mit der Polizei zu haben schien. Es ging dabei - wie nicht anders zu erwarten war - um das Haschisch rauchen.
Ich gab seinem Bruder deshalb einige rechtliche Ratschläge, wie er sich gegenüber der Polizei verhalten solle. Die Geschichte verlief für M. glimpflich; das Strafverfahren gegen ihn und andere Beteiligte wurde von der Staatsanwaltschaft Bremen wegen Geringfügigkeit eingestellt.
Dieses war M.´s Glück. Viele Jahre später versuchte nämlich M. ebenfalls einen Einbürgerungsantrag zu stellen. Und gerade dieses strafrechtliche Ermittlungsverfahren wäre ihm wieder vorgehalten worden, hätte es die Staatsanwaltschaft nicht zuvor eingestellt.
Auch " Am..." hatte ab Mitte der 1980er Jahre einen Einbürgerungsantrag gestellt. Damals waren die Hürden hierfür sehr hoch. Der Ausländer musste mindestens 15 Jahre einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet nachweisen, musste seine vorherige Staatsangehörigkeit abgelegt haben und hatte vorzuweisen, dass er mindestens 5 Jahre sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten ausgeübt hat. Für Ausländer, die mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet waren und die mindestens 8 Jahre einen darauf lautetenden, rechtmäßigen Aufenthalt nachweisen konnten, galten erleichterte Einbürgerungsbedingungen. Zudem wurde eine saftige Bearbeitungsgebühr von einigen Tausend DM fällig.
Das Verfahren zog sich elendig lange hin, weil die iranische Seite sich gegen die Ausbürgerung stemmte. " Am..." war inzwischen kurz vor seinem Studienabschluss und war deshalb für sein Geburtsland als akademisch Ausgebildeter sehr interessant.
Irgendwann, nachdem mich " Am... " in meiner Kanzlei ständig wegen seines Antrags belöffelte, kam die Einbürgerungsurkunde. Sehr viel Geld habe ich damit nicht verdienen können. Ich erhielt einen Freundschaftspreis auf Raten. Die ständige Sabbelei des " Am... " nervte jedoch ungemein.
Vor einigen Jahren erzählte ich meiner besseren Hälfte, die Geschichte mit " Am...". Sie lachte ständig und nannte dabei " Am..." einen " alten Sabbelsack ". Und just diesen lernte sie später bei einem Kurzbesuch bei uns persönlich kennen. Als er sich mit seiner zweiten Frau, einer gebürtigen Ukrainerin verabschiedet hatte, wir die Haustür schlossen, kam ihr ein Stossseufzer der Erleichterung über die Lippen. " Puh, jetzt verstehe ich, warum Du dem öfters die Tür nicht aufgemacht hast, als er Dich besuchen wollte - das ist vielleicht ein " alter Sabbelsack! "
Nun, ja, es liegt eben auch manchmal an der Mentalität des Einzelnen. Nicht jeder Iraner sabbelt wie ein Basarhändler; aber: Ich kannte hiervon genug! Weshalb ich ständig nach dem Titel " Zabadak " von Dave Dee und Co., hierfür " Sabbelsack " und den Namen des einstigen iranischen Bekannten einsetzte:
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