Holl dien Muul!
Eine Woche vor Weihnachten 2016 war ich im " World Trade Center " an der Ammonstraße 72 in Dresden. Allein die Namensgebung dieses Glas - und Betonkonstrukts zeugt ein wenig von lokalem Größenwahn. Aber, egal, hier gibt es einen mobilen Verkaufsstand einer Wild - und Geflügelschlachterei aus der Lausitz. Und eben dort holte ich den genau eine weitere Woche zuvor bestellten Frischlingsrücken. Eine Köstlichkeit, wie sich später heraus stellen sollte.
Mit jenem exzellent schmeckenden, 1,5 Kg wiegenden, Stück Wild, reihte ich mich danach in eine Schlange ein, die sich mittlerweile vor einem, der Verkaufsbude angesetzten Wurst - und Fleischbräterei, die wohl von der Frau oder Lebensgefährtin, vielleicht auch Schwester, des Verkäufers im Stand, betrieben wurde. Der Imbiss schien genau so gut zu laufen, wie der Verkaufsstand. Zudem war es kurz nach 12.00 Uhr und einige Firmen im WTC hatten wohl gerade Mittagspause. Wie dem auch war, ich reihte mich also ein und wartete geduldig, bis ich bedient wurde. Mein Begehr waren zwei Bratwürste. Nein, nicht die üblichen, die leckeren Thüringer oder weiteren Rostbratwürste, sondern es sollte dieses Mal Pferdefleisch sein. Nicht deshalb, weil die Pferde - Rostwürstchen zirka 50 Eurocent billiger sind, nein, sondern, weil sie hervorragend schmecken.
So ließ ich mir die beiden wohl schmeckenden Pferdewürtschen auf ein Brötchen legen, bezahlte dafür 3, 20 Euro und verließ den Stand endgültig.
Zuvor allerdings, erinnerte ich mich an eine Zeit vor mehr als 20 Jahren. Meine damalige Frau frönte zu jener Zeit der Reiterei auf dem Hof von Buschmanns in Heiligenrode bei Stuhr, in der Nähe von Bremen, und hatte dort ihre Pferde eingestallt.
Nach den Wintermonaten, es muss wohl im März oder April eines jeden Jahres gewesen sein, wurden die Zossen wieder auf die Weiden gebracht. Wenn die, später milde, Frühlingssonne ihnen und auch den Menschen auf den Pelz brannte, waren´s der Viecher zufrieden und auch die Einsteller, die Kunden der Eheleute Buschmann, durften sich freuen, denn der Winter war vorbei und die bessere Jahreszeit durfte beginnen.
Vorher aber, hieß es: Antreten zum Arbeitsdienst. Das bedeutete, Ställe ausmisten, Plätze säubern und einige Reparaturarbeiten vornehmen. Nun, als " Sesselfurzer ", der ich als Rechtsanwalt nun einmal war, ging die körperlich harte Arbeit, eher an mir vorüber. Allenfalls meine beiden Pilotenkoffer mit Dutzenden von Akten, die ich vom Büro in meine Wohnung schleppte und von meinem späteren Haus zurück in das Büro, erforderten eine gewisse Körperkraft. Auch das spätere Rasenmähen oder das Schleppen der Sättel, verlangten ein Quantum an Manpower. Aber, ansonsten wurde ich körperlich nicht großartig gefordert.
Das sollte sich bei dem vereinbarten, aber nicht verpflichtenden, Arbeitsdienst auf dem Reiterhof, dann schlagartig ändern. Gegen 9.00 Uhr morgens trafen sich dort die Mehrzahl der Einsteller/innen, um alsbald Hand anzulegen. Da wurde gekehrt, geputzt, geschrubbt, gebürstet, gestrichen, gehämmert und - vor allem - ausgemistet. Weil die Pferde während der Wintermonate im hohen Stroh und einer noch höheren Schicht Pferdedung gestellt wurden, sammelten sich ungezählte Karren Mist an. Und den galt es nun zu beseitigen.
Dafür gab es einige große, grüne Karren, die der Hofbetreiber zur Verfügung stellte. Ein solches Monstrum schnappte ich mir, um die Ställe unserer Zossen auszumisten. Dieses war natürlich Knochenarbeit. Während ich mein uraltes Shirt und die Unterhose durchschwitzte, fuhren in den Ställen nebenan. die beiden so genannten " Knechte " großes Geschütz auf, um sich warm zu machen. Sie stellten gleich einen Anhänger, der später von einem Trecker weg gezogen werden sollte, vor den Stalleingang und legten danach wie die Berserker los.
Ich bin mir heute nicht mehr ganz sicher, ob die beiden Männer, die der Vater des Hofbetreibers einst aus einer Behinderteneinrichtung zu sich als späterer Betreuer nach Hause geholt hatte, wirklich wussten, dass sie diese Fronarbeit eher freiwillig machten, denn beide - schon etwas älteren Männer - waren mit einem sehr überschaubaren geistigen Horizont ausgestattet. Dennoch blieben sie den Einstellern auf dem Reiterhof gegenüber immer höflich und zuvorkommend.
Nun legten die beiden mit dem Ausmisten los. Mittels Forke bugsierten sie den Pferdedung auf den großen Anhänger, der sich langsam füllte. Irgendwann, ich war längst noch nicht mit meiner Pferdebox fertig, hörte ich, wie beide Männer sich stritten. Es ging wohl um das vorgelegte Arbeitstempo. Der etwas Kleinere der Beiden war wohl damit nicht so ganz einverstanden. Jedenfalls fluchte er auf Plattdeutsch, wie wild herum. Der Größere von Beiden ließ sich auch nicht lumpen und antwortete ihm, ebenso auf Platt. Ich verstand nicht alles, was sich die beiden Streithähne da an den Kopf warfen, aber irgendwann fluchte der Kleinere immer noch und zeterte gegen seinen Mitstreiter. " Holl dien Muul!", vernahm ich dabei.
Das verstand ich natürlich. Und weil die beiden Kontrahenten sich weiter verbal beharkten, konnte ich vor lauter Lachen keine einzige Mistgabel mehr in die Karre werfen. Ich lachte und lachte, bis mir die Tränen kamen. Meine Ex bemerkte dieses bald und herrschte die beiden Kontrahenten an. Danach war Ruhe. Dennoch konnte ich mich kaum beruhigen. Bald war der Anhänger mit Mist voll und die beiden " Knechte " gingen zur nächsten Box, die im Innenbereich des Gebäudes lag.
" Holl dien Muul!", ich musste selbst noch daran denken, als der Hofbetreiber uns später am Abend zu einer zünftigen Runde Bratwurst vom Grill und einem Bier einlud. " Holl dien Muul!" Und just dieser Ausspruch fiel mir mehr als 20 Jahre danach wieder ein, als ich in der Schlange stand, um zwei leckere Pferdewürstchen zu ergattern.
" The Outlaws " und " Ghost Riders in the Sky ":
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