Die Röchling-Hütte,Völklingen und der Warndt, schreiben sie eigene Geschichten?















Wieder so eine Wiederholung auf N III, dem dritten Programm des Norddeutschen Fernsehens, aus der Serie " Bilderbuch Deutschland " am 06. Mai 2009. Dieses Mal geht es in das Saarland. Der Titel: "

Völklingen und der Warndt Das Weltkulturerbe an der Saar

Wenn es im Abspann nicht zu lesen gewesen wäre, ich hätte es kaum geglaubt, dass dieser Beitrag erst 1999 abgedreht worden ist. Die matten Bilder, die fast milchigen Sequenzen und das dämmerige Szenario in und um die Hüttenanlage, sie machten auf mich eher den indruck, als seien jene Aufnahmen in den späten 70er - oder frühen 80er Jahre gedreht worden. Es scheint so, als wäre die Zeit in Völklingen stehen geblieben. Jener einstigen Hüttenstadt Nummer 1 im Saarland, dem kleinsten Flächenstaat der BRD, dem ärmsten dazu und dem, dass mehr französisch-deutsche Historie vorweist, als alle übrigen Bundesländer zusammen.

Deshalb berichtet der Film auch über die besondere Verbundenheit dieser Region mit Frankreich, der grand nation, dem einstigen Ez-Feind. Völklingen sagte mir zunächst nur so viel, dass es dort einst, nämlich in den 70er Jahren, einen Fußballverein namens Röchling Völklingen gab, der in der Regionalliga Süd-West spielte.

Tatsaächlich war der Verein bereits nach dem II. Weltkrieg durchaus erfolgreich:


Eine überregionale Rolle spielten die Völklinger erst in der Nachkriegszeit. Nach einem sehr erfolglosen Jahr in der Oberliga Südwest 1947/48, drei Jahren in der eigenständigen Saarlandliga und acht weiteren Jahren im Tabellenmittelfeld der drittklassigen Amateurliga Saarland stiegen die Völklinger 1961 nach der zweiten Meisterschaft in Folge in die 2. Liga Südwest auf und qualifizierten sich 1963 für die neu gegründete Regionalliga Südwest.

Dieser zweithöchsten deutschen Spielklasse gehörten die Völklinger bis zu ihrer Einstellung zugunsten der 2. Bundesliga im Sommer 1974 an. 1972 und 1973 nahmen sie jeweils als Südwest-Vizemeister an der Aufstiegsrunde zur Bundesliga teil, scheiterten aber beide Male: 1972 mussten die Saarländer den Offenbacher Kickers, Rot-Weiss Essen, dem FC St. Pauli und Wacker 04 Reinickendorf, gegen die der einzige Sieg in der Aufstiegsrunde gelang, den Vortritt lassen. 1973 wurden sie Dritter ihrer Gruppe hinter Rot-Weiss Essen und dem SV Darmstadt 98 und vor dem VfL Osnabrück und Wacker 04 Reinickendorf.

1974 waren die Völklinger Mitbegründer der 2. Bundesliga. Nach drei Jahren traten sie als Tabellensechzehnter freiwillig den Rückzug in die Amateurliga Saarland an. 1979 stiegen sie nochmals in die 2. Liga auf, blieben aber nur ein Jahr. Nach dem Wiederabstieg ging es weiter bergab: 1982 stürzten die Völklinger in die Viertklassigkeit. 1983/84 spielten sie noch ein Jahr in der Amateur-Oberliga, danach erst wieder in der Saison 2002/03, an deren Ende sie erneut abstiegen.

Der größte Erfolg der Vereinsgeschichte dürfte das Erreichen des DFB-Pokal-Viertelfinales in der Saison 1975/76 sein, das die Saarländer bei Hertha BSC mit 1:2 nach Verlängerung verloren.

Aber wie auch der größte Arbeitgeber in Völklingen, die Röchling-Hütte in den Endsiebziger einen permanenten Niedergang erleben musste, so verschwand mit der dadurch bedingten, regionalen Strukturkrise, auch die Bedeutung des Fußballvereins.

Die gesamte Region war einst als Kohle-und Stahlrevier von überörtlicher Bedeutung und erlebte in den "Wirtschaftswunderjahren" eine wahren Boom, der bis in die späten 70er Jahre anhielt. Wo damals auf der Röchling-Hütte über 17.000 Beschäftigte die Schichten fuhren, ist heute gähnende Leere zu sehen. Zerborstene Scheiben, Industriebrachen und wild wuchernde Grünpflanzen prägen den Blick, den der TV-Seher kredenzt bekommt. Die Hütte ist auf ein Bruchteil ihrer damaligen Größe zusammengeschrumpft, so wie es ihr später auch der Dortmunder Phoenix und weitere - vormals bedeutende - Stahlfabriken nachmachen mussten, die aber schon bald endgültig ihren Abgesang zelebrierten.

Völklingen,dass ist heute eine graue Maus im Einzugsgebiet des Warndt. Trotz des UNESCO-Titels, trotz der Industriebrache Röchling-Hütte und trotz der überalterten Bevölkerung, die mit ihren Versuchen, die Vergangenheit wieder lebendig zu machen, keineswegs gescheitert ist. Wo einst prosperierende Wirtschaftszweige entstanden waren, hält heute die Tristesse Einzug. Geschlossene Geschäfte, fats menschenleere Straßen und verwitternde Fassaden. Zu lange haben die verantwortlichen Politker auf die Kraft der florierenden Röchling-Hütte gesetzt. Bis weit in die 70er hinein, als schon dunkle Wolken am Konjunkturhimmel aufzogen, als die Billig-Konkurrenz in Fernost, in Japan, Südkorea und Taiwan, mit hoch subventionierten Produkten auf den Welt-Stahlmarkt einfielen. Als sie in gleicher Weise den Schiffbau an den Enterhaken nahmen und deutsche Werften reihenweise schliessen mussten. Als auch die Konsumgütermärkte, wie jener für Hifi-und Phonartikel von billiger Waren mit sehr guter Qualität überschwemmt wurden. Gleiches galt auch für den Automarkt. Die billige Polemik, mit der die deutschen Hersteller versuchten ihre Ängste vor der Fernost-Invasion zu verbergen, half nicht viel. Sie wetterten gegen " Exoten, Reisschüsseln als PKW oder Schlitzaugen-Schiffe ". Es half nichts, die deutschen Hersteller konnten nicht mithalten und gingen eben baden - für immer!

Wo keine Absatzmärkte für Stahl mehr vorhanden sind, da kann dann eben auch kein Hersteller seine Produktion aufrecht erhalten. Er muss das Werk dicht machen, so wie es Röchling in Völklingen zum grössten Teil erfahren hat.

Heute gibt es da noch den Tourismus, eine mögliche, aber keine wirkliche Alternative. Selbst die herrliche Waldlandschaft des Warndt, mit ihren Freizeitmöglichkeiten, sie können keinen Ersatz für verloren gegangene Arbeistplätze bieten. Ein Malocher bei Röchling, der zwei Jahrzehnte dort geschuftet hat, der schult nicht mehr zum Touristikfachangestellten um. Wie auch? Er setzt sich mit Mitte Vierzig oder Ende Fünfzig in seinen Klappstuhl vor dem Haus, auf seine Liege in arten oder auf den Holzschemel auf der Terasse und lässt die Füße baumeln. Ausgebrannt, ausgelaugt, ausgepowert!

So, wie die Stadt Völkingen mit der Röchling-Hütte vor sich her dümpelt. Am grünen Warndt, der Luge des Saarlandes, der der Stadt wieder saubere Luft und viele alte Menschen ohne akute Ateminfektionskrankheiten beschert hat.
















Literatur zu Bilderbuch Deutschland in der ARD
Pfeil Völklingen und der Warndt
Das Weltkulturerbe an der Saar

SR | Sa. 15. Juli 2000 | 16:00 Uhr

Buchleitner, Hans P.:
Völklingen, vom Königshof zur Hüttenstadt.
Völklingen: Selbstverlag, 1950.
181 S. : zahlr. Ill., graph. Darst., Kt. (vergriffen)

Burckhardt, Lucius:
Alte Völklinger Hütte
Ill. v. Meyer-Veden, Hans.
Ins Engl. übers. v. Robinson, Michael
(Opus, 00028)
Edition Axel Menges, 04/1997
72 S., ca. 70 Abb.
ISBN 3-930698-28-5
68,- DM (62,- SFr, 498,- ÖS)

Glaser, Harald:
Die Völklinger Hütte
(Der historische Ort - Industriedenkmal)
Homilius, K, 1997
28 S., 13 Abb. - 20 x 12 cm.
45. – Broschiert (Wanderführer)
ISBN 3-931121-38-0
5,- DM

Graubner, Klaus:
Völklingen
Zeit-Ort-Erinnerung-Zeit
Ill. v. Verf.
Beitr. u. hrsg. v. Gercke, Hans
Heidelberger Kunstverein, 1997
33 S. - 29,5 x 21 cm. - 228
ISBN 3-926905-39-5
14,- DM

Howest-Uthemann, Sigrid;Koch, Alex;Kunkel, Horst:
Völklingen und seine Stadtteile
Vom Dorf zur Mittelstadt.

Eine Sammlung historischer Fotos
Vorw. v. Desgranges, Karl W;
Koch, Alex.
Hrsg. v. Howest-Uthemann, Sigrid,
im Auftr. d. Heimatkundlichen Vereins Warndt e.V.
Bearb. v. Koch, Alex;Kunkel, Horst;Weidig, Klaus;Weinen, Alexander
Merziger Druckerei, 1993
504 S. - 30 x 21,5 cm. - Kunststoff
ISBN 3-923754-13-2
49,- DM

Fred Oberhauser
Das Saarland : Kunst und Kultur im Dreiländereck zwischen Blies, Saar und Mosel
Köln: DuMont, 1995. 407 S.
zahlr. Ill., Kt. - 5. Aufl. DuMont-Dokumente : DuMont-Kunst-Reiseführer
ISBN: 3-7701-1643-7 (vergriffen; Neuauflage erscheint im November 1999)




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