Die süßesten Früchte.


(c) Hedwig Storch-WIKIPEDIA

Nachdem für mich bereits beim Aufbau der gigantischen Medien-Luftblase rund um den EHEC-Erreger feststand, dass ich meine Essgewohnheiten nicht verändern werde,konnte ich das Geschiße rund um die medial begleitete Suche der Infektionsquelle gelassen betrachten, so, wie es ein Turmwächter einer belagerten Burg in den kriegerischen Auseinandersetzung im Mittelalter erging,unmittelbar dabei, jedoch nie gefährdet.
In diesen luftigen Höhen habe ich mich dann regelmäßig begeben, um die reichlich vorhandene Kirschen zu ernten. Immer in Konkurrenz mit einigen Staren und weiteren gefiederten Freunden handelnd.

Das ist nun - zumindest in diesem Jahr - endgültig vorbei. Die Ernte ist eingebracht, entweder an die Nachbarn verschenkt oder selbst verzehrt. Was übrig bleibt, sind einige schwarz-rot leuchtende Exemplare, die - wegen des zu dünnen Astwerks - auch dieses Mal nicht gepflückt werden können. Beim Betrachten der letzten Kirschen fiel mir ein Lied aus den verspießten, miefig-piefigen 50er Jahre wieder ein, das ich - wenn auch leicht abgewandelt,weil falsch gesungen - bei meiner Hobbyarbeit im Kirschbaum geträllert hatte:
 " Die süßesten Früchte ". Die beiden Interpreten vermutete ich in der Nähe von Peter Alexander und irgendeinem Petticoat bewehrten Nachwuchs-Schlager -Lieschen. Und tatsächlich, es war der einst gertenschlanke Peter Alexander zusammen mit Oliva Molina. Es war das Jahr 1953. Was aus Peter Alexander wurde, ist bekannt, nur sein Mitsing-Lieschen habe ich nicht mehr in Erinnerung. Da hilft eben einfach nur googeln. Gut, gefunden habe ich nur die Schlager-Trulla " Olivia Molina ". Vielleicht hat sie nur ein "i" in ihrem jetzigen Namen dazu getan. Wie auch immer, der Text ging mir dennoch nicht aus dem Kopf und so habe ich diesen wenigstens gefunden:




Frau Enterich weihte am grünenden Rain
Ihr jüngstes in alle Geheimnisse ein,
Sie sagte, das Schönste zu fressen, das unsereins hat,
Das ist der Salat.

Das Entelein lauschte und staunte gar sehr,
Es blinzelte frech in der Gegend umher,
Da sah es die süßesten und herrlichsten Kirschen am Baum.
"Mama, pflück' sie für mich", so bat es kläglich
"Mein Kind," sagt die Mama, "das ist unmöglich".

R e f r a i n
Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere,
Nur weil die Bäume hoch sind und diese Tiere groß sind,
Die süßesten Früchte schmecken Dir und mir genauso,
Doch weil wir beide klein sind, erreichen wir sie nie.

Das Entelein weinte und klagte gar sehr,
Es trug sein gegebenes Schicksal nur schwer.
Doch als es dann groß war, da ging es mit einem Bericht
Vors hoeh Gericht.

"Die Großen", sagte es, "fressen ganz keck
Die Kirschen und sonstiges weg.
Sie alle beanspruchten darin das nämliche Recht."
"Was sind das", sprach die Maus, "für dumme Faxen?
Die Kleinen müßten dann doch erst mal wachsen!"

R e f r a i n

Die Welt ist rund und wie scheint, so gelenkt,
Daß Enten und Mäusen das Leben nichts schenkt,
Sie tragen ihr Schicksal nach altem und tierischen Brauch, wie andere auch.
Die Großen, die sind ja am Anfang auch klein,
Und wenn sie dann wachsen, dann ist es gemein,
Doch wenn es auch ärgert die Kleinen, die ändern es nicht.
Solang die hohen Bäume Früchte bringen,
Solange werden alle Kleinen singen:
Die süßesten....


Von dem gleichnamigen Film habe ich bis heute noch einige Erinnerungen, denn der wurde einige dutzend Mal im Ersten wiederholt. Dieses hat es schon damals gegeben. Wenn den Programmverantwortlichen nichts mehr einfiel, wurden eben alte Konserven aus den Archiv gekramt.
So, wie es demnächst nach Beginn der Sommerferien in jedem Jahr zum Ritual geworden ist, " olle Kamellen " aus der Kiste zu holen.

Beim Summen des Refrains der " Süßestens Früchte " kamen mir denn auch noch Erinnerungen an meine Zeit als Erntehelfer auf der Obstplantage in dem Nachbarort Luhden. Als ich mich einem Schulkollegen dort für 50 Pfenning je 2,5 Kilo-Korb von 4.00 Uhr morgens bis um 12.00 Uhr mittags in Bück - und Hockstellung die Erdbeeren in die Körbe bugsierte. Verkauft wurden jedoch 500 Gramm für 1,50 DM. Ergo: Bei einem Korb von 2500 Gramm Gewicht ( dieses wurde von der damaligen Vorarbeiterin pingelig genau abgewogen und in eine Liste handschriftlich eingetragen ) ergab das einen Verkaufspreis von 7,50 DM - eben dem Fünfzehnfachen.
Deshalb wohl auch das Lied von den süßesten Früchten?

Heute trifft das längst nicht mehr zu. Denn am Samstag habe ich bei einem vietnamesischen Verkäufer für eine 500 Gramm Schale Erdbeeren ( wenn auch aus Spanien ) sage und schreibe 50 Cent = ca. 1 DM bezahlt. Die waren zwar nicht zucker-süß, geschmeckt haben sie dennoch.
Beim Bezahlen stellte ich mir die Frage, wie ein spanischer Verkäufer da noch Kosten deckend arbeiten kann. Oder waren diese sogar aus China?
Nun, des Rätsels Lösung könnte "EHEC" heißen. Es könnte aber auch sein, dass die ausländischen Erntesklaven so wenig Geld erhalten, dass ein Pfund geerntete Erdbeeren unter 10 Cent verkauft werden kann. Denn Erdbeer-Erntemaschinen gib es wohl noch nicht?
Es könnte auch daran gelegen haben, dass der Dresdner Obsthändler die Erdbeeren kurz vor Pfingsten wegen drohender Überlagerung abverkaufen musste.

Warum auch immer, würde unter den Bedingungen zu meiner einstigen Erntehelferzeit in den Mittsechzigerjahren heute noch gearbeitet, müsste ein Pfund Erdbeeren 5 Euro kosten. Die würde aber - mit Ausnahme der Reichen - kein Mensch kaufen. Und deshalb hätte sich das Trällerlied von Peter Alexander & Oliva Molina über 58 Jahre später tatsächlich bewahrheitet. hat es aber nicht, weil die Großen Tiere zwar immer noch die süßesten Früchte fressen, aber durch die globale Ausbeutung jene Erntearbeiten und andere Lohndumpingtätigkeiten von noch ärmeren Menschen in armen Länder statt bei uns verrichtet werden.

So wird denn erklärlich, warum das Lied von den " Süßesten Früchten " immer noch Aktualität besitzt. 

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