Schule hat angefangen!


                                                                                                                       (C) Hans Lachmann
Am Samstag, den 20. August 2011 sollte nun der Ernst des langen Lebens für ca. 32.000 Mädchen und Jungen im süd-östlichsten Bundesland der Bundesrepublik beginnen. Schuleinführung! Was für ein bedeutungsschwangerer Begriff für ein bedeutungsloses Prozedere, dass sich von Jahr zu Jahr, wie der Glockenschlag der Turmuhr mindestens ein Mal zur vollen Stunde wiederholt. Da standen an den Schulgebäuden ab 9.30 Uhr viele jüngere, subalternde und mehr noch ältere Damen und Herren - häufig im feinen Zwirn - und warteten - meistens schnatternd wie eine Gänseschar -  auf den Einlass in die gute Stube. Was sich für das verzogenen Ein-Kind-Monster dann anschließend noch so ereignete, lässt sich - kurz und knapp - mit viel Wind um Nichts umschreiben.

Ein Schulleiter - manchmal eine Schulleiterin - sendete würdevolle Worte in den Raum, der oft zum Bersten mit Erwachsenen gefüllt war. Das Verhältnis von Einschüler/in zu begleitenden Eltern und Verwandten kann da schon locker mit 8: 1 oder darüber hinaus festgestellt werden.
Teilweise waren vier Generationen am Start in den neuen Lebensabschnitt.
Nach vielleicht einer 1/ 2 Stunden war der Spuk vorbei.

Das erdrückende an dem Tag waren aber nicht die vielen Erwachsenen sondern deren materielle Zuneigungsaktionen. Eine Unzahl von Schultüten pflasterten den Weg des Kindes zum Sitzplatz an der reich gedeckten Tafel. 
Im frisch gewaschenen, Hochglanz polierten und auf Abzahlung gekauften Gr0ßraumfahrzeug ging es zurück nach Hause. Ins traute Heim, wo bereits der nächste Konsum-Niederschlag wartete. da wurde reichlich Flüssignahrung aufgenommen und es blieben ganze Flaschen im Laufe des Abends leer zurück. Mit steigendem Alkoholpegel wurde dann auch die sonst verkrampfte Stimmung etwas gelöster. Der Onkel Gustav beobachtete nun nicht mehr den Onkel Manfred und dieser nicht mehr den Onkel Maik mit argwöhnischen Blicken, ob der nicht vielleicht doch zu dick aufträgt.

Im Sinne des Weingeistes und Bierbauches sowie der Schnapsnase durfte nun geplaudert werden. So manche Einschulungsfeier verkommt dann zum Saufgelage und bringt dem anwesenden Nachwuchs damit nichts. Aber, das Aufrechterhalten der schlechten alten Tradition sei Dank, lässt die Sauforgie zumindest de Kassen der Getränkemärkte klingeln.

Ob nun ein abendliches Tischfeuerwerk oder eine richtige Raketenparade oder ob ein Schultüten- Tsunami, die " I-Dütze " werden bis zum Abwinken verwöhnt. Ein Ende der Materialschlacht um den Ein-Kind-Nachwuchs ist nicht in Sicht. Da mokierte sich - überwiegend zu Recht - die sächsische Landtagsabgeordnete Eva-Maria Stange in der Samstagsausgabe der Sächsischen Zeitung ( SZ ) über jene ungerechte Verteilung von Zuwendungen, über die Ausgrenzung vor der Einschulung durch die Größe der Wundertüte und deren Inhalt und über die kostspieligen Feiern zur Schuleinführung. Na, da könnte aber doch glatt gesagt werden, dass es den HARTZ IV-Empfängern ermöglicht wird, jenen schulischen Bedarf zuvor zu beantragen. Und wenn der Amtsschimmel dabei wiehert, eben nicht klein beizugeben.

Was natürlich nicht als Kosten übernommen wird, sind die Privatfahrten des Elternteils von der Wohnung bis zum Schulgelände, wo dann so manche Mutti in ihrem chicen Zweitwagen bis zur Eingangstür fährt, um das verwöhnte, oft schon übergewichtige Kind dort abzusetzen, anschließend - mit aufgesteckter Designer-Sonnenbrille im getönten und geföhnten Haar - ein sinnfreis Schwätzchen mit der ebenfalls aufgebrezelten Nachbarin zu führen und bei dieser Gelegenheit über den Ostseeurlaub oder die 10 Tage Mallorca zu protzen. Heiliger Bimbam, wie weit ist diese Gesellschaft gesunken, dass der Nachwuchs einen eigenen Schul-Shuttle-Dienst in Anspruch nehmen muss, um nicht gleich als Verlierer dazustehen?

Ach ja, da gibt es dann auch noch die obligatorischen Hinweise der Deutsche Verkehrswacht, die da - alle Jahre gleich - lauten: " Schule hat begonnen! ", um den rasenden Elternteil noch kurz vor dem Schulgebäude ins Gewissen zu reden, dass auch der eigene Nachwuchs im rollenden Wohnzimmer irgendwann auch ein Normalo wird, nämlich ein Fußgänger. Wie schön!

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