"Das nichts bleibt, wie es war. " Der Liedermacher Hannes Wader konnte am 23. Juni 2012 seinen 70. Geburtstag feiern.
Jetzt, in der fußballosen Zeit, besteht für mich Gelegenheit, über einige Themen zu schreiben, die im EM-Trubel beinahe untergegangen wären. Wie konnte ich nur den 70. des (politischen) Liedermachers schlechthin, Hannes Wader vergessen? Ein sicheres Zeichen, dass die Alltagsereignisse längst einen Schleier der Beliebigkeit über das eigene Leben gezogen haben. Dabei bin ich ein - selbst ernannter - glühender Anhänger des bundesdeutschen Poeten und Gitarrenspielers, des Texters und Musikers, des einstigen Gesangsrebellen und heutigen Gesellschaftskritikers.
Hannes Wader, eigentlich Hans Eckhard Wader, erblickte an jenem 23.Juni 1942 in Gadderbaum/ Bethel bei Bielefeld das Licht der Welt. Seine weiteren biographischen Eckdaten lassen sich u.a. hier nach lesen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hannes_Wader#Kindheit_und_Jugend
Wer - so wie Hannes Wader - in den Niederungen der Provinz groß geworden ist, wer den pseudo-klerikalen Erziehungsstil, den elenden Mief der Nachkriegsjahre im Westen und den auf Ignoranz zum Gewesenen im III. Reich gepflegten, wechselseitigen Umgang in der prä-faschistoiden Gesellschaft der 50er Jahre kennen gelernt hat, konnte genügend Material sammeln, um über viele Jahre kritische Liedtexte einzuspielen.
Hannes Wader hat dieses ab den frühen 70er Jahren in exzellenter Weise umgesetzt.
Waren seine Lieder in den Endsechzigern noch eher vom Alltäglichen geprägt, so änderte sich dieses spätestens mit dem glänzenden Album " 7 Lieder ".
http://de.wikipedia.org/wiki/Hannes_Wader#Beginn_der_Liedermacherlaufbahn
Die dann radikale Politisierung schlug sich auch oder vorallem in seinen späteren Texten nieder. Aus dem anfänglichen Chansonnier mit Hang zu eingedeutschten französischen Liedern, wurde alsbald ein Folksänger, der beißende Sozialkritik vortrug und diese über sein herausragendes Gitarrespiel im so genannten " Fingerpicking "-Stil in immer größere und oft ausverkaufte Veranstaltungen seinen Freunden und Anhängern kredenzte.
Hannes Wader war zu Beginn der 70er Jahre bereits populär, obwohl seine Musik nicht den Geschmack der breiten Masse traf.
Daran änderte sich auch nicht sehr viel, als Hannes Wader 1971 wegen des Verdachts der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung von der Bühne weg verhaftet wurde und die Staatsnwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen ihn in Gang setzte, dass erst viele Jahre später eingestellt wurde. Hannes Wader litt zwar in der Folgezeit unter diesen Begebenheiten, seinem musikalischen Erfolg hingegen tat der Fall keinen Abbruch, da sich seine Kollegen, wie u.a. auch Reinhard Mey, dem bereits über die Medien vorverurteilten Musiker zur Seite standen und sich mit ihm solidarisch erklärten. Die "RAF"-Gudrun Ensslin-Thematik hat Hannes Wader erst wesentlich später in seinem Lied " Alptraum " direkt verarbeitet.
http://de.wikipedia.org/wiki/Hannes_Wader#Die_1970er_Jahre:_Wader_und_die_Politik
" Ein alter Alptraum steckt mir jetzt noch in den Knochen,
in Hamburg steht ein Spukhaus,
da fing alles an...
und ich vermeide dieses Thema, wenn ich kann.
Meine Wohnung das Versteck gesuchter Terroristen,
die Verhaftung, die Verhöre und dann vor dem Haus
die Leiche des erschossenen Polizisten, erspart mir Einzelheiten,
ich will auf was andres raus...
Ich denke, nur der weiß, wovon ich spreche,
den die Justiz auch schon mal in die Mangel nahm,
totales Ausgeliefertsein, die Schwäche,
die nackte Angst und das Gefühl der Scham..."
Mit Hamburg, mit den Großstädten allgemein, setzt sich Hannes Wader auch in anderen Liedern auseinander, die sich nicht auf der 1989er LP " Nach Hamburg " befinden:
http://de.wikipedia.org/wiki/Nach_Hamburg
" Jung war ich, mein Hunger nach dem Leben übergroß, ging fort.
Riß mich von Zuhause und allen Freunden los.
Kam in die großen Städte, wo ich nicht nur Freunde fand.
Damals halfen meine Träume mir oft mehr als mein Verstand. "
(Textpassage aus dem Song " Damals " ).
Hannes Wader hat seine Schaffensphasen nicht nur als Rebell, als politischer Interpret im Genre der folkloristischen Musik durchlaufen, sondern er ist häufig auch der Poet, der Liedermacher und Sänger mit stark emotionalen Stücken, die er entweder selbst schrieb oder aus dem Überlieferten vortrug, ohne dabei in den Kitsch, in die Beliebigkeit abzudriften. Ein weiteres musikalischen Gebiet, das Hannes Wader beackert hat, sind Volkslieder. Stücke also, die nicht nur allgemein bekannt sind, sondern auch solche, die er auf seinen Tonträgern hat wieder aufleben lassen. In diesem Zusammenhang wagte er auch den musikalischen Nebenweg in die Klassik ( Schubert ) zu beschreiten. Mit Erfolg, denn seine Interpretationen sind durchgängig als gelungen zu sehen.
Nun ist Hannes Wader 70 Jahre alt geworden. Kein Grund, ihn zum Alten Eisen abzulegen und über ihn immer und ewig in der Vergangenheitsform zu berichten. Hannes wurde für sein Lebenswerk geehrt. Vielleicht war es dafür schon zu spät, denn eigentlich hätte er bereits vor einigen Dekaden eine Danksagung erfahren sollen; dafür, dass er diesem Land, diesem Staat,dieser Gesellschaft ständig auf´s eigene Schadmaul geschaut hat. Seine Texte sind gerade deshalb meistens nicht mit einer rosa Wolke der Naivität überzogen. Er singt sie auch nicht jenem, einem Grund, damit Knete zu verdienen. Dennoch ist er bekannt geworden, hat finanziell ausgesorgt und durfte sein Privatleben so führen, wie mancher Künstler es sich immer gewünscht hätte.
Von den vielen Hannes Wader - Alben sind einige aus Vinyl im LP-Archiv geblieben. Leicht lädiert, aber immer noch abspielbar. Seine Stimme hörte sich einst jung, aufmüpfig und kämpferisch an. 50 Jahre später wirkt sie gesetzt und weise, geprägt von den mehr als 5 Dekaden, die er im Business verbracht hat.
Ein Text aus dem wohl größte Erfolgsalbum seines Schaffens, den " 7 Liedern " ist mir ständig in Erinnerung:
Heute hier, morgen dort,
bin kaum da, muss ich fort,
hab' mich niemals deswegen beklagt.
Hab es selbst so gewählt,
nie die Jahre gezählt,
nie nach gestern und morgen gefragt.
Manchmal träume ich schwer
und dann denk ich,
es wär Zeit zu bleiben und nun
was ganz andres zu tun.
So vergeht Jahr um Jahr
und es ist mir längst klar,
dass nichts bleibt, dass nichts bleibt,
wie es war.
Dass man mich kaum vermisst,
schon nach Tagen vergisst,
wenn ich längst wieder anderswo bin,
stört und kümmert mich nicht.
Vielleicht bleibt mein Gesicht
doch dem ein oder anderen im Sinn.
Manchmal träume ich schwer
und dann denk ich,
es wär Zeit zu bleiben und nun
was ganz andres zu tun.
So vergeht Jahr um Jahr
und es ist mir längst klar,
dass nichts bleibt, dass nichts bleibt,
wie es war.
Die Orginalmelodie stammt von Gary Bolstad, einen amerikanischen Folksänger und der nennt den von Hannes Wader in das Englische übersetzte Text:" Day to day ".
http://www.youtube.com/watch?v=HNYcHDYZzio&feature=related
Schon vor mehr als 40 Jahren erkannte Hannes in dem Lauf des Lebens - auch seines eigenen - richtig:
" So vergeht Jahr um Jahr und mir ist schon längst klar, dass nichts bleibt, dass nichts bleibt, wie es war." Wie wahr!
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