Eschede 15 Jahre nach dem Zugunglück: Endlich entschuldigt sich die Deutsche Bahn.



Hajotthu by Wikipedia - Zugunglück von Eschede

Der 3. Juni 1998 war ein Mittwoch.Der Tag begann etwas trübe, als ich von Bremen nach Halberstadt in Sachsen - Anhalt abfuhr. Und während beim dortigen Amtsgericht einen Termin in einem Zivilprozess wahr nehmen durfte, ereignete sich vor einem Ort, der etwas mehr als 109 Kilometer von der sachsen - anhaltischen Stadt das bis dato größte Zugunglück in der Geschichte der Deutschen Eisenbahn.

Der Inter City Express ( ICE ) mit dem Namen " Wilhelm Conrad Röntgen ", geführt als Triebzug 151 war mit einer Geschwindigkeit von zirka 200 km/h auf der Fahrt von München nach Hamburg unterwegs, als  bei dem Streckenkilometer 55,1, etwa sechs Kilometer vor dem Ort Eschede in Niedersachsen, gegen 10:58 Uhr ein Radreifen an einem Rad der dritten Achse des ersten Wagons aufgrund von Materialermüdung brach. Der abgesprungene Radreifen wickelte sich danach ab und bohrte sich durch den Boden eines Abteils zwischen den zwei Sitzen in dem Personenwagen Nummer 1, wo er anschließend stecken blieb.
Aufgrund des gebrochenen Radreifens wurde der ICE in den Folgeminuten instabil und kollidierte in Eschede mit einem Betonpfeiler, der darauf hin zerstörte wurde und die über die Gleise führende, dazu gehörige Brücke zum Einsturz brachte. Ein auf dieser Brücke befindlicher PKW mitsamt zweier Gleisarbeiter schleuderte in die Zugaufbauten. Beide DB - Mitarbeiter starben zusammen mit weiteren 99 Reisenden in den Trümmern des DB - Prestigeobjekts.

Seit dem Unglück sind viele Jahre vergangen, es ist viel Zeit damit verbracht worden, die Unglücksursachen zu erforschen, die Ergebnisse der unzähligen Sachverständigengutachten zu analysieren und die möglichen Konsequenzen hieraus zu ziehen. Die Katastrophe beschäftigte nicht nur die Medien, die Politik und die Gerichte, sie wurde auch bei den Verantwortlichen der Deutsche Bahn zum Thema.

http://de.wikipedia.org/wiki/ICE-Unfall_von_Eschede

Diese mussten sich den Vorwurf gefallen lassen, dass die einst propagierten Unternehmensziele, nämlich Kostenreduzierung, Gewinnmaximierung und Fortschrittsgläubigkeit sich in der Form nicht mit einander vereinbaren lassen. Ein Sprichwort lautet: " Der Fisch stinkt zuerst immer vom Kopf. " Richtig! Für das Unglück, dessen Ursachen nun geklärt sind, waren nicht die Angeklagten allein verantwortlich, denen zunächst die routinemäßig eingeschaltete Staatsanwaltschaft in entsprechenden Ermittlungsverfahren ein schuldhaftes Verhalten nachweisen wollte. Angesichts der Komplexität der Unglücksursachen war dieses ein eher aussichtsloses Unterfangen. Dem einzig überlebenden Zugbegleiter war ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten nicht nachzuweisen, denn er hatte lediglich eine Zeitspanne von 101 Sekunden zur Verfügung, um zwischen dem ersten Wahrnehmen der verdächtigen Fahrgeräusche, diese als gravierendes Problem zu erkennen und noch vor dem Aufprall zu reagieren.
Die weiteren Ermittlungen gegen Mitarbeiter des einstigen Bundesbahn - Zentralamts in Minden sowie der Vereinigten Schmiedewerke ( VSG ) in Bochum wegen etwaiger Fehler bei der Konstruktion, der Zulassung und der Herstellung der gummigefederten Radreifen ergaben keinen Ansatz für eine strafbare Handlung. Gleiches galt für drei Mitarbeiter der ICE - Instandhaltung in München.
Nach mehr als drei Jahren Ermittlungstätigkeit, die von drei Staatsanwälten aus Lüneburg und einer eingerichteten Sonderkommission mit zeitweise 21 Polizeibeamten durchgeführt wurden, erhob die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht in Lüneburg dann Anklage gegen einen Abteilungspräsidenten der Deutsche Bahn, einen technischen Bundesbahnoberrat sowie einen Betriebsingenieur des Radreifens wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung von 105 Personen sowie der fahrlässigen Tötung von 101 Menschen.
Die am 7. November 2001 eingereichte Anklageschrift wurde erst mit Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 13. Juni 2002 zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Am 28. August begann der erste Verhandlungstag in diesem Mammutprozess. Und dieser endete - nach 55 Verhandlungstagen - am 8. Mai 2003, also beinahe 5 Jahre nach dem Unglück, mit der Einstellung des Verfahrens gegen sämtliche Angeklagte. Die Vorschrift in der Strafprozessordnung, wonach das Gericht zu jedem Zeitpunkt nach Eröffnung der Hauptverhandlung das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten, vorläufig beenden kann, ist für jene Fälle vorgesehen, in denen die Schuld des Angeklagten als gering einzustufen wäre und es für eine Verurteilung aller Voraussicht nach, nicht ausreichen würde.
§ 153 a StPO wird immer dann angewandt, wenn das Verfahren sich weiter in die Länge zieht. Wenn es aus prozessökonomischen Erwägungen nicht vertretbar sein könnte, dass zur Klärung der Schuldfrage weitere Beweismittel eingeholt werden und diese wiederum durch entlastende Beweise in Frage gestellt werden könnten. Der eherne Grundsatz " in dubio pro reo " spielt hier eine große Rolle.

Dass dieses Ergebnis für die Nebenkläger, die Angehörigen der vielen Toten, die Verletzten, letztendlich unbefriedigend sein muss, sollte als menschlich verständlich besehen werden. Prozessual indes würde es wenig Sinn machen, wenn ein Gericht noch auf unbestimmte Zeit um den " heißen Brei " namens " Schuldfrage " herum streicht, ohne dass es an diesen heran kommt. Dieses ist natürlich für die letzt genannten Beteiligten unbefriedigend. Jedoch kann der Knüppel des Strafrechts nicht zum Ersatz für eine persönliche Wiedergutmachung gelten.
Die gleiche Einschränkung gilt auch für die sich hiernach anschließenden zivilrechtlichen Ansprüche. Geld kann nie als Surrogat für menschliches Leid herhalten.

Deshalb verbleibt nur die moralische Komponente und diese nennt sich schlicht und ergreifend " Entschuldigung ".
Dazu konnte sich die Leitung des Konzerns Deutsche Bahn AG bisher nie so richtig durch ringen. Weder der vormals als Chef fungierende Johannes Ludewig, noch der Nachfolger Hartmut Mehdorn haben sich dazu herab gelassen, ihr Bedauern expressis verbis in eine Entschuldigung umzuwandeln. Rüdiger Grube hat dieses am 3. Juni 2013 anlässlich der Gedenkfeier in Eschede nach geholt. Immerhin ein wichtiges Zeichen.




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