Free Wulff? Oder: Warum es sozial - adäquat ist sich in gehoeben Kreisen aushalten zu lassen.
Vorweihnachtsgeschenke sollen angeblich nichts taugen, weil sie zu früh ausgepackt werden und der Frust über das unpassende, das falsche, das nicht gewünschte Geschenk, noch länger andauert als sonst. Wenn der " lupenreine Demokrat ", der russische Ministerpräsident Wladimir Putin nun - einige Tage vor dem christlichen Weihnachtsfest - eine wahre Schenkungssorgie in Form einer Amnestie für eingekerkerte Querköpfe und kreative Künstler konkret in Aussicht stellt, bedeuten diese vorweihnachtlichen, milden Gaben, indes noch lange nicht, dass damit das flächenmäßig größte Land der Erde, eine wundersame Wandlung zu einem Staat nach west-europäischem Grundmuster vollzieht.
Wenn in dem " Wulff " - Prozess der Vorsitzende Richter einer Strafkammer des Landgerichts Hannover in einer vorab angekündigten " Zwischenbilanz " ausführt, dass das Gericht bislang kein strafwürdiges Verhalten der beiden Angeklagten Christian Wulff und David Groenewold zu erkennen vermag, weil sich die von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift aufgestellten Gesetzesverletzungen eben doch nicht bestätigt haben und die bis dato gehörten Zeugen, die zum Teil auf erstaunlich große Erinnerungslücken verwiesen oder den Ablauf jenes präsidialen " Oktoberfest " - Besuchs anders darzustellen versuchten, dann bedeutet es noch lange nicht, dass mit dem geschenkten Freispruch bzw. der Einstellung des Verfahrens nach § 153 Strafprozessordnung ( StPO ) oder §153a StPO, die beiden Amigos von einst sich völlig rein gewaschen haben.
Was der Vorsitzende Richter Rosenow als " sozial - adäquates Verhalten " erklärte, sieht für den Außenstehenden, für einen Nichtzugehörigen, der sich selbst als " Führungselite " sehenden Gesellschaftsgruppe, schlicht und ergreifend so aus:
Gebe ich Dir, gibts Du mir!
Dieses nicht spezifisch kapitalistische Grundprinzip des miteinander Umgehens, kann auch als Seilschaftspflege, als Spezl - Wirtschaft ( typisch in Bayern ) oder " Amigo " - Kultur bezeichnet werden. Jeder kennt Jeden, Einer für Alle, Jedem das Seine - mir Alles?
" Sozialadäqutes Verhalten "? Aja, wenn also Groenewold dem - vermutlich - längst als " pleite " einzustufenden Herrn Ministerpräsidenten Wulff aus Niedersachsen einen Kurztrip zum größten " Sauffest " unseres Erdkreises teil - finanziert, dann ist dieses Verhalten unter " guten 2 Freunden nicht justiziabel.
Wenn Freund Wulff allerdings dem Freund Groenewold im Gegenzug einen " fetten " Auftrag des Landes Niedersachsen zuschanzen lässt, weil er, Wulff, als Ministerpräsident die richtigen schwarzen Kanäle für eine solche Auftragsvergabe kennt und sein Amt oder seine Funktion dabei spielen lässt, dann ist das Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung im Sinne der Vorschriften des Strafgesetzbuchs.
Ob dieses im Fall des Ex - Bundespräsidenten, Ex - Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen und Ex - Abgeordneten des Niedersächsischen Landtags so gewesen ist, lässt sich nach der bisherigen rechtlichen Bewertung des Landgerichts Hannover nicht beweisen. Wenn aus dem bunten Strauß von Vorwürfen, die Wulff sich seit dem medialen Hochjazzen, der zur " Wulff - Affäre " subsumierten Anwerfungen, schließlich nur ein lumpiger dreistelliger Betrag übrig bleibt, liegt es zunächst daran, dass Wulff sich möglicher Weise immer in einer Grauzone zwischen Legalität und Strafbarkeit befunden hat. Das dürfte in jenen Kreisen, zu die sich Don Wulff einst zugehörig zählen wollte, alle Male üblich sein.
Man kennt sich eben. Man ist in dieser Art und Weise miteinander verbunden. Man nennt dieses dann Freundschaft, ohne wirklich befreundet zu sein, denn das eigentliche Ziel dieser Mischpoke ist es doch, den eigenen Besitzstand zu mehren, respektive zu erhalten und andere Hyänen, die auch nach Kohle, Macht und Anerkennung streben, erst gar nicht an die Fleischtöpfe vor zu lassen.
Das nennt sich dann " soziale Adäquanz ".
Solange keine Grenzen überschritten werden, solange diese Bagage unter sich bleibt und von den verdummenden Medien auch noch hofiert wird, hält man sich untereinander die Treue. Wie gesagt: Die Rechten ins Köpfchen, die Schlecht ins Tröpfen, dass da Plebs heißt. Und der Plebs wird für solches anrüchiges Verhalten - weil er zumeist nicht intelligent genug ist oder keinen gesellschaftlichen Stellenwert hat - von der Dritten Gewalt geschasst.
Wenn - wie einst in den 70er und 80er Jahren - ein Demonstrant von der Polizei fest genommen, dann auf das Revier genommen, dort mit seinen Rechtsanwalt telefonieren wollte, tat er gut daran, 18 Pfennig in abgezählten Münzen in der Tasche parat zu haben. Anderenfalls durfte er nicht von dem Heiligtum Dienstapparat anrufen und - noch perverser - ihm drohte eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Bestechung eines Beamten, sofern er 20 Pfennig, 50 Pfennig oder sogar eine Mark auf den schäbigen Diensttresen knallte und vielleicht sogar noch nass - forsch betonte: " Stimmt so! ", dann zeigte der Rechtsstaat schon bei dieser Gelegenheit seine scharfen Zähne.
Wenn ein Beamter einer Wirtschaftsbehörde sich einst zu Weihnachten eine Flasche Wein schenken ließ, die einen Gegenwert von vielleicht 12 DM hatte, dann war das durchaus strafbar, sofern jener Beamte mit der Genehmigung einer Industrieansiedlung befasst war. Auch ein Beamter der Verkehrspolizei muss sich im strafrechtlichen Sinne verantworten, wenn er von einem kollidierten LKW einen Beutel Apfelsinen nimmt, der sich nach dem Aufprall zwischen den Achsen verfangen hatte und diese dann in Revier verzehrt. Die arbeitgerichtliche Diktion hat noch strengere Maßstäbe für ein strafbewehrten und dann vertragswidriges Verhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelt. Viele dieser Fälle gehören zu den Klassikern der Arbeitsrechtslehre ( Verschiedene Kündigungsverfahren sorgten wiederholt für Schlagzeilen. In dem einen Verfahren war eine langjährige Mitarbeiterin in einem Supermarkt wegen Unterschlagung von zwei Pfandbons im Gesamtwert von 1,30 Euro fristlos gekündigt worden, in einem anderen eine Sekretärin wegen dem unerlaubten Verzehr von einer Bulette und einem Brötchen und in einem weiteren eine Altenpflegerin wegen des Diebstahls von Maultaschen. In der öffentlichen Meinung wurden diese Kündigungen sofort als ungerecht und unverhältnismäßig bezeichnet, sie seien aufgrund von Lappalien erfolgt. Einige Verfasser vertreten immer noch die Meinung, dass Kündigungen auch aufgrund vermeintlicher Lappalien gerechtfertigt sein können.).
Da fragt sich denn der juristische Laie, wie es zu einer derartig unterschiedlichen Behandlung in unserem Rechtssystem kommen kann?
Das versucht auch die Kollegin Gisela Friedrichsen in einem " SPON " - Beitrag zu ergründen, indem sie schreibt:
" Warum ist überhaupt angeklagt worden, wenn die Beweise so dürftig sind, dass das Gericht nach acht Verhandlungstagen noch immer nichts Beweisbares in den Händen hat? Warum hat die Kammer eine solche Anklage zugelassen? Weil sowohl Staatsanwaltschaft als auch Gericht den öffentlichen Vorwurf fürchten, sogenannte Promis besser zu behandeln als die Herren Hinz und Kunz? Dann stünde es schlecht um die Souveränität der Justiz. "
- Zitatende - aus: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/zwischenfazit-zum-prozess-gegen-christian-wulff-und-david-groenewold-a-940219.html
Aja, Frau Kollegin, die Staatsanwaltschaft könnte befürchten, dass sie öffentlich angeprangert wird, weil sie vielleicht mit zweierlei Maß mißt? Nö, das muss sie nicht befürchten, denn sie zeigt es ja seit Jahrzehnten an ungezählten Fällen. Frau Friedrichsen versucht dann zu erklären, warum Wulff sich nicht strafbar gemacht haben kann und schiesst dabei auf die eigenen Kolleginnen und Kollegen, die sich mit der Zurschaustellung von Prominenten einen Namen machen und Geld verdienen wollen:
" ...das Schielen auf Beifall und die Angst vor dem Aufschrei des Boulevards geht vor allem zu Lasten der Angeklagten. Deren Ansehen wird allein durch den Umstand, vor Gericht ihr Privat- und Intimleben ausbreiten zu müssen, beschädigt. Dazu kommt die psychische Belastung, die jeder Strafprozess für einen Angeklagten bedeutet. Justiz soll verständlich sein. Sie muss sich dazu auch verständlich machen. "
- Zitatende - aus: a.a.O.
Wulff hat mit dem Boulevard zuvor glänzend gelebt. Er - insbesondere die " Blöd " - Zeitung - haben ihn hofiert, sie haben ihn und seine schmarotzende Ehefrau mit Superlativen überhäuft und dann, als seine Nehmerqualitäten an das Tageslicht gezerrt wurden, einfach fallen gelassen. Wer sich mit diesem Pack einlässt, muss sich gegebenfalls auch mit jener Journaille sich schlagen. So einfach ist es im Dunstkreis der angeblichen Promis, zu denen sich Sir Christian auch zählen konnte.
Doch die Kollegin vom " SPIEGEL " trägt noch dicker auf:
" Wenn eine Staatsanwaltschaft angesichts einer Situation, wie sie im Prozess gegen Wulff und Groenewold nun besteht, weiter auf "ausreichende Hinweise" hofft, dass Wulff sich "wissentlich" von seinem Freund habe einladen lassen, dann wird das Verständnis arg strapaziert. Außerdem: Wulff hat mit Frau und Kind nicht gratis im Hotel gewohnt, sondern dafür bezahlt. Dass ihm nicht gleich auffiel, dass die Kosten für das Kindermädchen nicht auf der Rechnung standen - welch eine Straftat! In welcher Welt leben diese Staatsanwälte eigentlich?"
- Zitatende - aus: a.a.O.
Ja, in welchem Staat leben wir eigentlich?
Zuerst werden der Herr Bundespräsident Christian Wulff nebst Gattin wie räudige Hunde von der Medienmeute aus dem Promi - Dorf gejagt. Dann, nachdem er politisch tot und sie von ihm geschieden ist, kommt der große Herzschmerz über diese Freveltat. Den Medien fällt plötzlich ein, dass sich hinter der " Wulff " - Affäre ja Menschen befinden könnten.
Nun, auch Politiker sind Menschen; Bundespräsidenten sind es auch und deren Ehefrauen oder Lebenspartnerinnen alle Male.
Aber: Hier gibt es eben solche und solche. Die Wulffs waren von den Solchen die anderen, nämlich publicity - und Geld geile Menschen.Sie haben sich prima in der Scheinwelt der Reichen, Schönen und Dreisten eingefügt. Bettina Körner ( Wulff ) als Ungelernte und Christian Wulff als naiver Biedermichel, der Kanzlerambitionen hatte, von Merkel ausgebootet wurde und von der Öffentlichkeit abgewatscht, weil er - nach dem er vermutlich wegen seiner Scheidung längst finanziell am Krückstock ging - sofort eine neues, ein " sozial adäqautes " Leben mit einer neuen Frau und einer anderen Familie leben wollte. Das ging auch in die Hose, so wie seine Pläne, nach Schröder und Merkel Bundeskanzler zu werden.
Wulff ist vielleicht kein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten nachzuweisen, dazu ist er zu gewieft. Schließlich hat er irgendwann auch einmal zwei juristische Staatsprüfungen abgelegt. Sein gesamtes Auftreten in der Öffentlichkeit indes zeigte, dass hier ein weltfremdes Individuum zwischen den Scheinwelten von Macht und Glamour sowie Moneten herum geisterte und dabei nie richtig zur Ruhe kam.
Vielleicht wäre es besser gewesen Wulff hätte die Osnabrücker Kanzlei, in der er als Rechtsanwalt tätig war, nie - formell betrachtet - verlassen. Ei biederer Provinzler sollte am Platz bleiben und nicht in die große, weite Welt gehen.
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